07. November 2017 · Kommentare deaktiviert für „Tote bei Rettungsaktion vor Libyen: Küstenwache beschuldigt Sea-Watch“ · Kategorien: Nicht zugeordnet

taz | 07.11.2017

Ein Flüchtlingsboot, zwei Rettungsschiffe – am Ende waren fünf Menschen tot. Libyens Küstenwache macht eine deutsche NGO dafür verantwortlich.

Christian Jakob

Libyens Küstenwache hat den Vorwurf der deutschen Hilfsorganisation Sea-Watch zurückgewiesen, für den Tod von fünf Flüchtlingen im Mittelmeer verantwortlich zu sein. Sie beschuldigte ihrerseits Sea-Watch, eine Rettungsaktion gestört und so das Unglück vor der Küste des nordafrikanischen Landes ausgelöst zu haben.

Ein Schiff der Hilfsorganisation sei während einer Rettungsaktion am Montag aufgetaucht und habe unter den Flüchtlingen Chaos ausgelöst, hieß es am Dienstag in einer Erklärung der Küstenwache. Viele Menschen seien ins Meer gesprungen, um auf das Schiff „Sea-Watch 3“ zu gelangen. Dieses habe die Anweisung der Küstenwache ignoriert, sich zu entfernen.

Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete unterdessen am Dienstag von ihr vorliegenden Videoaufnahmen der Situation. Auf dem von den Libyern aufgenommenen Video sei zu sehen, dass einige Migranten versuchten, während der Rettungsaktion vom libyschen Patrouillenboot abzuspringen, um die Sea-Watch zu erreichen. Einige Migranten hätten geschrien, um von den Libyern freigelassen zu werden, als sich das deutsche Schiff näherte.

In dem Agenturbericht kommt eine der Geretteten aus Nigeria zu Wort, die nach Libyen zurückgebracht wurde. „Ich wollte Italien erreichen. Ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll“, sagte Dora Onoruyi, eine 23-Jährige aus dem südnigerianischen Benin. Migranten, die nach Libyen zurückgebracht werden, werden dort in Lagern interniert.

„Es hätte niemand sterben müssen“

Die „Sea-Watch 3“ sei von der zentralen Seenotrettungsleitstelle in Rom mit der Rettung der Migranten beauftragt worden und gleichzeitig mit einem libyschen Boot bei dem Schlauchboot eingetroffen, sagte eine Sprecherin der italienischen Küstenwache. Damit bestätigte sie die Angaben der NGO. „Die libyschen Behörden haben die Koordination des Einsatzes übernommen“, sagte die Sprecherin. Sea-Watch nahm 58 Gerettete an Bord. Die Libyer brachten 45 Menschen zurück in das Bürgerkriegsland.

„Es hätte heute sehr wahrscheinlich niemand sterben müssen, wenn wir die Möglichkeit gehabt hätten, den Rettungseinsatz ruhig und besonnen durchzuführen“, sagt Sea-Watch Einsatzleiter Johannes Bayer. „Anstatt die Rettung mit den anwesenden Schiffen zu koordinieren, zu denen auch ein französisches Kriegsschiff gehört, haben die Libyer versucht, möglichst viele Menschen zurück nach Libyen zu verschleppen und dabei Tote in Kauf genommen“, so „Diese Toten gehen auf das Konto der sogenannten Libyschen Küstenwache.“

Lage der vergangenen Tage besonders dramatisch

In diesem Jahr sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) bereits 2.925 Migranten bei der Flucht über das Mittelmeer gestorben. Zuletzt sei die Lage besonders dramatisch gewesen, berichtete die Organisation am Dienstag in Genf. In nur vier Tagen seien fast 2.600 vor dem Ertrinken gerettet worden. 34 Menschen konnten nur noch tot geborgen werden, 50 gelten als vermisst. Es sei eine der „härtesten Woche für die Rettungskräfte“ gewesen, so IOM-Sprecher Flavio Di Giacomo. Im Vorjahr starben bis Anfang November fast 3.200 Männer, Frauen und Kinder.

Bis Anfang November nahmen laut IOM über 154.000 Migranten die gefährliche Überfahrt auf sich. Der Großteil der Flüchtlinge kommt weiterhin in Italien an, ein Viertel verteilt sich auf Griechenland, Zypern und Spanien. Die meisten Männer, Frauen und Kinder stammen aus Westafrika. 80 Prozent aller Frauen und Mädchen aus Nigeria sind nach einer jüngsten Studie der IOM Opfer von Menschenhandel und sexueller Ausbeutung. Flüchtlinge aus Bangladesch, Eritrea, Ägypten, dem Sudan, Marokko, Syrien und Libyen wurden ebenfalls in der Statistik erfasst.

