In einem bemerkenswerten Aufsatz analysiert Marc-Antoine Pérouse de Montclos, Forschungsdirektor am /Institut de recherche pour le développement (IRD),/den Hintergrund des größten französischen Kriegseinsatzes seit dem algerischen Unabhängigkeitskrieg. Er hält die Bekämpfung des Dschihadismus im Sahel für eine überbewertete, wenn nicht vorgeschobene Begründung. Dass der laufende Kriegseinsatz kaum von Kritik in der französischen Öffentlichkeit begleitet wird – im Unterschied zu den Massenprotesten gegen den US-geführten Golfkriegen 1991 und ab 2003, erklärt er mit der französischen Herrschaftstradition, Aufstände im eigenen Land wie in den Kolonien als religiöse Verschwörung darzustellen.
Die Gründe, die die französische Regierung zu Beginn des Kriegseinsatzes 2013 angab, seien nicht stichhaltig. Weder habe in dem Jahr eine dschihadistische Eroberung Südmalis gedroht, noch seien damals wie behauptet massenhaft Frauen und Kinder von Dschihadisten massakriert worden. Eine regelrechte Entführungsindustrie gebe es auch in Mittel- und Südamerika sowie in anderen subsaharischen Ländern, ohne dass deswegen dort militärisch interveniert würde.
Massenbefragungen und zahlreiche Reiheninterviews dschihadistischer Gefangener in den Sahel-Ländern hätten ergeben, dass religiöse Motivationen bei ihrer Rekrutierung nur eine geringe Rolle gespielt hätten. Wichtig sei hingegen das Kampfziel, Familien, Communities und legale oder informelle ökonomische Aktivitäten zu schützen. Ausserdem ginge es vielen um Einkommen und sozialen Aufstieg. Auslösend sei häufig die Erfahrung sozialer Ungerechtigkeit, staatlicher oder parastaatlicher Repression sowie korrupter Praktiken staatlicher Machthaber vor Ort.