14. September 2015 · Kommentare deaktiviert für Newsticker zur Lage der Flüchtlinge in Ungarn · Kategorien: Balkanroute, Ungarn

Quelle: Pester lloyd

14. September, 11:52 Uhr

Orbán räumt Ungarn: + + + Vom Heldenplatz an die Front: Premier vereidigt mit martialischen Worten 900 Polizisten + + + Armeeaufmarsch und Lagerräumung in Röszke, Sonderzüge

Militär

Am Montagvormittag vereidigte Premier Orbán 900 Absolventen der Polizeischule und schickte sie von der öffentlichen Zeremonie am Heldenplatz direkt an die Front an die serbische Grenze. Dort sollten sie nicht nur die „ungarische Heimat“ „gegen aggressive Eindringlinge“ verteidigen, sondern auch „das christliche Europa.“ und „unsere Art zu leben.“ Ungarn habe „ein Recht zu bestimmen, wer in unser Land kommt und wer nicht.“ Sie sollten sich auf „trickreiche, aggressive Angreifer“ einstellen und gewiss sein, dass „illegaler Grenzübertritt ab Morgen genauso eine Straftat ist.“ wie die „Beschädigung des Grenzzauns.“ Die Polizei habe bisher „vorbildliches, heldenhaftes geleistet“, um zu verhindern, dass die „Zukunft Ungarns und Europas im Chaos endet“. Er sei stolz, dass Ungarns Mütter solche Söhne haben…

Derweil marschieren in Röszke und an anderen Orten der Grenze immer mehr gefechtsbereite, also bewaffnete Militäreinheiten mit Feldgepäck auf (aktuelle Fotos vom Vormittag, alle MTI), während sich gleichzeitig tausende Flüchtlinge aus den Lagern in Marsch setzen und weitere Tausende die noch offenen Lücken im Zaun zum Grenzübertritt von Serbien her nutzen. Es ist nur zu erahnen, wie die Lage ab 0.00 Uhr am Dienstag eskalieren muss. Es ist ganz offensichtlich, dass Orbán Ungarn quasi räumen lässt, Sonderzüge bringen Flüchtlinge von Röszke (Foto) sowie Szeged und anderen Bahnhöfen gen Budapest bzw. Richtung der österreichischen Grenze, heute bisher 5.800, laut Angaben des ung. Innenministeriums.

14. September, 11:20 Uhr

+ + + Flüchtlingslager Röszke vor Räumung? 60.000 Menschen im Nirgendwo + + + Österreich setzt Armee ein und führt Grenzkontrollen ein + + +

Gerüchte machen die Runde, dass noch heute das Flüchtlingslager in Röszke und die Provisorien drumherum geräumt werden sollen. Das beträfe aktuell rund 60.000 Menschen. Was mit ihnen geschehen soll, ist unklar, denn eine Transportkapazität zur österreichischen Grenze oder alternative Lager stehen dafür nicht bereit.

Am Vormittag erklärte die österreichische Regierung, das Bundesheer an der ungarischen Grenze zum Einsatz zu bringen. Dies geschehe im Rahmen der erprobten „Assistenzeinsätze“, die „humanitäre Hilfe“ solle im Mittelpunkt stehen. Allerdings werde man auch dem deutschen Beispiel folgen und die „Grenzkontrollen verdichten“. Das Asylrecht bleibe aber – wie auch an der deutschen Grenze – in Takt. Wer „Asyl“ sage, dessen Ansinnen müsse auch geprüft werden, so Kanzeler Faymann (SPÖ), assistiert von Innenministerin Mikl-Leitner (ÖVP). Man habe Dublin nicht außer Kraft gesetzt, aber es funktioniere nicht. Eine andere Lösung gebe es noch nicht, Abschiebungen solle es aber ebensowenig geben wie einen „Rückstau“ wegen der deutschen Maßnahmen.

Neben Nickelsdorf, entwickelt sich der Grenzübergang bei Heiligenkreuz zum neuen Hot Spot an der öst.-ung. Grenze, dort werden heute 10.000 Flüchtlinge erwartet, die Behörden sehen sich dem nicht ausreichend gewachsen. Österreich befürchtet, dass sich ab dem Inkraftreten der Notstandsgesetze in Ungarn am Dienstag, neue Flüchtlingsrouten etablieren, u.a. über die slowenisch-steirische und -kärnterische Grenze.

14. September, 10:34 Uhr

Polizeichef ruft „Alarmzustand“ aus, 25.000 Grenzübertritte am Montag erwartet

Tag 1 nach Einführung der Grenzkontrollen durch Deutschland ist Tag 1 vor der Grenzschließung durch Ungarn und die Inkraftsetzung der neuen Notstandsgesetze: Im Zuge der deutschen Grenzschließung rief noch Sonntagnacht der ungarische Landespolizeikommandant Károly Papp den internen „Alarmzustand“ für vier Komitate aus, weil er mit einer „gewaltigen Flüchtlingswelle“ aus Serbien rechnet.

Bereits an den Tagen zuvor, wurden mit jeweils über 5.000 „Illegalen“ neue Rekordwerte verzeichnet, jetzt rechnet man intern für Montag mit bis zu 25.000 Menschen. Der Polizeialarm kann jedoch auch als politisch angeordnete Vorstufe zum morgen auszurufenden „Masseneinwanderungsnotstand“ gesehen werden, der die Sondergesetze und Ermächtigungen für Militär und Behörden in Gang bringt. Derzeit sind ca. 6.000 Polizisten und 4.400 Soldaten an der Südgrenze im Einsatz.

