20. September 2015 · Kommentare deaktiviert für „Stärkung der Transitländer“ · Kategorien: Deutschland, Türkei

Quelle: nzz

Deutschland wirbt um die Türkei für eine Lösung des Syrien-Konflikts

Inga Rogg, Istanbul

Angesichts der steigenden Zahl von Flüchtlingen, die Zuflucht in Europa suchen, will Deutschland künftig enger mit der Türkei zusammenarbeiten. Die Stärkung der Transit- und Aufnahmeländer sei dringender denn je, sagte der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier während eines Besuchs in Ankara. Und mit Blick auf Europa: Er hoffe, dass dies auch die gemeinsame Position der Europäer sei.

Mit mehr als 2,3 Millionen Flüchtlingen, unter ihnen knapp 2 Millionen Syrer, trägt die Türkei eine Hauptlast der Massenflucht vor den Kriegen in der Region. Nach eigenen Angaben hat die Regierung bereits 7,6 Milliarden Dollar für die Versorgung der Flüchtlinge aufgebracht. Die EU-Kommission hatte Ankara am Donnerstag Hilfe in Höhe von einer Milliarde Euro in Aussicht gestellt. Allerdings fordert Brüssel von der Türkei eine bessere Registrierung und die Rücknahme von abgelehnten Asylbewerbern sowie ein härteres Vorgehen gegen Schlepper.

Steinmeier lobte Ankara für die Aufnahmebereitschaft. Gemeinsam mit dem amtierenden Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu vereinbarte er einen «Migrationsdialog». Im Gespräch mit Davutoglu und Präsident Recep Tayyip Erdogan machte sich Steinmeier aber auch für eine Lösung des Kriegs in Syrien stark. Ohne die Türkei sei ein Ende des Bürgerkriegs nicht zu erreichen. In dieser Frage liegen die Positionen freilich weit auseinander. Während Deutschland auch Gespräche mit dem syrischen Machthaber Bashar al-Asad nicht auszuschliessen scheint, fordert Ankara weiterhin dessen Sturz. Die Haltung der Türkei sei klar, sagte Steinmeiers amtierender türkischer Kollege Feridun Siniroglu. Asad habe der eigenen Bevölkerung den Krieg erklärt. Der Diktator könne bei der Stabilisierung des Landes keine Rolle mehr spielen, so Siniroglu.

Tatsächlich fliehen viele Syrer vor allem vor den unablässigen Angriffen des Regimes auf die Zivilbevölkerung. Viele syrische Flüchtlinge fürchten inzwischen freilich auch, dass der Konflikt an der Grenze nicht haltmacht. Auch das ist einer der Gründe, warum viele nach Europa wollen. Dabei spaltet Erdogans Syrien-Kurs auch die Türkei. Angesichts dessen war Steinmeiers Besuch kurz vor den Neuwahlen am 1. November denkbar heikel. Wohl auch um den Eindruck der Parteinahme für die Übergangsregierung zu vermeiden, traf sich der Aussenminister gleich zum Auftakt mit dem Chef der grössten Oppositionspartei, Kemal Kilicdaroglu. Am späteren Abend stand zudem eine Unterredung mit Selahattin Demirtas von der prokurdischen HDP auf dem Programm, den Erdogan derzeit mit aller Macht in die Terroristenecke zu drängen sucht.

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