Quelle: der Standard
Adelheid Wölfl aus Zagreb
Mitteleuropa wurde zu Verschiebebahnhof für Flüchtlinge – Serbien kritisiert Grenzschließungen
Mohammed will jetzt, da er in Europa ist, nicht mehr Mohammed heißen. „Ich habe mich auf Facebook bereits umbenannt und heiße jetzt Noah“, sagt der 16-Jährige aus Aleppo (Syrien). Er steht vor der Messehalle in Zagreb, wo Flüchtlinge übernachten können und ist gerade unterwegs Richtung Harmica an der slowenischen Grenze, ganz in der Nähe der schmucken Barockstadt Samobor, wo angeblich die besten Cremeschnitten der Welt herkommen. „Wir waren gestern schon dort“, erzählt Mohammed alias Noah, „aber die slowenische Polizei hat uns zurückgeschickt und gesagt, wir müssten in Kroatien um Asyl ansuchen.“
Der freundliche Bursch ist einer jener Syrer, die die vergangenen Jahre – in seinem Fall waren es zwei – in der Türkei verbrachten. Vor acht Tagen ist er aus Istanbul aufgebrochen. „Mein Bruder in Dortmund hat zu mir gesagt: „Komm schnell, bevor Deutschland die Grenzen schließt.“ Mohammed will nach Deutschland, obwohl er die Dublin-Regeln kennt. Diesen zufolge müsste er eigentlich im EU-Staat Kroatien um Asyl ansuchen.
Nachdem Deutschland Ende August ohne EU-Abstimmung die Dublin-Regeln für Syrer ausgesetzt hat, beruft sich nun die kroatische Regierung genau darauf und schickt die Flüchtlinge einfach weiter nach Ungarn oder Slowenien. Medien publizierten ein Video, das diese Haltung ganz gut illustriert. Es zeigt den kroatischen Innenminister Ranko Ostojic, wie er in einem Bus mit Flüchtlingen redet. „My name is Ranko“, sagt der Minister und klärt die Flüchtlinge auf, dass sie nur kurz hier bleiben würden und dann weiter nach „Europa“ transportiert würden. Der kroatische Innenminister tut also indirekt so, als würde der EU-Staat Kroatien nicht zu Europa gehören.
„Kapazitäten ausgeschöpft“
Mitteleuropa ist zu einer Art Verschiebebahnhof für Flüchtlinge geworden. Kroatien behauptet einfach, dass die „Kapazitäten ausgeschöpft“ seien, obwohl in der Messehalle in Zagreb kaum Flüchtlinge sind. Doch nicht nur die kroatische Regierung will, dass die Flüchtlinge möglichst schnell weiterziehen, auch die Flüchtlinge wollen nicht bleiben.
Slowenien sieht sich indes selbst „unter einem immensen Migrationsdruck“ , wie Innenministerin Vesna Györkös Znidar betonte. Bis Sonntag sind 2500 Flüchtlinge gekommen. Slowenien hält – anders als Ungarn und Kroatien – die Dublin-Regeln ein. Premier Miro Cerar betonte aber, dass er erwarte, dass auch die anderen EU-Staaten sich genauso verhalten würden.
Grenzübergänge gesperrt
Der serbische Premier Aleksandar Vucic warnte indes davor, dass das Schließen der Grenzen der serbischen Wirtschaft großen Schaden zufügen könne. Kroatien sperrte am Sonntag alle acht Grenzübergänge zu Serbien wegen der Flüchtlingskrise. Seit Tagen warten kilometerlang Lastwagen, die Richtung Norden unterwegs sind, an den Grenzen. Vor allem Äpfel werden aus Serbien in die EU exportiert. Sie könnten verderben, wenn sie zu lange nicht gekühlt werden.
Indessen kamen allein am Sonntag weitere 4000 Flüchtlinge aus Griechenland in den mazedonischen Grenzort nach Gejvgelija.