15. September 2015 · Kommentare deaktiviert für „Ungarns drakonisches Gesetz zeigt Wirkung“ · Kategorien: Europa, Ungarn

Quelle: nzz

Mit der Grenzschliessung und aufgrund einer Gesetzesverschärfung gelangen kaum noch Flüchtlinge nach Ungarn. Die Regierung plant zudem einen weiteren Zaun an der Grenze zu Rumänien.

von Meret Baumann, Wien

Die ungarische Regierung hat am Dienstag aufgrund der Flüchtlingskrise wie erwartet den Notstand für die beiden an Serbien grenzenden Regionen Bacs-Kiskun und Csongrad ausgerufen. Dies ermächtigt die Behörden im Rahmen der in der Nacht in Kraft getretenen verschärften Einwanderungsgesetzgebung zu besonderen Massnahmen, etwa dem Einsatz der Armee zur Grenzsicherung. Über diesen wird das Parlament erst nächste Woche entscheiden, die neuen Regeln haben aber bereits Wirkung gezeigt. Nachdem am Montag der Zaun an der Grenze zu Serbien auch an der Bahnlinie bei Röszke geschlossen worden ist, entlang der in den vergangenen Tagen jeweils Tausende von Migranten Ungarn erreicht hatten, ist der Grenzübertritt aus Serbien laut dem Regierungssprecher Zoltan Kovacs nur noch an zwei Stellen möglich, in der Nähe von Röszke und in Tompa.

130 Richter im Schichtbetrieb

Hatte die Polizei am Montag noch rund 9000 Einreisen verzeichnet, waren es am Dienstag nur noch einige hundert. Gruppenweise wurde Asylsuchenden der Grenzübertritt in zwei sogenannten Transitzonen erlaubt, wo sie für die Dauer des Verfahrens versorgt werden. Allerdings sind die Chancen auf Anerkennung eines Gesuchs verschwindend klein, da die Balkanländer in Ungarn seit einer Gesetzesänderung von Anfang August als sichere Drittstaaten gelten. Anträge von Personen, die in Serbien oder Mazedonien nicht um Asyl angesucht haben, werden deshalb automatisch und laut Behördenangaben innert Stunden abgelehnt. Dafür wurde das Gericht in der nahe der Grenze gelegenen Stadt Szeged personell verstärkt: 130 Richter arbeiten dort im Schichtbetrieb. Maximal darf das Verfahren acht Tage dauern, inklusive Berufung. Wer über keine Einreiseerlaubnis verfügt und kein Asylgesuch stellen will, wird an der Grenze abgewiesen.

Am Dienstag warteten an den beiden Grenzposten Dutzende von Personen, rund 1500 Asylsuchende protestierten aber auch beim Bahngeleise in Röszke und forderten, die Grenze sei wieder zu öffnen. Einige traten laut dem Nachrichtenportal index.hu in einen Hungerstreik. Nach Regierungsangaben hat die Polizei rund 60 Flüchtlinge verhaftet, welche die Grenze illegal zu überwinden versucht oder den Zaun beschädigt hatten. Ihnen drohen nach der Gesetzesverschärfung mehrjährige Haftstrafen.

Das Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR kritisierte das ungarische Vorgehen. Jeder Asylantrag sei eingehend zu prüfen, sagte eine Sprecherin der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Zudem müssten Staaten, in die Asylsuchende abgeschoben werden, ein faires Verfahren und adäquate Unterbringung garantieren, was in Serbien aus Sicht des UNHCR nicht der Fall sei. Auch der Europarat und die EU-Kommission wollen das Gesetz einer Prüfung unterziehen. Der EU-Migrations-Kommissar Avramopoulos wird zu diesem Zweck am Donnerstag nach Budapest reisen, wie eine Sprecherin der Kommission mitteilte. Derweil hiess es aus Belgrad, Serbien werde keine Migranten von Ungarn zurücknehmen. Der zuständige Minister Vulin erklärte am Montag, Serbien sei dann nicht mehr verantwortlich. Bei einem Besuch an der Grenze zu Ungarn beklagte er zudem mangelnde Informationen und verlangte, die Flüchtlinge einreisen zu lassen.

Neue Routen erwartet

Der Druck an der ungarisch-serbischen Grenze dürfte in den kommenden Tagen zunehmen, Experten gehen aber auch davon aus, dass die Flüchtlinge neue Routen nehmen könnten, etwa über Kroatien und Slowenien. Serbische und kroatische Medien berichteten am Dienstag, Helfer verteilten den Migranten in Griechenland und Mazedonien entsprechende Landkarten. Die ungarische Regierung stellt sich dagegen eher auf eine Verlagerung über Rumänien ein. Aussenminister Szijjarto erklärte am Dienstag, die Regierung habe Vorbereitungen für eine Verlängerung des Zauns entlang der Grenze zu Rumänien beschlossen. Das Aussenministerium in Bukarest sei bereits über die Pläne informiert worden. Dieses verurteilte das Vorhaben in einer Mitteilung als nicht vereinbar mit dem europäischen Geist.

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