Zeit Online | 19.04.2017
Die EU zieht ihre Rettungsschiffe im Mittelmeer zurück – und sorgt für ein tödliches Chaos vor Libyen.
Von Caterina Lobenstein
Es war am Ostersonntag, als der Kapitän des deutschen Rettungsschiffes Iuventa zum Funkgerät griff und einen Notruf absetzte: Mayday. Die Iuventa, die an jenem Tag vor der libyschen Küste trieb und überladen war mit Flüchtlingen, gehört zur Organisation Jugend Rettet, sie ist ein kleines Schiff, gerade groß genug, um ein paar Verletzte an Bord zu nehmen. Normalerweise versorgt sie Flüchtlinge auf dem Meer mit Rettungswesten, Wasser und Erster Hilfe, bis größere Schiffe sie unterstützen und die Menschen aufnehmen. An diesem Sonntag aber gab es niemanden, der helfen konnte.
Dass die Iuventa am Ostersonntag lange keine Hilfe bekam, hat zum einen mit dem Ende der italienischen Rettungsmission Mare Nostrum zu tun: Seit es die nicht mehr gibt, patrouillieren weniger staatliche Rettungsschiffe nahe den libyschen Gewässern, dort also, wo die meisten Notrufe abgesetzt werden und die meisten Menschen ertrinken. Zum anderen ist die Zahl der Flüchtlinge, die von Nordafrika aus nach Europa kommen, gestiegen. Fast 40.000 waren es laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk von Januar bis Mitte April 2017, deutlich mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres, und die Schönwettersaison hat noch nicht mal begonnen.