14. September 2015 · Kommentare deaktiviert für „Ungarn schließt Grenze zu Serbien“ · Kategorien: Balkanroute, Deutschland, Österreich, Serbien, Ungarn

Quelle: Der Tagesspiegel

Von Kai Portmann, Claudia Cohnen-Beck, Reinhard Frauscher

Tausende neue Flüchtlinge kommen aus Ungarn an. Auch Österreich führt Grenzkontrollen ein. Ungarn hat nun die letzte Lücke im Zaun zu Serbien geschlossen. Die EU-Innenminister wollen beraten. Die Entwicklungen im Newsblog

Ungarn schließt Hauptgrenzübergang zu Serbien: Die ungarische Polizei hat am Montagnachmittag an der Grenze zu Serbien den Hauptübergang für Flüchtlinge geschlossen. Wie mehrere AFP-Reporter beobachteten, schlossen Beamte eine Lücke in dem zuvor errichteten Grenzzaun. Weitere Polizisten bewachten demnach die angrenzenden Gleise, über die in den vergangenen Tagen zahlreiche Flüchtlinge die Grenze übertreten hatten.

Kilometerlange Staus in Österreich: Durch die rigideren Kontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze kam es iauf österreichischer Seite zu kilometerlangen Rückstaus. Am längsten war der auf der Autobahn Richtung Passau/Regensburg, er reichte am Mittag 30 Kilometer zurück, Autofahrer Richtung Deutschland brauchten drei Stunden und mehr für die Strecke. Am wichtigsten Autobahnübergang von Ostösterreich nach Deutschland, am Walserberg bei Salzburg, betrug die Wartezeit sowohl auf der Strecke aus Wien wie auf der aus dem Süden jeweils ein bis eineinhalb Stunden.

Die CDU öffnet sich grundsätzlich für ein Einwanderungsgesetz. Der Parteivorstand mit Kanzlerin Angela Merkel verabschiedete nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur am Montag in Berlin ein Papier, wonach die bestehenden gesetzlichen Regelungen zur Einwanderung „widerspruchsfrei und besser miteinander verknüpft, in einem Gesetz zusammengeführt und im Ausland besser kommuniziert werden“ sollen.

Der Passus steht in einem Bericht, der von einer Kommission des stellvertretenden Parteivorsitzenden Armin Laschet erarbeitet wurde. Wie die Abschlussberichte der Kommissionen von Laschets Amtskollegen Julia Klöckner und Thomas Strobl soll das Papier als Leitantrag für den Karlsruher Bundesparteitag im Dezember eingebracht werden.

Es wurde nach Teilnehmerangaben einstimmig angenommen. Die SPD will in der großen Koalition noch in dieser Legislaturperiode ein Einwanderungsgesetz durchsetzen. In der CDU hatte Generalsekretär Peter Tauber im Januar einen entsprechenden Vorstoß gemacht. Merkel hält das aber für „nicht vordringlich“. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) hat bereits erklärt: „In dieser Legislaturperiode sehe ich ein Einwanderungsgesetz nicht.“

Wirtschaft befürwortet Grenzkontrollen: Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft stellen sich hinter die neuen Grenzkontrollen. Sie seien nötig, „um eine Überforderung selbst für ein gut organisiertes Land wie Deutschland zu verhindern und die Dringlichkeit einer europäischen Lösung deutlich zu machen“, heißt es in einer Erklärung von dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI), der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und dem Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH).

Pro Asyl kritisiert Grenzkontrollen: Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl wirft der Bundesregierung vor, die Flüchtlinge dafür zu missbrauchen, um Druck auf die EU-Innenminster ausüben zu können. „Die Flüchtlinge werden von Deutschland behandelt wie die Bauern auf dem Schachfeld der Mächtigen“, sagt Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl. Durch Grenzkontrollen würde nicht die Flucht verhindert, sondern nur das Leid der Flüchtlinge vergrößert, die sich nun andere Wege suchen müssten.

Ungarn registriert nicht mehr: Ungarn räumt offenbar das Flüchtlingslager in Röszke an der Grenze zu Serbien. Nach Angaben des UNHCR wird ganz offensichtlich damit begonnen, die von Serbien kommenden Flüchtlinge nicht mehr zu registrieren, sondern direkt in Zügen zur österreichischen Grenze zu bringen. „Nach unseren Informationen bringen Spezialzüge die Flüchtlinge vom Grenzort Röszke direkt und ohne Halt zur österreichischen Grenze“, sagte Erno Simon, der Repräsentant des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) für Zentraleuropa, der Nachrichtenagentur AFP.

Österreich wird an seiner Grenze zu Ungarn wieder Kontrollen einführen. Die Kontrollen würden „in einigen wenigen Stunden“ nach den derzeit laufenden Vorbereitungen direkt an der Grenze beginnen, sagte die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner am Montag in Brüssel.

Die Regierung in Wien reagiere damit auf tausende Flüchtlinge, die weiter aus Ungarn kämen, und die Wiedereinführung der Grenzkontrollen durch Deutschland an seiner Grenze zu Österreich.

Es bleibt bei 800.000: Das Bundesinnenministerium stellt sich nicht hinter Angaben von Vizekanzler Sigmar Gabriel, wonach Deutschland dieses Jahr womöglich eine Million Flüchtlinge aufnehmen wird. „Es ist ganz klar so, dass die Prognose, die Sie kennen, gilt: 800.000“, sagte ein Sprecher des Ministeriums. „Aber es liegt in der Natur einer Prognose, dass es eben nur eine Prognose ist.“

Aktivisten aus Leipzig wollen Flüchtlingen in Ungarn bei der Einreise nach Österreich helfen. Am Montagmorgen startete ein Konvoi aus 15 Fahrzeugen in Richtung der ungarischen Stadt Gyor, wie der Sprecher der Initiative „Convoy of Hope“, Jan Liebig, mitteilte.

Weitere Fahrzeuge wollten sich in Dresden, Prag und Wien anschließen. Die Flüchtlinge sollten zunächst in die österreichische Hauptstadt gebracht werden. „In Ungarn herrschen Zustände, die wir nicht hinnehmen können“, sagte Liebig und nannte die Fluchthilfe eine „humanitäre Pflicht“.

Die Behörden rief er dazu auf, die Aktion nicht zu behindern. Nach Angaben der Initiative hatten bereits am Sonntag ein Wiener Konvoi aus mehr als 170 Autos Geflüchtete über die Grenze gebracht.

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