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Mittelmeeranrainer weigern sich, die EU-Grenzagentur FRONTEX auf Menschenrechte zu verpflichten
Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs muss eine EU-Verordnung zur Überwachung des Mittelmeers hinsichtlich der Rettung Schiffbrüchiger überarbeitet werden. Das stört Italien, Frankreich, Spanien, Griechenland und Malta gewaltig
Mit der Grenzagentur FRONTEX hat sich die Europäische Union einen Polizeiapparat aufgebaut, der zunehmend mehr Kompetenzen erhält (Das Ende des „patrouillengestützten Ansatzes“). FRONTEX hat sein Hauptquartier in Warschau und führt Operationen an den Land-, See- und Luftgrenzen der EU durch. Hierfür stellen die 28 Mitgliedstaaten Personal und Ausrüstung zur Verfügung, darunter Helikopter, Schiffe, Nachtsichtgeräte oder andere Überwachungstechnik.
Im Rahmen des Überwachungsnetzwerks EUROSUR wird seit 2008 an der Zusammenschaltung aller bereits vorhandenen Überwachungskapazitäten der Mitgliedstaaten gearbeitet. Die FRONTEX-Zentrale in Warschau fungiert als Knotenpunkt. Anfang Oktober hatte das EU-Parlament die notwendige EUROSUR-Verordnung in erster Lesung beschlossen (Drohnen vor Libyen und Tunesien). Zwar sind die Aktivitäten von FRONTEX und EUROSUR vor allem gegen unerwünschte Grenzübertritte gerichtet. Angesichts der hunderten Ertrunkenen vor Lampedusa wurden die Aktivitäten jedoch zur Rettung Schiffbrüchiger umgemünzt.
Immer wieder gerät FRONTEX in die Kritik, weil aufgebrachte Schiffe an Grenzbehörden jener Länder übergeben werden, von deren Küsten sie zuvor in See stachen. Dadurch wird den betroffenen Migranten verunmöglicht, einen Antrag auf Asyl zu stellen. Häufig werden die Flüchtlinge danach in Gefängnissen misshandelt. Im Zweifelsfall lässt sich später häufig nicht mehr feststellen, ob der Rechtsbruch von FRONTEX-Angehörigen oder Behörden eines zuständigen Mitgliedstaates begangen wurde. Vor Spanien wurde letztes Jahr beispielsweise ein Flüchtlingsboot mehrfach von der Küstenwache vorsätzlich überfahren, mehrere Flüchtlinge starben.
Derartige Vorfälle führten dazu, dass der Europäische Gerichtshof die 2010 erweiterte FRONTEX-Verordnung für teilweise nichtig erklärte und eine Befassung des Parlamentes anmahnte. Ein entsprechender Vorschlag liegt nun vor, jedoch ist keine Einigung in Sicht: Die Mittelmeeranrainer Italien, Frankreich, Spanien, Griechenland und Malta lehnen eine neue Definition von Rettungsmissionen rundherum ab. Die Delegationen der Regierungen bezeichnen den Vorschlag als „unakzeptabel“ und verweisen auf rechtliche und praktische Gründe.
Den Ländern ist vor allem der vorgesehene Artikel 9 lästig, der in bestimmten Fällen eine Seenotrettung vorschreiben soll. Flüchtlinge auf offener See müssten demnach gerettet werden, wenn angenommen werden kann, dass ein Schiff seinen vermuteten Bestimmungsort aus eigener Kraft nicht erreicht. Auch wenn die Zahl der Passagiere im Verhältnis zum Schiff zu groß ist und Nahrungsmittel fehlen, sollen Behörden helfen. Das Gleiche gilt, wenn Passagiere medizinische Hilfe benötigen oder Schwangere und kleine Kinder an Bord sind.
Zahlreiche Politiker hatten die kürzlich vor Lampedusa gesunkenen Schiffe als Tragödie bezeichnet, zeigten sich entsetzt und forderten mehr Drohnen und mehr Patrouillen – angeblich um Flüchtlinge zu retten (Mare Nostrum oder: Ihr habt hier nichts zu suchen!). Die perfide Auseinandersetzung um die FRONTEX-Verordnung zeigt aber deutlich, dass die Seenotrettung nicht im Vordergrund steht. FRONTEX und EUROSUR sind die zynische Antwort der EU auf den Arabischen Frühling.