In diesem Jahr sind bis Sonntagabend laut Budapester Innenministerium 181.000 „illegale Einwanderer“ aufgegriffen worden, rund 12.000 davon befinden sich derzeit noch in Ungarn, davon wiederum rund 80% gegen ihren Willen, also in Haft, im Zwischenlager oder auf der Durchreise, nur ca. 4.000 Menschen lassen ihre Asylanträge in Ungarn bearbeiten, die Anerkennungsquote liegt bei ca. 10%. 63.000 nahm allein in den letzten 10 Tagen Deutschland auf.

Der befürchtete Rückstau hat bereits begonnen, in Österreich wird er von Hilfskräften mit Notquartieren abgefedert, in Ungarn nicht, hier lagern wieder viele auf freiem Feld, auch der Ostbahnhof in Budapest füllt sich wieder.

Ungarn will Grenzpolizei nach Griechenland schicken

Orbán und sein Außenminister Szijjártó begrüßten den Schritt der Bundesregierung zur Wiedereinführung von Grenzkontrollen als „wichtigen Beitrag zum Schutz Europas“, nun müssten andere Länder, in erster Linie Griechenland folgen. Da das Land „nicht fähig“ sei, dies zu tun, müssten andere EU-Partner im Rahmen bilateraler Vereinbarungen helfen. Ungarn sei daher bereit, Grenzpolizisten und „technische Experten“ nach Griechenland entsenden. Das wolle er auch dem EU-Innenministertreffen mitteilen, das am Montag tagt und dessen Ergebnisse in Ungarn mit Spannung und einigem Bangen erwartet werden, weil der Regierung die (wirklichen) Argumente gegen eine Abnahme von bis zu 54.000 Flüchtlingen durch andere Länder bald ausgehen.

Regierung lehnt EU-geführte Registrierungslager, sog. „Hot Spots“ ab

Gleichzeitig stellte Regierungssprecher Kovács ein weiteres Mal klar, dass Ungarn keine von der EU betriebenen „Hot Spots“ auf seinem Hoheitsgebiet dulden werde, weil das „keine Art und Weise“ sei, „das Problem zu bewältigen“. Die EU will diese in Eigenregie geführten Registrierungslager im Zusammenhang mit der Verteilungsquote einrichten, die Ungarn ebenso ablehnt wie Polen, Tschechien und die Slowakei. Auch die menschenunwürdigen Zustände in den ungarischen (aber auch den griechischen) Lagern und Provisorien spielen dabei eine Rolle. Es werde auch keine durchgängige „Transitzone“ entlang der serbischen Grenze geben, aber „Punkte, an denen sich Einwanderer registrieren können, wo sie verpflegt und untergebracht werden.“ Derzeit werden mehrere solcher grenznaher Internierungslager, meist in Kasernen errichtet. Fidesz-Fraktionschef Rogán ergänzte, dass solche Hot-Spot-Lager „außerhalb der EU“ einzurichten seien, nur so, bei gleichzeitigem „Schutz“ (ließ Schließung) der EU-Grenzen sei eine kontrollierte „Einwanderung“ möglich.

„Grüne“ fordern GPS-Tracking für Asylbewerber, mehr Polizei und mehr Durchgriffsrechte

Die grün-national-liberale Partei LMP hat im Rahmen eines 24-Punkte-Programms zur Vebesserung der Lage auch vorgeschlagen, Flüchtlinge mit einem GPS-Tracker zu bestücken, um sie im Rahmen der Verfahren orten zu können, sollten diese länger als einen Monat brauchen. Die anderen, demokratischen Oppositionsparteien zeigten sich empört über den Vorschlag und sehen sich darin bestätigt, dass LMP-Chef Schiffer sich mit seiner Partei immer mehr in Richtung „gelenkter“ Opposition, in etwa wie in Putins Russland, bewegt. Sein kürzlich gemeinsamer Auftritt mit dem erklärten Europafeind und Parlamentspräsidenten Kövér (Fidesz), seine Duz-Kontakte zu Jobbik-Nazis im Parlament, belegten das. Schiffer schlug weiter mehr Geld und eine höhere Anzahl Polizeikräfte vor, auch sollten diese mehr Rechte erhalten, um Fingerabdrücke und Fotos machen zu können.

Tretende Kamerafrau und „Flüchtlingsfütterung“ in Röszke werden untersucht

Sowohl die Fußtritte der Kamerafrau des rechtsextremen TV-Senders N1 als auch die Szenen der „Raubtierfütterung“ durch die Polizei im Lager Röszke werden zu Ermittlungsfällen für Polizei und Staatsanwaltschaft. Die inzwischen entlassene „Journalistin“ wurde von mehreren Politikern und Privatpersonen angezeigt, sie hat ein lamoryantes Entschuldigungsschreiben abgesetzt (sie sei nieman, der Kinder tritt, fühlte sich angegriffen, tut leid, ist nun arbeitslos, hat selber Kinder, Hexenjagd…) und wird in der rechten Szene bereits als Märtyrerin verehrt. Im Falle der entwürdigenden „Fütterung“ in Röszke hat zunächst die Polizei eine interne Untersuchung angeordnet, die Staatsanwaltschaft mochte zunächst keine Straftat in den Vorgängen erkennen und warte den Bericht ab. […]

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