26. Juli 2018 · Kommentare deaktiviert für Rassismus von oben · Kategorien: Deutschland · Tags:

German Foreign Policy | 25.07.2018

[Teil 1]

Die rassistischen Attacken gegen den deutschen Fußballspieler Mesut Özil knüpfen an eine jahrelange Öffnung von Teilen der deutschen Eliten für rassistische Politik an. Die Attacken werden weithin als schwerer Rückschlag für den Kampf gegen Rassismus beschrieben. Tatsächlich ist ein überaus folgenreicher Rückschlag schon 2010 erfolgt – durch die Publikation einer rassistisch gefärbten Schrift des damaligen Bundesbank-Vorstands Thilo Sarrazin (SPD), die in einem renommierten Verlag aus dem Hause Bertelsmann erschien und deren Thesen von Kommentatoren einflussreicher Zeitungen wohlwollend rezipiert wurden. Teile des Establishments haben mit der Gründung der AfD Kurs gegen eine weitere europäische Integration genommen; zur Gewinnung von Wählern banden sie auch rassistische Milieus ein. Teile der Wirtschaftseliten stützen diesen Kurs bis heute. Mittlerweile betreiben auch Politiker etablierter Parteien zunehmend Agitation gegen Migranten. „Wenn von oben herab Hetze betrieben wird“, urteilt eine Betroffene, „sinkt die Hemmschwelle für rassistisches Verhalten“.

„Überfremdet“

Rassistische Einstellungen sind in Deutschland seit je verbreitet, haben jedoch in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen – darunter insbesondere Einstellungen, die eine „Überfremdung“ der Bundesrepublik durch Muslime beklagen. Dies zeigen wissenschaftliche Analysen. Demnach stimmten etwa der Forderung „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden“ im Jahr 2009 21,4 Prozent der Teilnehmer einer repräsentativen Umfrage zu; 2016 waren es 41,4 Prozent. Im selben Zeitraum stieg die Zustimmung zu der Aussage „Durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land“ von 32,2 auf 50,0 Prozent.[1] Zugenommen haben in den vergangenen Jahren zudem offen rassistische Kampagnen, die sich etwa gegen Flüchtlingsheime richteten und ab Ende 2014 in den Pegida-Demonstrationen eskalierten. Gleichzeitig stieg die Zahl physischer Angriffe aus rassistischen Motiven an. Im Jahr 2017 wurden in Deutschland laut Auskunft der Bundesregierung mindestens 950 Angriffe auf Muslime und muslimische Einrichtungen verübt.[2] Eine Trendwende ist nicht in Sicht.

Einflussstrategien für Deutschland

Begünstigt, zum Teil auch ermöglicht worden ist das Erstarken des Rassismus dadurch, dass Teile der deutschen Eliten rassistische Ansichten offensiv in die öffentliche Debatte getragen haben. Erstmals in großem Stil ist das im Jahr 2010 mit der Publikation des Buches „Deutschland schafft sich ab“ des SPD-Politikers Thilo Sarrazin geschehen. Sarrazin, der kurz zuvor nach jahrzehntelanger Tätigkeit in den Finanzministerien des Bundes und des Bundeslandes Rheinland-Pfalz sowie als Finanzsenator von Berlin (2002 bis 2009) in den Vorstand der Deutschen Bundesbank eingetreten war, verstand seine Schrift – Untertitel: „Wie wir unser Land aufs Spiel setzen“ – als Warnung vor vermeintlichen sozialen Fehlentwicklungen, die den Reichtum und die starke Stellung der Bundesrepublik in der globalen Konkurrenz angeblich gefährdeten. Zum einen sprach er sich für ein „Europa der Vaterländer“ aus, also für die stärkere Betonung nationalstaatlicher Souveränität bei gleichzeitiger Bewahrung der EU und vor allem des für die deutsche Exportindustrie wichtigen Binnenmarkts. Zum anderen erklärte er, Deutschland benötige – als rohstoffarmes Land – eine Zunahme gebildeter Schichten, um sich mit einer innovativen Industrie und fähigen Bürokratien eine starke Stellung in der Welt zu sichern.[3]

