Zeit Online | 28.02.2017
Gegen alle Widerstände starten regelmäßig Abschiebeflüge von Deutschland nach Afghanistan. Viele Rückkehrer stehen in ihrer alten Heimat vor dem Nichts.
Von Ferdinand Otto
Shams A. weiß nicht genau, an welcher Straßenecke er gerade ist. Schon wieder dröhnt es in seinem Kopf. So sehr, dass er seinen Schädel gegen die nächste Wand schlagen will, wie er sagt. Krankheit schützt eigentlich vor Abschiebung. Und doch ist Shams wieder in Kabul und hat keine Ahnung, wie er an den Ort gekommen ist, wo er jetzt sein Handy abnimmt. Auf Nachfrage am Telefon sagt er nur: „Ich bin in Sicherheit“, und schiebt nach: „vorerst“. Denn was heißt schon sicher in Afghanistan, in einem Land, in dem 2016 laut Vereinten Nationen über 11.000 Zivilisten getötet oder verletzt wurden? Shams schläft außerdem auf der Straße, weil er keine Wohnung hat.
Trotzdem will die Bundesregierung Tausende ausreisepflichtige Afghanen abschieben, deren Asylanträge abgelehnt wurden. Anfang Februar startete vom Münchner Flughafen eine Maschine mit 18 Afghanen. Kurz zuvor, Ende Januar, saß Shams an Bord eines Fluges von Frankfurt nach Kabul. Viele Heimkehrer landen so in einem Land, das ihnen fremd geworden ist, in dem sie nichts zu erwarten haben. Und wo sie mit dem Schlimmsten rechnen müssen: Vor wenigen Wochen wurde ein Abgeschobener in Kabul bei einem Selbstmordanschlag verletzt.