04. Februar 2017 · Kommentare deaktiviert für EU verlässt sich in Flüchtlingskrise auf Libyen · Kategorien: Europa, Libyen, Malta, Mittelmeer · Tags:

Wie realistisch ist der 10-Punkte-Plan von Malta?

Die Welt | 03.02.2017

von Andre Tauber

Nach dem Flüchtlingsabkommen mit der Türkei setzt Brüssel jetzt auf die Zusammenarbeit mit Libyen. Es soll entschieden gegen Schleuser und Schmuggler vorgegangen und der Grenzschutz gestärkt werden.

Im Mittelmeer spielt sich ein Drama ab, in dem alljährlich Tausende Menschen ihr Leben verlieren. Nun verständigten sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union auf einen Plan, der eine Fortsetzung verhindern soll. Man sei „fest entschlossen, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, um die Migrationsströme entlang der zentralen Mittelmeerroute deutlich zu verringern“, heißt es in einer Erklärung des EU-Gipfels in Malta.

Nach dem EU-Türkei-Abkommen „wenden wir uns jetzt der zentralen Mittelmeerroute zu“, erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel in Valletta. Die Stabilisierung Libyens sei eine wichtige Aufgabe auch für die EU, allerdings befinde sich das nordafrikanische Land „in einer schwierigen Situation“.

Von dort stachen die meisten der 181.000 Flüchtlinge in See, die im vergangenen Jahr über die zentrale Mittelmeerroute nach Europa kamen. Es ist eine schwierige und umstrittene Mission. Das Land befindet sich seit dem Sturz des Diktators Muammar al-Gaddafi im Chaos. Menschenrechtsorganisationen beklagen, dass sich die EU nur abschotten wolle. Die „Welt“ stellt die zentralen Punkte des europäischen Zehn-Punkte-Plans vor.

1. Mehr Unterstützung für die libysche Küstenwache

Die laufenden EU-Ausbildungsprogramme für den libyschen Küstenschutz sollen verstärkt und die Grenzschützer besser ausgerüstet werden. Das Ziel: Flüchtlinge sollen erst gar nicht in See stechen und von Libyen aufgegriffene Flüchtlinge besser betreut werden. Es ist unklar, ob die bislang ausgebildeten Rekruten eine Küstenwache formieren werden, die im europäischen Interesse handelt. Gut möglich ist, dass Teile der Truppe sich wie bisher am Schmuggelgeschäft beteiligen werden.

2. Schleuserbanden zerstören

Der Erfolg der Europäer beim Versuch, das Geschäftsmodell der teilweise schwer bewaffneten Menschenschmuggler zu zerstören, ist überschaubar. Die Operation „Sophia“, die im Juni 2015 startete, zerstörte 372 Boote und wirkte bei der Festnahme von 101 mutmaßlichen Schmugglern fest. Nun sollen die Anstrengungen ausgeweitet werden. So sollen alle relevanten Mittelmeerstaaten an ein System angebunden werden, in dem sie sich etwa über gesichtete Boote informieren können. Auch die Sicherheitsdienste sollen sich enger austauschen.

3. Unterstützung libyscher Gemeinschaften

Für viele Einheimische sind die vielen Menschen, die in ihrem Land stranden, eine Herausforderung. Die EU will die wirtschaftliche und soziale Lage der lokalen Gemeinschaften in Libyen entlang der Flüchtlingsroute und an den Küstenstreifen verbessern. Schutzbedürftige sollen in Jobs gebracht werden. Das umzusetzen dürfte schwierig sein, da in Libyen klare Ansprechpartner fehlen. Die Einheitsregierung des Landes kontrolliert nur einen Bruchteil der mehr als 1600 Kilometer langen Küste.

4. Aufbau von sicheren und angemessenen Aufnahmeeinrichtungen in Libyen

Die Unterbringung von Flüchtlingen in Libyen ist nach einheiliger Einschätzung von Behörden und Organisationen derzeit skandalös. Die EU möchte mit dem UN-Flüchtlingswerk UNHCR sowie der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zusammenarbeiten, um „angemessene Aufnahmekapazitäten und -bedingungen für Migranten in Libyen zu gewährleisten“. Den Internationalen Organisationen soll dafür auch besserer Zugang zu den Flüchtlingen gewährt werden.

5. Förderung von Projekten zur freiwilligen Rückkehr in die Heimatländer

Geplant ist eine „erhebliche Verstärkung der Maßnahmen“ für eine freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen aus Libyen in ihre Herkunftsländer. Die Internationale Organisation für Migration soll bei dieser Aufgabe unterstützt werden. Bislang tun sich viele afrikanische Staaten schwer, ihre Rückkehrer wieder aufzunehmen.

6. Aufklärungsarbeit intensivieren

Schon jetzt laufen Informationskampagnen in Libyen sowie entlang der Flüchtlingsroute, in dem die EU vor einer illegalen Überfahrt nach Europa warnt. Diese Maßnahmen sollen intensiviert werden. Das Ziel ist, das „Geschäftsmodell der Schleuser“ zu zerschlagen.

7. Bessere Kontrolle der Grenzen zwischen Libyen und seinen Nachbarländern

Die Landgrenze von Libyen zu den Nachbarstaaten ist kaum zu überwachen. Nun sollen mit den libyschen Behörden sowie den Nachbarstaaten Projekte aufgelegt werden, um das Grenzmanagement zu verbessern. Auch hier ist fraglich, wie das gelingen soll – ohne klare Strukturen und Ansprechpartner vor Ort.

8. Überwachung von Alternativrouten

Es gibt viele Routen über das Mittelmeer. Und es besteht die Gefahr, dass die Schlepper auf sie ausweichen werden, wenn die Lage in Libyen schwierig für sie wird. Nun sollen die Dienste der EU und der EU-Staaten mit den libyschen Nachbarn kooperieren, um eine mögliche Verlagerung frühzeitig zu erkennen. „Alle erforderlichen Überwachungsinstrumente“ sollten bereitgestellt werden.

9. Unterstützung von bilateralen Initiativen

Es geht konkret darum, die Bemühungen Italiens zu unterstützen. Das EU-Land pflegt historisch enge Kontakte zu Libyen. Am Donnerstag hatte Italiens Regierungschef Paolo Gentiloni mit dem Vorsitzenden des libyschen Präsidialrates al-Sarradsch eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Die soll von allen EU-Staaten mitgetragen werden.

10. Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten Libyens

Es ist ein umstrittener Punkt. Es geht darum, mit allen libyschen Nachbarländern zu besprechen, wie Menschen an der Ausreise gehindert werden können und wie Rückkehr und Rückführungen von Menschen geregelt werden können, die keinen Schutzstatus genießen.

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