„Muslime raus!“

In diesem Zusammenhang hat Sarrazin begonnen, rassistisch gegen muslimische Migranten zu hetzen. Nur „die Beweglichen, die Tüchtigen“ seien als Einwanderer erwünscht: „Gut ausgebildete Fachkräfte und Experten … kann Deutschland jederzeit gebrauchen“, heißt es in „Deutschland schafft sich ab“.[4] „Fachkräfte“ identifiziert Sarrazin dabei mit Indern, Chinesen und Menschen aus Osteuropa. Unerwünscht sei dagegen „muslimische Migration“. Hintergrund dafür ist, dass die Bundesrepublik in den 1960er und in den frühen 1970er Jahren Arbeiter aus der Türkei, Marokko und Tunesien anwarb, um schlecht bezahlte Tätigkeiten in der Industrie auszuführen; seitdem sind, bedingt durch die spezifische Anwerbepraxis der Bundesrepublik, muslimische Einwanderer in Deutschland überdurchschnittlich häufig in den Unterschichten anzutreffen – und die soziale Durchlässigkeit ist in der Bundesrepublik im internationalen Vergleich sehr gering. Ökonomisch seien Muslime heute überflüssig, erklärt Sarrazin: „Wirtschaftlich brauchen wir die muslimische Migration … nicht.“ Der damalige Bundesbank-Vorstand verband in seiner Schrift rassistische Äußerungen über muslimische Migranten mit fiktiven Planspielen, wie „Türken und Araber“ nicht zuletzt durch einen Mix aus der Kürzung von Sozialleistungen und repressiven Maßnahmen aus dem Land zu drängen seien.

Im Establishment verankert

Sarrazins rassistische Überlegungen, gespeist aus der Sorge um eine starke Stellung Deutschlands in der globalen Konkurrenz, sind damals in Teilen der deutschen Eliten auf Zustimmung gestoßen. „Deutschland schafft sich ab“ wurde von einem renommierten Verlag (DVA) aus dem Hause Bertelsmann publiziert, wurde in öffentlichen Lesungen in etablierten Buchhandlungen präsentiert und stand monatelang auf der Bestsellerliste der Zeitschrift Der Spiegel. Bis Anfang 2012 wurden rund 1,5 Millionen Exemplare der Schrift verkauft, die seither zu den meistverbreiteten Sachbüchern in der Geschichte der Bundesrepublik zählt.[5] Sarrazins Thesen wurden auch in den deutschen Leitmedien zuweilen positiv rezipiert, unter anderem von einem Teil der Redaktion der einflussreichen Frankfurter Allgemeinen.[6] Auch wenn derartiger Rassismus in den Eliten noch nicht mehrheitsfähig ist, werden Sarrazins Überlegungen doch nach wie vor von einem Teil des deutschen Establishments mit Interesse beobachtet. Erst vor wenigen Tagen veröffentlichte die Frankfurter Allgemeine einen Beitrag aus seiner Feder über die „Bevölkerungsexplosion in Afrika und Arabien“.[7] Wer gegen muslimische Migranten hetzt, kann sich seit 2010 auf einen prominenten Autor mit erfolgreicher Karriere in der deutschen Ministerialbürokratie und mit nicht abgerissenen Kontakten in Teile der deutschen Eliten berufen.

Integration: zu teuer

Seit 2010 haben sich darüber hinaus weitere Kreise des deutschen Establishments nach rechts geöffnet. Hintergrund ist zunächst die Eurokrise gewesen, die in Teilen von Wirtschaft und Politik die Überzeugung reifen ließ, die europäische Intergration sei – zumindest bei der Währung – an ihre Grenzen gestoßen; die Euro-Rettungspolitik komme Deutschland allzu teuer zu stehen. Seitdem suchten – und suchen – Ökonomen und Wirtschaftsvertreter, vor allem Angehörige des Mittelstands, nach Wegen, die Integration zu bremsen, zu stoppen oder teilweise zurückzuschrauben, etwa durch den Ausschluss einzelner Staaten aus dem Euro, durch die Schaffung eines „Nord-Euro“ oder durch die Rückkehr zur D-Mark. Die Bemühungen mündeten 2013 in die Gründung der Alternative für Deutschland (AfD), die maßgeblich von Personen wie dem Ökonomen Bernd Lucke oder dem ehemaligen Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) Hans-Olaf Henkel vorangetrieben wurde – unterstützt nicht zuletzt aus Organisationen des Mittelstands wie etwa dem Verband Die Familienunternehmer (german-foreign-policy.com berichtete [8]). Um eine genügend große Zahl von Wählerstimmen zu gewinnen, setzten die AfD-Gründer auf die Einbindung der extremen Rechten. Entsprechend hat die AfD von Anfang an auch durch rassistische Agitation von sich reden gemacht – zumindest gebilligt von Teilen der deutschen Eliten wie Lucke und Henkel.

