10. Januar 2017 · Kommentare deaktiviert für „Kroatiens Hotel für bis zu 600 Flüchtlinge“ · Kategorien: Balkanroute, Kroatien

Quelle: derStandard | 09.01.2017

Im Hotel Porin bei Zagreb sind 550 Flüchtlinge untergebracht. Kroatien ist das letzte Land im Süden, in das Dublin-Fälle zurückgeschoben werden dürfen

Adelheid Wölfl

„Woher bist du? Ich bin aus St. Peter!“, ruft ein Bub. „Ich bin aus Innsbruck“, ruft ein anderer. Die Flüchtlingskinder haben die deutsche Sprache von den Besuchern gehört und sich sofort wieder erinnert. Manche von ihnen waren neun Monate lang in Österreich untergebracht, bevor sie aufgrund der Dublin-Regeln wieder nach Kroatien zurückgeschoben wurden. Sie sind im Hotel Porin am Rand der kroatischen Hauptstadt Zagreb untergebracht. Neben dem „Hotel“, das seit zwei, drei Jahren als Unterkunft für Asylwerber genutzt wird, liegt der Güterbahnhof. In Kroatien gibt es nach dem Ende der großen Flüchtlingskrise im März 2016 zwei Flüchtlingszentren, eines ist das Hotel Porin, das andere ist in Kutina, wo früher im Krieg (1991–1995) auch kroatische Flüchtlinge untergebracht waren.

Zurück nach Kroatien

Als Ungarn am 17. September 2015 die Grenze für Flüchtlinge, die über die Balkanroute kamen, schloss, wurde der Strom durch Kroatien umgelenkt. Bis zur Schließung der Balkanroute im März 2016 kamen Zehntausende über Kroatien und Slowenien nach Österreich und Deutschland. Kroatien ist das letzte EU-Land im Süden, in das zurückgeschickt werden darf. Denn nach Griechenland ist das aufgrund eines Urteils nicht möglich. Doch bisher wurden nur ein paar hundert Flüchtlinge in Wien ins Flugzeug gesetzt und nach Zagreb gebracht. Viel mehr dürften es auch nicht werden, denn die Fristen, wonach Rückschiebungen möglich sind, gehen zu Ende.

Tritt man ins Hotel Porin ein, fallen sofort die vielen Zettel in arabischer Schrift auf. Hier geht’s zum Doktor, am Donnerstag kommt der Psychologe, da drüben ist die Administration, dort hinten kann man Yoga-Kurse besuchen, unten ist der Musikraum. In der Eingangshalle stehen ein paar Jugendliche – Afghanen, die bereits gut Kroatisch sprechen. In einem Zimmer sitzen ein paar junge Erwachsene – die Kroatischlehrerin macht Späße. Die Asylwerber scheinen schon relativ gut die neue Sprache zu sprechen. Insbesondere die Pakistaner gelten als ehrgeizig, vielleicht weil sie wissen, dass sie die geringsten Chancen haben, in dem EU-Land Asyl zugesprochen zu bekommen.

Wille zur Integration

Die meisten Flüchtlinge, die hierher aus Österreich zurückgeschoben wurden, wollten lieber in Österreich bleiben. Auch die Managerin der Asylunterkunft, Anita Dakić, versteht, dass die Flüchtlinge nicht aus Österreich abgeschoben werden wollen. „Die haben ja bereits guten Willen gezeigt, sich zu integrieren, und manche wurden nicht ausreichend informiert, bevor sie zurückgeschoben wurden.“ Das österreichische Innenministerium weist das zurück. „Alle Antragstellenden, bei denen ein Dublin-Verfahren geführt wird, sind von Beginn an darüber in Kenntnis“, sagt Sprecher Karl-Heinz Grundböck.

Viele der Rückgeschobenen hatten jedenfalls bereits relativ gut Deutsch gelernt, deshalb gibt es hier im Hotel Porin auch die Möglichkeit, weiter Deutschkurse zu besuchen. Die Asylwerber bekommen im Monat 100 Kuna, das sind 13 Euro, in Österreich sind es 40 Euro. Zurzeit sind im Hotel Porin etwa 550 Menschen untergebracht. 300 von ihnen sind gar nicht weiter als bis nach Kroatien gekommen, als im März die Balkanroute geschlossen wurde. Die restlichen wurden zurückgeschoben – zumeist aus Österreich –, bis Oktober waren es 300 Personen. Einige hundert Rückschiebeverfahren sind noch offen. In Kroatien selbst wurden etwa ein Dutzend Asylwerber als Flüchtlinge anerkannt. Insgesamt hat das Land Kapazitäten, um 700 Asylwerber aufzunehmen – davon 600 im Hotel Porin.

