12. Januar 2017 · Kommentare deaktiviert für „Frontex und McKinsey: Mehr Druck bei den Abschiebungen“ · Kategorien: Deutschland, Europa · Tags: ,

Quelle: Telepolis | 12.01.2017

Die europäische Grenzschutz-Agentur hat jetzt eine Interventions-Einheit für Abschiebungen in der EU. In Deutschland rät die Unternehmensberatung dazu, möglichst schnell abzuschieben

Thomas Pany

Abschiebungen forcieren, lautet das Signal nach Innen und nach Außen, in der EU wie in Deutschland. Schnelle Abschiebungen sollen „Anreize für illegale Einwanderung“ in Europa vermindern, sagt der EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos.

Selbstverständlich richtet sich die Botschaft auch an die, die der EU skeptisch, kritisch oder ablehnend gegenüberstehen. Flüchtlingspolitik ist ein Wahlkampfthema in den Niederlanden, in Frankreich und in Deutschland, wo dieses Jahr neue Regierungen gewählt werden.

Avramopoulos kommentierte eine Neuigkeit der Grenzschutzagentur Frontex. Dort hat eine neue Einheit die Arbeit aufgenommen, sie soll Abschiebungen unterstützen. Die Begriffe kann man sich auf der Zunge zergehen lassen. In der Frontex-Pressemitteilung ist von einem return pool die Rede, „a new pool of return experts“ (ein neuer Berufswunsch: „return officer“?). Beim österreichischen Portal presse.com heißt der Pool trocken Interventions-Einheit.

In Notsituationen auf eigene Initiative aktiv

690 Return-Aufseher, -Begleiter und -Spezialisten sollen laut Plan die Abschiebungen aus der EU in Schwung bringen. Bisher gibt es aus den Mitgliedstaaten Zusagen für 400 Posten. Die Frontex-Einheit sollen in EU-Mitgliedsstaaten entsandt werden, um Abschiebungen zu organisieren und koordinieren.

Die Interventions-Einheit soll auf Anfrage „dringend benötigte technische und operationelle Unterstützung“ bei der Abschiebung leisten. Möglich ist aber auch, dass sie auf eigene Initiative aktiv wird. „In Notsituationen“, zitiert presse.com aus Kommissionskreisen, könne Frontex auch aus eigener Initiative Abschiebeexperten entsenden.

Aus der jüngst bei einer CSU-Klausur gemachten Äußerung des Frontex-Chefs Fabrice Leggeri, wonach in der EU „43 Prozent der Menschen ohne Bleiberecht nicht zurückgeführt“ würden, ergibt sich der Auftrag der Frontex-Abschiebungsspezialisten: „schneller, effektiver“. Als besonders wichtige Einsatzländer gab Leggeri bei der Vorstellung der neuen Einheit Italien und Griechenland an.

Druck auf Griechenland: Asylsuchende sollen zurückgeschoben werden

Der Druck auf Griechenland wird auch aus Deutschland erhöht. Wie die FAZ am heutigen Donnerstag, 12. Januar, in ihrer Printausgabe meldet, könnten Asylsuchende bald wieder nach Griechenland zurückgeschoben werden. Als Datum wird der 15. März ins Spiel gebracht. Danach sollen die Überstellungen wieder aufgenommen werden.

Das geht aus einem Schreiben hervor, das Innenminister de Maizière an das Bamf geschickt hat, so die Zeitung. Hinzufügt wird, dass die Bundesregierung damit einer Empfehlung der EU-Kommission folgt. Sie drängt schon seit Wochen auf Abschiebungen nach Griechenland (siehe Will die EU Flüchtlinge aus ganz Europa nach Griechenland senden?).

Nicht unvorstellbar ist, dass Berlin, das in Brüssel einiges mitzureden hat, an diesem Druck nicht unbeteiligt ist. Die Überstellungen, die sich aus dem Dublin-System ergeben, waren 2011 ausgesetzt worden – wegen der Bedingungen in Griechenland. Angesichts der gegenwärtigen Situation in dem Land (Eisige Zeiten für Flüchtlinge und Griechen fragt man sich allerdings, wie Griechenland nun zurechtkommen soll. Ob die Abschiebe-Spezialisten der neuen Frontex-Interventionseinheit viel helfen können?