Aus dem Ruder gelaufen

Letztlich ist der rechte, offen rassistische Flügel der AfD aus dem Ruder gelaufen und hat zentrale Gründer wie Lucke und Henkel verdrängt. Teile des deutschen Establishments stärken der Partei dennoch den Rücken – bis heute. german-foreign-policy.com berichtet am morgigen Donnerstag.

[1] Oliver Decker, Johannes Kiess, Elmar Brähler (Hg.): Die enthemmte Mitte. Autoritäre und rechtsextreme Einstellung in Deutschland. Gießen 2016.
[2] 2017 gab es mindestens 950 Angriffe auf Muslime und Moscheen. sueddeutsche.de 03.03.2018. S. auch Willkommen in Deutschland und Folgen des „Anti-Terror-Kriegs“.
[3], [4] Thilo Sarrazin: Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Land aufs Spiel setzen. München 2010.
[5] Regina Krieger: Wie Sarrazin Millionär wurde. handelsblatt.com 21.05.2012.
[6] S. dazu Herrschaftsreserve.
[7] Thilo Sarrazin: Afrikas Kinder und die Zukunft Europas. Frankfurter Allgemeine Zeitung 09.07.2018.
[8] S. dazu Brüche im Establishment und Brüche im Establishment (III).

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German Foreign Policy | 26.07.2018

[Teil 2]

Die Debatten um die Verschärfung der Flüchtlingsabwehr und um den deutschen Fußballspieler Mesut Özil verschaffen der Alternative für Deutschland (AfD) anhaltende Umfragerekorde. Die Partei, zu deren Markenkern rassistische Agitation gehört und die vom wachsenden Rassismus in der Bundesrepublik profitiert, kann sich laut einer aktuellen Umfrage bei 17,5 Prozent der Wählerstimmen behaupten. Sie wurde aus einem Teilspektrum der deutschen Eliten heraus gegründet, um die europäische Integration zu bremsen, weil diese von manchen in einigen Bereichen – so beim kriselnden Euro – als zu teuer eingeschätzt wird. Auch weiterhin wird sie von Teilen des deutschen Establishments, insbesondere von wirtschaftsnahen Organisationen, unterstützt. Zugleich nehmen rassistische Äußerungen von Politikern etablierter Parteien zu. Eine Integrationsexpertin von der Berliner Humboldt-Universität warnt vor einer „strategische[n] Entmoralisierung der Gesellschaften“ in Europa und urteilt: „Die gesellschaftlichen Entwicklungen weisen in eine präfaschistische Phase“.

Ökonomen, Unternehmer, Staatsbeamte

Die Alternative für Deutschland (AfD), gegründet auf maßgebliche Initiative deutscher Ökonomen wie Bernd Lucke und deutscher Wirtschaftsvertreter wie Ex-BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel und seit je für eine rassistisch geprägte Agitation auch führender Parteimitglieder berüchtigt, ist im Sommer 2015, zweieinhalb Jahre nach ihrem Start, maßgeblich von Kräften der äußersten Rechten übernommen worden, der Personen wie Lucke und Henkel ursprünglich nur eine Rolle für die Wählerbeschaffung zugedacht hatten. Dennoch hat die AfD ihre Verankerung in Teilen des deutschen Establishments nicht verloren: Bundesvorsitzende sind ein Wirtschaftsprofessor (Jörg Meuthen) und ein einstiger Leiter der Hessischen Staatskanzlei (Alexander Gauland); die Fraktion der AfD im Bundestag wird von diesem und einer ehemaligen Mitarbeiterin von Goldman Sachs sowie einer großen Kapitalverwaltungsgesellschaft (Alice Weidel) geführt. Die Wählerschaft weist ein eher höheres Einkommens- und ein leicht überdurchschnittliches Bildungsniveau auf [1]; die Partei verfügt weiterhin über gute Beziehungen in das Milieu kleinerer und mittlerer Unternehmer, aber auch in Organisationen des Mittelstands hinein (german-foreign-policy.com berichtete [2]). Das gesamte Spektrum lobt den Rassismus in der AfD oder nimmt ihn zumindest billigend in Kauf.