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Corriere della Sera | 07.11.2017

La denuncia di Sea Watch: «I libici lasciano annegare i migranti»

Gennaro Giudetti mediatore culturale della ong tedesca che si è scontrata con la Guardia costiera di Tripoli spiega la dinamica dei soccorsi

di Marta Serafini

«Abbiamo toccato il fondo dell’umanità. Invito tutti i ministri a venire qui in mare e guardare con i loro occhi che cosa sta succedendo». E’ ancora sconvolto per quello che ha visto Gennaro Giudetti, 27 anni, mediatore culturale e volontario di Sea Watch, ong tedesca che in queste ore si è scontrata con la guardia costiera libica e che ora sta riportando a Pozzallo 58 migranti tratti in salvo e il corpo di un bambino annegato di fronte alla Libia.

Che cosa è successo?

«Eravamo a 30 miglia marine dalla costa libica, quando da Mrcc, il centro della Guardia costiera italiana che coordina i soccorsi, abbiamo ricevuto la chiamata per soccorrere un gommone, nelle vicinanze c’era guardia costiera libica e guardia francese, ci siamo coordinati con quest’ultimi. Nell’andare verso il gommone abbiamo visto che la guardia costiera libica si stava avvicinando ai migranti. Essendo loro più veloci sono arrivati prima, quando siamo arrivati al gommone, siamo scesi in acqua con due rheeb. C’erano persone in acqua, alcuni morti, il gommone era già distrutto ed era stato attaccato alla nave della guardia costiera libica».

Cosa faceva la Guardia costiera libica?

« La situazione era fuori controllo, non abbiamo recuperato i cadaveri perché non c’era tempo. Nell’andare verso i naufraghi, abbiamo tirato su il corpo di un bambino e non mi sono sentito di lasciarlo in acqua, perché avevo la mamma di fianco che piangeva straziata, è stato come toccare il fondo dell’umanità. Abbiamo recuperato 58 persone dall’acqua. I libici non riuscivano a tirare su tutti ma non sembravano neanche più di tanto interessati a farlo, noi ci siamo avvicinati a quelli più lontani. Ma loro hanno iniziato a minacciarci. Noi abbiamo continuato a tirarli su mentre loro per tutta risposta hanno iniziato a tirarci le patate adosso».

La Guardia costiera libica dice che avete interferito con i soccorsi…

«Non è vero, tanto che i migranti a bordo della loro nave ci chiedevano di liberarli perché sanno perfettamente cosa li attende se li riportano indietro. I miliziani libici li picchiavano con delle corde e con delle mazze che avevano a bordo. Un uomo ma dalla nave libica ha visto la moglie sul gommone. E mentre lo stavano picchiando si è lanciato in mare pur non sapendo nuotare, si è attaccato ad una corda, ma la nave della Guardia costiera libica ha accelerato e di lui si sono perse le tracce».

Vi è stato negato l’ingresso in porto a Lampedusa e vi state dirigendo a Pozzallo, dove sbarcherete in serata. I soccorsi sono diventati più complessi da quest’estate?

«Assolutamente. E dovremmo sentirci tutti in colpa, quel bambino non si meritava di morire solo perché è nato dalla parte sbagliata del muro. Invito tutti i ministri a venire qui, per loro sono numeri, ma quei bambini e quelle mamme hanno degli occhi e un volto».

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taz | 06.11.2017

Unglück im Mittelmeer vor Libyen: Sea Watch erhebt Vorwurf

Ein sinkendes Schlauchboot setzt vor der libyschen Küste einen Notruf ab. Die libysche Küstenwache rückt aus – und fünf Flüchtlinge sterben.

Christian Jakob

Im Mittelmeer nördlich der libyschen Hauptstadt Tripolis sollen am Montag mindestens fünf Menschen bei einem Schiffsunglück gestorben sein. Die deutsche Seenotrettungs-NGO Sea Watch macht dafür die libysche Küstenwache verantwortlich.