Deutschland: McKinsey optimiert Abschiebepolitik

In Deutschland hat die Regierung, wie bereits berichtet, die Unternehmensberatung McKinsey für 1,8 Millionen Euro damit beauftragt, Empfehlungen für eine effektivere Abschiebung auszuarbeiten. Anfang Dezember wurden über die Welt am Sonntag ein paar Eckpunkte bekannt (siehe McKinsey für Einrichtung von Abschiebungshaft- und Gewahrsamsanstalten). Jetzt legt die Welt nach und präsentiertErgebnisse aus dem Abschlussbericht zu einer „optimierten Abschiebepolitik“.

Große Überraschungen finden sich in dem Zeitungsbericht darüber nicht. Man wird vielleicht „wissender“ aufhorchen, wenn de Maizière wieder einmal den Zusammenhang zwischen Abschiebung und freiwilliger Rückkehr betont, wie er das Mitte Dezember bei dem mit großer öffentlicher Aufmerksamkeit bedachten Abschiebeflug nach Kabul so deutlich tat. Die Welt gibt den Kern des „integrativen Ansatzes“, den McKinsey ausgearbeitet hat, wie folgt wieder und es ist beinahe schon ein de Maizière-Zitat:

Die freiwillige Rückkehr ist nur dann attraktiv, wenn anderenfalls eine konsequente Rückführung droht. Diese wiederum kann nur erfolgen, wenn keine Duldung beziehungsweise kein Abschiebungshindernis besteht. Gleichzeitig muss die freiwillige Rückkehr so gefördert werden, dass sie als bessere Alternative gegenüber einem ‚geduldeten‘ Aufenthalt in Deutschland wahrgenommen wird.

Die Welt

Wie groß der Einfluss der McKinsey Analyse und die daraus folgenden Empfehlungen auf die Abschiebe-Politik der Regierung konkret ist, lässt sich freilich von außen nicht bestimmen. Man kann davon ausgehen, dass der gerade genannte Ansatz noch in einigen Formulierungen von Regierungsmitgliedern auftauchen wird, auch um die freiwillige Rückkehr in den Vordergrund zu stellen, aber das ist nur eine Nebensächlichkeit.

„Je schneller, desto besser“

Man kann sich aber gewiss darüber sein, dass die Kern-Erkenntnis des Berichts auch im Zentrum der Abschiebepolitik stehen wird. Sie lautet in einer groben Kurzformel: „Je schneller, desto besser.“ In einer längeren Form und mit Statistik untermauert heißt sie so:

Laut der Studie reisen in den ersten sechs Monaten nach Beginn der Ausreisepflicht zweimal so viele Personen aus wie in den folgenden zwei Jahren.

Die Welt

Das Abschiebeverfahren muss beschleunigt werden, damit nicht so viele bleiben. Denn, so rechnete McKinsey aus, nach zweieinhalb Jahren seien nur etwa 40 Prozent der Ausreisepflichtigen ausgereist und wer nicht frühzeitig weg ist, bleibt oft sehr lange. Von den 60 Prozent der abgelehnten Asylbewerber, die sich trotz nach zweieinhalb Jahren noch in Deutschland aufhalten, waren dann nur „noch 35 Prozent ausreisepflichtig, die übrigen rund 25 Prozent hätten ’nachträglich einen Aufenthaltstitel erhalten'“.

Die Unternehmensberatung hat dafür die Empfehlung: Das Asylverfahren möglichst kurz halten, den Druck erhöhen, vorgetäuschte Abschiebungshindernisse ausfindig machen, finanzielle Absicherung im Duldungsstatus vermeiden, mehr Mitarbeiter bei der Bearbeitung der Anträge, damit nicht Duldungen nicht aus oberflächlichen Einschätzungen heraus verlängert würden, mehr Sanktionen bei Verstößen gegen die Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Passersatzpapieren.

Es muss schneller gehen, so der Manager-Rat von McKinsey, dieAnzahl der Rückkehrer lässt sich deutlich erhöhen, eine starke Steigerung der Rückführungen ausreisepflichtiger Ausländer sei erforderlich.

Kommentare geschlossen.