„Das Mistbeet der AfD“

Solide verankert ist die AfD – ungeachtet ihrer rassistisch geprägten Agitation – nach wie vor auch in wirtschaftsnahen Organisationen, etwa in der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft, einer eher kleinen, elitären Vereinigung, der um die 300 Ökonomen, Unternehmer und Politiker angehören. Als Mitglieder werden etwa der Ökonom Thomas Mayer von der Universität Witten/Herdecke, der als einer der einflussreichsten Wirtschaftswissenschaftler der Bundesrepublik eingestuft wird – er war im Laufe seiner Karriere unter anderem Chefvolkswirt der Deutschen Bank [3] -, die Unternehmer Erich Sixt und Theo Müller („Müller-Milch“) sowie der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler (FDP) genannt [4]. Zugleich gehören der Hayek-Gesellschaft mit Alice Weidel, Beatrix von Storch und Peter Boehringer drei AfD-Bundestagsabgeordnete an; Boehringer amtiert als Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Deutschen Bundestag. Im Sommer 2015 waren rund 50 Mitglieder aus der Hayek-Gesellschaft ausgetreten, denen der Rechtsschwenk der AfD enge Beziehungen zu der Partei als unangebracht erscheinen ließ, darunter Hans-Olaf Henkel (Ex-AfD) und FDP-Chef Christian Lindner. Die große Mehrheit – zumeist Angehörige der deutschen Eliten – blieb der Organisation allerdings treu. Insider beschreiben die elitäre Hayek-Gesellschaft als „Mistbeet der AfD“ [5]; in der Vereinigung besteht unter anderem starkes Interesse an den Thesen des rassistisch argumentierenden ehemaligen Bundesbank-Vorstands Thilo Sarrazin (SPD) [6].

Den Diskurs verschieben

Teile der Eliten drängen auch in weiteren Organisationen nach rechts. Exemplarisch zeigt dies ein Konflikt, der Mitte Juli die Ludwig-Erhard-Stiftung erschütterte. Die Stiftung, 1967 in Bonn von Ex-Bundeskanzler Ludwig Erhard initiiert, um die „Fortentwicklung und Stärkung der Sozialen Marktwirtschaft“ zu fördern, vergibt regelmäßig einen „Ludwig-Erhard-Preis“. Zum Skandal kam es, als der ursprünglich vorgesehene diesjährige Preisträger, der frühere CDU-Politiker Friedrich Merz, es ablehnte, die Ehrung entgegenzunehmen. Merz begründete dies mit einem Rechtskurs in der Stiftung. Anlass waren Aktivitäten des Stiftungsvorsitzenden Roland Tichy.[7] Tichy, in den 1980er Jahren eine Zeitlang Mitglied des Planungsstabs im Kanzleramt unter Helmut Kohl, später unter anderem Berater des Daimler-Vorstands, Leiter des Berliner Büros des Handelsblatts sowie von 2007 bis 2014 Chefredakteur der Zeitschrift Wirtschaftswoche, hat 2015 die Internetplattform „Tichys Einblick“ gegründet, deren Texte seit Herbst 2016 auch als Monatszeitschrift verbreitet werden. Die Publikation übt scharfe Kritik von rechts an Bundeskanzlerin Angela Merkel; sie orientiert in Richtung auf Positionen, wie sie die AfD vertritt, und ist mit Blick auf ihre teilweise prominenten Autoren, darunter ein ehemaliger Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, geeignet, den Elitendiskurs weiter nach rechts zu verschieben. Als Berliner Büroleiter wirkt der stellvertretende Vorsitzende der Erhard-Stiftung, der frühere Grünen-Politiker Oswald Metzger (heute: CDU). Merz‘ Weigerung, den Erhard-Preis aus Tichys Händen entgegenzunehmen, führte zum Rücktritt von vier Personen aus der Jury. Die Stiftung jedoch setzt ihre Arbeit, nun unleugbar in voller Kenntnis des Rechtskurses ihres einflussreichen Chefs, fort.

