derFreitag | 31.05.2018
Serbien Ein Pakistaner sitzt seit mehr als zwei Jahren an der Grenze zu Ungarn fest, die er vergeblich zu überqueren versucht
Klaus Petrus
Hörst du sie?“ Amar hält sich den Finger an die Lippen. „Wer sich dem Zaun nähert, wird verhaftet! Geht zurück! Ihr seid hier nicht willkommen!“, tönt es aus dem Lautsprecher. „Jede Stunde bellt diese Stimme. Tag und Nacht. Als wären wir taub.“ Amar blickt über das Feld, 300 Meter sind es bis zur ungarischen Grenze. Er weiß, wie es drüben aussieht, er war schon oft dort. Die gleiche Leere wie hier, aber eben drüben.
Seit September 2017 haust Amar mit mehr als drei Dutzend anderen Pakistanern in einem verfallenen Getreidelager, eine knappe Stunde vom serbischen Grenzort Horgos entfernt, und wartet. Manchmal kramt er ein zerfleddertes, rosafarbenes Notizheft hervor und schreibt ein paar Zeilen: 22. Februar 2018, Horgos. Bismillahir rahmanir rahim, im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen. Jeden Tag schaue ich zur Grenze hinüber. Was soll ich meiner Familie sagen, meinem Vater? Er hat alle Hoffnung in mich gesetzt, hat alles Geld in mich investiert. Der Wind weht durch das Mauerwerk ins Innere des Gebäudes, Amar zieht sich die Decke über und will schlafen.