25. Februar 2016 · Kommentare deaktiviert für „Wiener Balkan-Gipfel spaltet Europa“ · Kategorien: Balkanroute, Deutschland, Griechenland, Österreich

Quelle: Süddeutsche Zeitung

  • Österreich und die Westbalkanstaaten einigen sich auf einer Konferenz in Wien auf eine „Reduzierung des Flüchtlings-Zustroms“.
  • Unter Führung der Wiener Bundesregierung beschließen sie, Mazedonien bei der Registrierung von Flüchtlingen zu unterstützen.
  • Klare Kritik gibt es auf der Konferenz an Deutschland und Griechenland.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Mit einer Kampfansage gegen die Politik der „offenen Grenzen“ haben sich in Wien die Westbalkanstaaten und Österreich auf gemeinsame Anstrengungen bei der „Reduzierung des Flüchtlings-Zustroms“ geeinigt. Man hoffe zwar auf eine europäische Lösung, so Österreichs Außenminister Sebastian Kurz. Bis dahin aber müssten die am meisten belasteten Staaten auf nationale Lösungen setzen.

Österreich sei überfordert, und die Balkanstaaten dürften in der Flüchtlingskrise nicht alleingelassen werden. Daher gelte es jetzt, das Durchleiten nach Norden zu beenden. Zu der Konferenz waren Minister der EU-Staaten Bulgarien, Kroatien und Slowenien sowie sechs weiterer Balkanstaaten eingeladen: neben Mazedonien auch Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro und Serbien.

Klare Kritik an Deutschland

Unter Führung der Wiener Bundesregierung wurde am Mittwoch beschlossen, Mazedonien bei den Kontrollen und der Registrierung von Flüchtlingen zu unterstützen. Mazedonien soll nur noch „Schutzbedürftige“ durchlassen, deren Identität überprüft wurde und die weder falsche Dokumente haben noch falsche Angaben machen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner wollte sich nach der Konferenz nicht festlegen, wer genau diese Schutzbedürftigen seien, aus Regierungskreisen war aber zu hören, es sollten nur noch Iraker und Syrer nach Mazedonien ein- und weiterreisen dürfen.

Klare Kritik gab es auf der Konferenz an Deutschland. Österreichs Innenministerin erneuerte ihren Vorwurf, dass Berlin einerseits offene Grenzen propagiere, andererseits Wien auffordere, die Zahl derer, die nach Deutschland weiterreisen wollten, zu senken. Der mazedonische Außenminister stellte fest, da die „Absorptionskapazitäten“ der Zielländer begrenzt seien, sei es eine Frage von Tagen, bis das System zusammenbreche. Schon jetzt säßen 700 Flüchtlinge an der Nordgrenze seines Landes sowie 600 an der Südgrenze fest.

Der Wiener Außenminister Kurz äußerte deutliche Kritik an Griechenland. Dort fehle es an der Bereitschaft zu einer gemeinsamen Lösung. Die griechische Regierung kritisierte ihrerseits den Alleingang der Balkangruppe. Migrationsminister Yannis Mouzalas befürchtet eine „humanitäre Krise“.

Derzeit stauten sich bereits 12 000 Menschen in seinem Land, sagte er. Indes ist die Zahl der ankommenden Flüchtlinge in Deutschland stark zurückgegangen. Am Dienstag wurden laut Bundespolizei nur 103 Personen gezählt. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras sagte am Mittwochabend im Parlament, Griechenland werde Entscheidungen in Brüssel blockieren, wenn andere EU-Länder ihrer Verantwortung nicht gerecht würden. Zuvor hatte er sich bei Bundeskanzlerin Angela Merkel darüber beschwert, dass sich einige EU-Staaten nicht an Abmachungen hielten. Merkel habe zugesichert, Athen zu unterstützen, teilte sein Büro mit. Ein weiterer Angriff auf Brüssel kommt aus Ungarn. Regierungschef Viktor Orbán will die Bürger seines Landes über die von der EU beschlossenen Quoten zur Umverteilung von Flüchtlingen abstimmen lassen. Das Referendum dürfte frühestens im Sommer stattfinden.

25. Februar 2016 · Kommentare deaktiviert für Libyen, Algerien, Maghreb: Szenarien von Krieg, Aufstand und Flucht · Kategorien: Algerien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Libyen, Tunesien · Tags:

In Enthüllungen und Hintergrundberichten von Le Monde, Le Figaro und italienischen Tageszeitungen werden alarmistische Szenarien von EU-Staaten und den USA zum Maghreb gezeichnet. Ab der kommenden Woche sollen bewaffnete US-Drohnen von Sizilien aus Westlibyen anfliegen. Die US-Militärangriffe der letzten Woche, die u.a. wichtigen Fluchthelfern und ihren Familien das Leben gekostet haben sollen, waren von Großbritannien aus gestartet. Frankreich führt bereits bewaffnete Kommando-Aktionen in Libyen aus.

Libyen soll in Militärzonen aufgeteilt werden: Italien würde mit 5.000 italienischen und libyschen Soldaten in Tripolitanien (Westlibyen) die Häfen und Petro-Installationen besetzen. Großbritannien soll von Zypern aus die Cyrenaica (Ost-Libyen mit Benghasi) unter Kontrolle bringen. Frankreich übernimmt das Militäreinsatzkommando für Fezan, d.h. für Südlibyen. Die USA erhalten die Luftkontrolle über Gesamtlibyen.

Diesen Planungen entsprechend hat das tunesisch-deutsche Militär die tunesischen Grenzanlangen gegenüber Libyen fertiggestellt, um mögliche Fluchtbewegungen aus Libyen aufzuhalten. Offensichtlich hat nur die algerische Regierung Einspruch gegen die westlichen Kriegspläne erhoben. Die algerische Regierung Bouteflikas ist politisch am Ende, und derzeit steigen wegen des Verfalls des Erdölpreises die Nahrungsmittel- und Benzinpreise in Algerien rasant. Es sei mit Aufstand und einer Massenflucht über das Mittelmeer zu rechnen, so titelt Le Figaro in seiner gestrigen Ausgabe. Die deutsche Regierung liefert gerade ein Kriegsschiff im Wert von 1 Mrd. Euro nach Algerien. Möglicherweise sind diese Kriegs-, Aufstands- und Fluchtszenarien ein Hintergrund für die migrationspolitische Hetze in Deutschland, die zur offiziellen Einschätzung des Maghreb als Region von „Sicheren Drittstaaten“ führt.

Angesichts der kriegsfeindlichen Einstellung der Bevölkerungen im Maghreb gerade auch gegenüber den ehemaligen Kolonialmächten ist ein Desaster der westlichen Militäreinsätze vorherzusehen. Die Überlagerung der anhaltenden Flucht über das zentrale Mittelmeer mit Kriegsvertreibungen würde das Meer zwischen Westlibyen und Sizilien neben der Balkanroute zu einem zweiten Schauplatz einer künstlich erzeugten Flüchtlingskrise machen.

Weiterlesen »