„Kulturelle Entfremdung im eigenen Land“

Mittlerweile treten zunehmend auch führende Politiker etablierter Parteien mit Äußerungen hervor, die weithin als rassistisch bezeichnet werden. So wurde zum Beispiel Günther Oettinger (CDU), damals noch designierter EU-Haushaltskommissar, Ende Oktober 2016 mit der Mutmaßung zitiert, künftig könnten „Schlitzaugen und Schlitzohren“ die global gültigen Regeln bestimmen; gemeint waren Chinesen. Oettinger sagte dies in einer Rede, die allgemein als „pro-europäisch“ eingestuft wurde, vor einem Hamburger Unternehmerverband.[8] Ungefähr zur selben Zeit äußerte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), wenn „ein afrikanischer Mann 100 Dollar“ verdiene, bringe er nur 30 Dollar nach Hause: „Und du weißt sicher, was er mit dem Rest macht. Nämlich Alkohol, Suff, Drogen, Frauen“.[9] Ein Jahr zuvor hatte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann den Sänger Roberto Blanco als „wunderbaren Neger“ bezeichnet.[10] Vergangene Woche ist nun auch scharfe Kritik an Rassismus in der FDP laut geworden. So lässt sich der FDP-Vorsitzende Christian Lindner mit der Äußerung zitieren, das politische „Erbe“ der deutschen Kanzlerin sei „kulturelle Entfremdung im eigenen Land“. Beim FDP-Parteitag im Mai sagte er, man müsse sich, „auch wenn jemand anders aussieht und nur gebrochen Deutsch spricht“, „sicher sein“ können, „dass es keinen Zweifel an seiner Rechtschaffenheit gibt“. Ein früheres FDP-Mitglied erinnert sich, Ex-Parteichef Philipp Rösler sei – wegen seiner vietnamesischen Herkunft – parteiintern regelmäßig „als ‚der Chinese‘ verunglimpft“ worden.[11]

Die Integration bremsen

Der Rassismus nimmt im deutschen Establishment in einer Zeit zu, in der zwar nicht die EU als Ganzes in Frage gestellt wird – ihre Funktion als Absatzmarkt für die deutsche Industrie gilt als unersetzlich -, zu der aber eine weitere Integration immer häufiger als zu teuer eingestuft und deshalb ihre Verlangsamung, womöglich sogar ihr Rückbau in einigen Bereichen – so etwa beim Euro – in Betracht gezogen wird. Dies geht mit einer stärkeren Betonung nationalstaatlicher Elemente, etwa der bundesdeutschen Außengrenzen, einher – nicht nur bei der AfD sowie bei ihr nahestehenden Vereinigungen, sondern zunehmend auch in den etablierten Parteien. Wachsender Rassismus begleitet dies.

„Eine präfaschistische Phase“

Zu einem düsteren Urteil kommt dabei die Migrationsforscherin Naika Foroutan von der Berliner Humboldt-Universität. Wie Foroutan berichtet, hat sie die Zeit seit der Debatte um die Thesen des SPD-Politikers Thilo Sarrazin im Jahr 2010 „als eine starke Entfremdung“ erlebt. Die aktuelle Debatte um den Fußballer Mesut Özil betrachteten viele Migranten „als Warnung: Dass einem die Zugehörigkeit“ zu Deutschland „jederzeit entzogen werden kann“, unabhängig davon, „welche Verdienste man hat und welche Leistungen man erbracht hat“. Sie habe „nicht den Eindruck, dass diese Entfremdung aufzuhalten ist“: „Deutschsein ist wieder sehr viel stärker mit Herkunft verbunden, mit nationalem Bekenntnis, mit Weißsein“; „Deutschland wird brutaler“.[12] Foroutan weist auf ähnliche Entwicklungen in Ungarn, Polen, der Slowakei, Österreich sowie Italien hin; in weiten Teilen Europas sei eine „strategische Entmoralisierung der Gesellschaften“ zu beobachten. Deutschland sei dabei offenbar keine Ausnahme: „Die gesellschaftlichen Entwicklungen weisen in eine präfaschistische Phase.“

[1] Tilman Steffen: Nicht nur die kleinen Leute. zeit.de 23.08.2017.
[2] S. dazu Europas Achsen.
[3] Prof. Dr. Thomas Mayer auf der FAZ-Liste der 30 wichtigsten Ökonomen. uni-wh.de 08.09.2016.
[4], [5] Katja Riedel, Sebastian Pittelkow: Die Hayek-Gesellschaft – „Mistbeet der AfD“? sueddeutsche.de 14.07.2017.
[6] S. dazu Rassismus von oben (I).
[7] Ärger für die Ludwig-Erhard-Stiftung. Frankfurter Allgemeine Zeitung 17.07.2018.
[8] Empörung über rassistische und homophobe Äußerungen Oettingers. sueddeutsche.de 29.10.2016.
[9] Carolina Schwarz: „Alkohol, Suff, Drogen, Frauen“. taz.de 14.11.2016.
[10] Blanco, der „wunderbare Neger“. taz.de 01.09.2015.
[11] Chris Pyak: Rassismus ohne Folgen. zeit.de 20.07.2018.
[12] Andrea Dernbach: „Es ist unser Land, verteidigen wir es gemeinsam“. tagesspiegel.de 22.07.2018.

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