Ausnahmen gestattet

Dakić ist für die Flüchtlinge die Ansprechperson Nummer eins. Ein Mädchen sieht sie, kommt gelaufen und umarmt sie. Vier Menschen leben hier in einem Zimmer. Grundsätzlich ist es nicht erlaubt, dort zu essen oder zu kochen. Aber wenn jemand krank oder eine Frau schwanger ist, gibt es Ausnahmen. Probleme gibt es manchmal, wenn die Flüchtlinge mit Kochplatten im Zimmer kochen wollen – das ist aus Sicherheitsgründen nicht erlaubt. Immer wieder kam es auch zu Problemen mit Drogendealern, meist Asylwerbern aus Nordafrika, erzählt Dakić. Doch sie betont, dass man das Problem im Griff habe.

Die Gänge in dem früheren Hotel sind dunkel und abgewohnt. In manchen Bereichen hängen Kinderzeichnungen, ansonsten dominiert farblose Trostlosigkeit. „Wir versuchen den Leuten hier ein möglichst normales Leben zu ermöglichen“, sagt Dakić. „Aber natürlich weiß ich, dass das kein normales Leben ist.“ Die Managerin wirkt erschöpft. Sie meint, dass es vor allem wichtig sei, mit den Leuten zu sprechen und sich Zeit zu nehmen. Einige NGOs in Kroatien engagieren sich sehr für die Flüchtlinge im Hotel Porin. So gibt es etwa eine Gruppe, die mit ihnen monatlich eine Zeitung schreibt und druckt.

Weil die Couch im zweiten Stock im Aufenthaltsraum von ein paar Jugendlichen zerstört worden ist, schimpft Dakić ein wenig und fordert die jungen Männer auf zusammenzuräumen. Prinzipiell werden die Gemeinschaftsräume von Angestellten geputzt. Um die Zimmer selbst müssen sich aber die Flüchtlinge kümmern. Bei manchen könne man vom Boden essen, so sauber sei es, meint Dakić. Andere wiederum ließen die Zimmer verkommen.

Unterschiedliche Betreuung

Die unterschiedlichen kulturellen Vorlieben bedürften sehr unterschiedlicher Betreuung, meint Dakić. Manche Flüchtlinge würden zum Beispiel den Wäschetrockner nicht benutzen und die Wäsche selbst auf dem Balkon trocknen wollen. Manches müsse man einfach akzeptieren, meint sie. Vor dem Raum mit den Waschmaschinen hängen Zettel, auf denen genau aufgelistet ist, welches Zimmer an welchem Tag die Maschinen benutzen darf. Einmal pro Woche ist jeder dran. Daneben ist ein kleiner Friseursalon eingerichtet, wo ein Afghane einem anderen die Haare föhnt. Daneben verteilen in einem Raum Vertreter der NGO Save the Children Babykleidung, auch die Unicef und das Rote Kreuz haben hier Büros.

Kroatien ist einer jener EU-Staaten, die in den vergangenen Jahren praktisch gar keine Flüchtlinge aufgenommen haben – ganz einfach deshalb, weil niemand nach Kroatien wollte. 2016 kam es dann zu einem massiven Anstieg der Asylanträge – so wurden 13-mal mehr Erstanträge denn je gestellt, insgesamt 435. Der junge EU-Staat wurde vor dem Beitritt 2013 aufgefordert, ein Asylsystem zu etablieren. Das geschieht nun durch die neue Herausforderung. Ein Asylverfahren dauert hier im Schnitt nicht länger als sechs Monate. „Wir sind alle nur Wanderer auf dieser Welt“, steht auf Arabisch auf dem Gemälde, das eine verschneite Straße mit einem Spaziergänger zeigt. Ein Asylwerber hat es für Dakić gemalt.

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