Nach Angaben der Organisation ereignete sich das Unglück am Montagvormittag. Die italienische Rettungsleitstelle MRCC in Rom habe den Notruf eines sinkenden Schlauchbootes empfangen. Sowohl das zu jener Zeit einige Meilen südöstlich kreuzende Rettungsschiff Sea Watch III als auch ein Patrouillenboot der libyschen Küstenwache erreichten den Unglücksort gegen 9 Uhr. Die Crew habe begonnen, Schiffbrüchige an Bord zu nehmen.

Auch die Küstenwache habe sich dem Schlauchboot genähert und Menschen an Bord genommen, diese jedoch „geschlagen und bedroht“, sagt Sea Watch-Sprecher Ruben Neugebauer. Dadurch sei Panik ausgebrochen, Passagiere seien ins Wasser gefallen. Zwar habe die Besatzung des libyschen Schiffes zunächst Menschen aus dem Wasser gezogen. Dann sei es jedoch „mit großer Geschwindigkeit losgefahren, obwohl sich noch Menschen von außen am Boot festklammerten und so mitgeschleift wurden“, erklärt Sea Watch. Ein Hubschrauber der italienischen Marine habe eingegriffen und das libysche Schiff gestoppt.

Mindestens fünf Menschen seien bei der Havarie des Schlauchbootes ums Leben gekommen, darunter ein Kind. Ein weiteres Kleinkind werde vermisst. Ingesamt befanden sich offenbar rund 100 Menschen an Bord des Schlauchboots.

Die libysche Küstenwache schweigt

Nach Zählung der Sea Watch nahm die libysche Küstenwache etwa 45 Menschen mit. 58 nahm die Sea Watch an Bord. Drei der Leichen übernahm ein französisches Kriegsschiff, das tote Baby blieb zunächst an Bord der Sea Watch. Über die Staatsangehörigkeit der Schiffbrüchigen konnte Sea Watch keine Angaben machen.

Eine Stellungnahme von offizieller libyscher Seite gab es zunächst nicht. Die öffentlich einsehbaren Positionsdaten der Sea Watch III zeigen, dass das Schiff zur fraglichen Zeit, wie von der Organisation angegeben, etwa 30 Meilen nördlich von Tripolis kreuzte, also in internationalen Gewässern.

Auf einem von Sea Watch veröffentlichten Video ist ein großer Militärhubschrauber zu sehen, der bis auf wenige Meter über dem Wasserspiegel absinkt und ein Patrouillenboot umkreist – offenbar um es aufzuhalten. Bilder zeigen, dass es sich bei dem libyschen Patrouillenboot um eines jener Schiffe handelt, die Italien Libyen kürzlich zur Verfügung gestellt hat.

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Sea Watch | 07.11.2017

Sea-Watch Statement zum gestrigen Vorfall

Am 6. November ereignete sich eine Tragödie in internationalen Gewässern ca. 30 Seemeilen nördlich von Tripolis, Libyen. Ein Schlauchboot sendete einen Notruf, woraufhin mehrere Schiffe in Zusammenarbeit mit dem verantwortlichen Maritime Rescue Coordination Center in Rom reagierten. Die Situation war ernst: Menschen waren bereits im Wasser, als die Sea-Watch 3 am Ort des Geschehens eintraf. Ein italienischer Marinehubschrauber, ein französisches Kriegsschiff und die Sea-Watch 3 stimmten sich über den Seefunkkanal 16 effektiv miteinander ab. Standardmäßig übernimmt in solchen Situationen das Schiff mit der besten Rettungsausrüstung den “on-scene command”. Das französische Kriegsschiff und die Italiener erkannten die führende Position von Sea-Watch 3 an und versuchten, die notwendigen Schritte zu koordinieren und den Rettungsprozess gemeinsam und in Ruhe durchzuführen.

