01. Mai 2014 · Kommentare deaktiviert für Marokko und das neue Grenzregime im Sahel · Kategorien: Algerien, Frankreich, Mali, Marokko, Mauretanien, Sahara · Tags: , ,

Mohammed VI. auf Afrikatour

Rabat wendet den Blick gen Süden

Beat Stauffer

„[…] Hinter dem neuen Interesse Marokkos an seinen Nachbarn im Süden dürfte allerdings ein anderer Aspekt ein mindestens so grosses Gewicht besitzen: Die neue Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen und im engeren Sinn die Bekämpfung radikal-islamistischer Gruppierungen, welche sich in der Sahelzone festgesetzt haben. Dieser Plan war schon mit der «Déclaration de Rabat» im November 2013 eingeläutet worden, einem Projekt zur gemeinsamen Ausbildung von Grenzwächtern in insgesamt 19 Staaten.

Der Sicherheitsaspekt stand auch beim Staatsbesuch des Monarchen in Mali im Vordergrund. Marokko bietet dem Sahelstaat an, jährlich Hunderte von Studenten an marokkanischen Universitäten zu Imamen ausbilden zu lassen. Auf solche Weise soll Mali in Zukunft die Kontrolle über Moscheen zurückgewinnen, in denen extremistische Botschaften verbreitet und gefährdete Jugendliche radikalisiert werden. Dabei setzt Marokko auf die Kraft des gemässigten Islams malikitischer Ausrichtung, aber auch auf die mystisch ausgerichteten islamischen Bruderschaften, die teilweise jahrhundertealte Beziehungen über die Landesgrenzen hinweg pflegen. Obwohl darüber offiziell nichts verlautete, darf davon ausgegangen werden, dass auch eine intensivere Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten von Marokko und Mali sowie weiterer Länder ins Auge gefasst wird; es ist offensichtlich, dass allein mit präventiven Massnahmen den Jihadisten in der Sahelzone wie auch ihren häufig im Drogen- und Waffenhandel sowie im Entführungsgeschäft tätigen «Geschäftspartnern» nicht beizukommen ist.

Zu dieser Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich zählt im weiteren Sinn auch die Bekämpfung der klandestinen Emigration in Richtung Norden, welche für Marokko zunehmend ein Problem darstellt. Massgebend dabei dürfte aber sein, dass sich Marokko damit für Europa als unabdingbarer Partner in einem äusserst wichtigen Bereich positioniert. Analysten sind denn auch davon überzeugt, dass die Afrika-Initiative des Monarchen mit den USA sowie europäischen Ländern abgesprochen worden ist oder dass diese letztlich gar die entscheidenden Akteure hinter den Kulissen waren.

Das vorgängige Treffen von König Mohammed VI. mit Bilal Ag Chérif, dem Chef des Mouvement national pour la libération de l’Azawad (MNLA), zeigt, wie sehr Marokko auch als Vermittler oder gar Ordnungsmacht in der Region wahrgenommen werden will. Damit ergibt sich unweigerlich ein Konflikt mit Algerien. Das Land betrachtet die Sahelzone seit Jahrzehnten ganz klar als seine Einflusssphäre, in der nichts ohne Einwilligung des dafür zuständigen Département du Renseignement et de la Sécurité (DRS) geschah. Bereits die französische Intervention in Mali, so berichtet Hasni Abidi, Professor für Global Studies an der Universität Genf, wurde von Algerien ungern gesehen und endete aus algerischer Optik mit einem Debakel. Der Umstand, dass sich Marokko nun als gewichtiger Mitspieler in diesen Bereich vorwagt, dürfte in Algier mit grösstem Ungemach registriert worden sein. Das Land, das sich noch vor Jahren als Leuchtturm der Befreiungsbewegungen feierte, so der Lausanner Politikwissenschafter Ahmed Benani, verliere gegenwärtig seine zentrale Rolle auf allen Ebenen.

Das Westsahara-Problem

Die Afrika-Initiative des marokkanischen Monarchen ist, so meinen die beiden Analysten übereinstimmend, eng verknüpft mit der gegenwärtigen Lage Algeriens und mit dem Versuch Marokkos, für seine Westsahara-Politik neue Mehrheiten zu finden. Diese Lage ist geprägt von den Machtkämpfen der verschiedenen algerischen Clans und den damit verbundenen Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Präsidentenwahl sowie mit einer angespannten sozialen Lage. Diese Umstände absorbierten Algerien derart stark, dass es aussenpolitisch praktisch handlungsunfähig geworden sei, meint Benani. Marokko nutze jetzt diese momentane Schwäche des im Prinzip viel reicheren und mächtigeren Nachbarn aus, um die regionalen Karten neu zu mischen und für seine Politik einer Autonomie der Westsahara unter marokkanischer Souveränität Unterstützung zu finden. «Für Marokko war es der Moment, um zu handeln», sagt Abidi. Marokko setze auf einen «Schneeball-Effekt», meint Hasni Abidi; gute wirtschaftliche Beziehungen könnten längerfristig zu einem Überdenken der bisherigen Unterstützung vieler afrikanischer Staaten für die Sahraoui-Republik führen. […]“

via Mohammed VI. auf Afrikatour: Rabat wendet den Blick gen Süden – Auslandnachrichten Nachrichten – NZZ.ch

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