06. Oktober 2013 · Kommentare deaktiviert für Lampedusa: „Vorwürfe gegen Küstenwache“ – nzz · Kategorien: Italien · Tags: ,

„Vorwürfe gegen Italiens Küstenwache

Vor der Insel Lampedusa sind diese Woche mehr als 300 Flüchtlinge ertrunken. Viele hätten gerettet werden können.

Von Patricia Arnold, Mailand

Fischer haben nach der Flüchtlingskatastrophe vor der süditalienischen Insel Lampedusa schwere Vorwürfe gegen die Küstenwache erhoben. «Erst 45 Minuten nachdem wir Alarm geschlagen hatten, waren sie vor Ort», sagte der Kapitän eines Fischkutters gestern Samstag den italienischen Medien. Mehr Menschen hätten das verheerende Unglück überlebt, wenn die Behörden schnell eingegriffen hätten, behaupten auch andere freiwillige Helfer. In unmittelbarer Nähe der Ferieninsel war am Donnerstag ein Flüchtlingsschiff mit etwa 500 Personen an Bord gesunken. Im Morgengrauen wollten die Passagiere, Somalier und Eritreer, mit einem Feuer auf sich aufmerksam machen, das jedoch ausser Kontrolle geriet. Panik brach aus. Das Schiff kippte um. Wahrscheinlich kamen mehr als 300 Menschen ums Leben.

Sichtlich erschüttert berichtete ein Fischer im Fernsehen: «Die Schiffbrüchigen kämpften ums Überleben, die Leute von der Küstenwache schauten aber zu, machten Fotos und Videoaufnahmen.» Gegen die 155 geretteten Flüchtlinge wurden inzwischen Ermittlungsverfahren eingeleitet, da sie illegal nach Italien kamen. «Wir sind nach dem Gesetz dazu verpflichtet», sagte der zuständige Staatsanwalt.

Lampedusa liegt näher an Tunesien als an Sizilien. In den vergangenen 15 Jahren strandeten hier mehr als 200 000 Menschen, die vor Bürgerkrieg, Hunger oder Elend flohen. Nach Schätzungen von Hilfsorganisationen kamen bei den Überfahrten mindestens 20 000 Personen ums Leben. Die Flüchtlingskutter sind meist wenig seetauglich. Oft aber stossen Schlepper bei Gefahr die Leute einfach ins Meer. […]

«Das Meer ist die Grenze zwischen Afrika und Europa – und nicht die Grenze zwischen Afrika und Sizilien», sagte Innenminister Angelino Alfano aufgebracht im Parlament. Das Mittelmeer müsse daher gemeinsam von europäischen Schiffen und Flugzeugen kontrolliert werden, damit es künftig weniger Tote gebe. In der kommenden Woche will Alfano seinen europäischen Amtskollegen Vorschläge für einen politischen Kurswechsel unterbreiten. […]“

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