Das Patrouillenboot der libyschen Küstenwache war jedoch nicht gewillt, auf Funksprüche zu reagieren, die von Sea-Watch 3 und den anwesenden militärischen Einheiten gesendet wurden, um die Rettung zu koordinieren. Stattdessen näherte sich das libysche Patrouillenboot mit hoher Geschwindigkeit – ein für die Rettung von Menschen aus dem Wasser nicht geeignetes Schiff, schon aufgrund seiner Form und Ausstattung. Die libysche Küstenwache nahm in der Tat Menschen an Bord, aber die meisten kletterten in Todesangst selbst auf das libysche Küstenwachenboot, ohne dass die Coast Guards halfen. Die Libyer traten aggressiv und unkoordiniert auf und verursachten mehr Stress und Chaos, als Unterstützung zu leisten. Als die Mitglieder der libyschen Küstenwache anfingen, die Menschen an Bord zu schlagen und sie zu bedrohen, versuchten einige von ihnen, zurück ins Wasser zu springen. Anstatt die Situation zu beruhigen, warfen die Coast Guards sogar Kartoffeln und Rettungsringe nach den Rettungsbooten der Sea-Watch, die ins Wasser gelassen wurden, um den Menschen zu helfen. In einem solch ernsten Moment ist es von höchster Wichtigkeit, weiteren Stress und Panik zu vermeiden, die libysche Küstenwache sorgte für das Gegenteil. Sie zielten nur darauf ab, so viele Menschen wie möglich zurück nach Libyen zu bringen.

Mit dieser Absicht startete der Kapitän das Boot der libyschen Küstenwache mit voller Geschwindigkeit, obwohl sich noch eine Person auf der Steuerbordseite festklammerte und durchs Wasser gezogen wurde. Diese lebensbedrohliche Situation wurde von Sea-Watch auf dem Seefunknotrufkanal 16 mehrfach gemeldet, seitens der Libyer: Keine Reaktion. Am Ende musste der italienische Hubschrauber eingreifen, um einen weiteren Tod zu verhindern. Wir erkennen die Rolle der libyschen Küstenwache bei Rettung von Menschenleben im Einsatzgebiet an. Aber ihr fahrlässiges Verhalten, um mögichst viele Migranten zurück nach Libyen zu verschleppen, hat zum wiederholten Male mehr geschadet als genutzt. Des Weiteren verletzen ihre Aktionen, die von der Europäischen Union finanziell unterstützt werden, das Völkerrecht. Wir fordern die libysche Küstenwache eindringlich dazu auf, das internationale Recht zu respektieren und das Anstiften von Chaos und Verwirrung in den Rettungsoperationen zu unterlassen.

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La Repubblica | 07.11.2017

Migranti, soccorso „conteso“ con la Libia. La Sea Watch: „Almeno 30 dispersi“

La nave della Ong tedesca con a bordo il corpo di un bimbo respinta da Lampedusa: dovrà attraccare a Pozzallo. Un volontario italiano denuncia: „La marina libica picchia chi cerca di sbarcare e causa incidenti mortali“. Il dramma delle famiglie divise

di ALESSANDRA ZINITI

PALERMO – Ci sarebbero almeno venti, trenta dispersi nell’ultimo naufragio nel Mediterraneo che ha rialzato la tensione tra Ong e Marina libica dopo il soccorso „conteso“ che ha fatto cinque vittime accertate tra cui un bambino piccolo.

Lo testimoniano i soccorritori a bordo della Sea Watch che ora, con il corpicino del bimbo a bordo, sta facendo rotta verso un porto della Sicilia ma con un’emergenza a bordo. „Eravamo quasi arrivati a Lampedusa, ma ci hanno impedito l’approdo, ci hanno detto che dal Viminale negavano il permesso e noi ormai da più di 24 ore abbiamo il corpo di quel povero bimbo a bordo ma non abbiamo una cella frigorifera – dice Gennaro Giudetti, attivista italiano a bordo della nave della Ong tedesca – e le sue condizioni sono al limite. Ora stiamo dirigendo verso Pozzallo, dove arriverà domani mattina“.

Sotto gli occhi dei volontari ieri si sono consumate diverse tragedie: quella del piccolo annegato sotto gli occhi della madre, che non è riuscita a salvarlo ma anche quella dell’uomo che, salvato dai libici, dopo aver visto la moglie a bordo del gommone della Sea Watch che l’aveva soccorsa, si è buttato dal ponte della motovedetta pur non sapendo nuotare ed è stato trascinato via dall’imbarcazione della Guardia costiera che è partita a tutta velocità travolgendolo.

„È stato terribile – racconta
Giudetti – abbiamo visto l’uomo gridare verso la moglie e poi buttarsi in acqua, si è aggrappato alla cima che i libici usavano per far salire a bordo i naufraghi, ma a quel punto la motovedetta ha fatto un balzo in avanti trascinandolo via e non siamo riusciti a salvarlo. I libici sono stati violenti e incauti, picchiavano i migranti con funi e mazze e – per incredibile che possa sembrare – ci tiravano patate contro per renderci più difficili i soccorsi“.

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