19. Juni 2018 · Kommentare deaktiviert für Massive Empörung über Salvini · Kategorien: Italien · Tags:

ARD Tagesschau | 19.06.2018

Eine Äußerung von Italiens Innenminister Salvini über eine Volkszählung von Roma hat für erhebliche Empörung gesorgt. Auch Regierungschef Conte distanzierte sich von ihm. Salvinis Vorschlag sei verfassungswidrig.

Heftige Kritik hat eine Aussage von Italiens Innenminister Matteo Salvini über die Minderheit der Roma ausgelöst. Der Chef der fremdenfeindlichen Lega und Vize-Regierungschef hatte angekündigt, in Italien lebende Roma zählen lassen und Straffällige abschieben zu wollen – etwa nach Rumänien.

Regierungschef Giuseppe Conte erklärte: „Hier verfolgt niemand die Absicht, (…) Volkszählungen auf ethnischer Grundlage durchzuführen, was im Übrigen verfassungswidrig und offensichtlich diskriminierend wäre.“

Ziel der Regierung sei es, gegen gesetzwidrige Umstände vorzugehen und die Sicherheit der Bürger zu schützen. Was die Roma betreffe, wolle die Regierung sicherstellen, dass Kinder Zugang zu Schulbildung hätten, von der sie oft ferngehalten würden.

Der frühere italienische Regierungschef Paolo Gentiloni kritisierte auf Twitter: „Gestern die Flüchtlinge, heute die Roma, morgen Pistolen für alle. Wie anstrengend es ist, schlecht zu sein.“ Der sozialdemokratische Abgeordnete Ettore Rosato nannte Salvinis Ankündigungen „vulgär und demagogisch“.

Illegal und unter Niveau

Auch aus der katholischen Kirche kam Widerspruch. Roms Weihbischof Paolo Lojudice warf Salvini Stammtischniveau vor. Es sei schwer vorstellbar, dass ein Kabinettsmitglied sich in einer solchen Weise äußere, sagte der Bischof dem katholischen Radiosender inBlu.

Der Großteil der Roma seien italienische Staatsbürger. Die Äußerung über Abshiebungen sei daher inhaltsleer, so der Bischof, der auch Sekretär der Migrationskommission in der italienischen Bischofskonferenz ist.

„Ich hoffe, dass jemand dem Minister erklärt, was das Problem ist und wie man intelligent und konkret eingreifen kann, um diesen Familien zu helfen, bevor sie in die Kriminalität abrutschen“, sagte Lojudice.

Auch ein Sprecher der EU-Kommission stellte klar, dass eine Ausweisung von EU-Bürgern anderer Staaten auf Grundlage ihrer ethnischen Zugehörigkeit nach EU-Recht illegal wäre.

Der Erzbischof von Bologna, Matteo Zuppi, warnte, in der aktuellen Debatte habe sich eine „gefährliche Mischung von Angst, Wut und Opferdenken“ aufgehäuft.

Schon kurz nach Salvinis Äußerung hatten sich viele italienische Politiker schockiert gezeigt. Sie warnten, Italien blicke auf eine „furchtbare“ Geschichte zurück, in der es in der Zeit des Faschismus Juden gezählt habe. Der demokratische Abgeordnete Ettore Rosato nannte die Pläne einer Zählung „vulgär und demagogisch“. Man könnte sich für Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit einsetzen, ohne faschistisch zu werden.

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ARD Tagesschau | 18.06.2018

Salvini will Roma zählen lassen

Im italienischen Wahlkampf kündigte Lega-Chef Salvini Härte gegen Migranten an. Gerade erst im Amt des Innenministers plant er eine Volkszählung der Roma im Land. Damit wolle er ein Bild über die aktuelle Situation bekommen.

Der italienische Innenminister Matteo Salvini will die Roma in seinem Land zählen lassen. Salvini sagte dem Fernsehsender Telelombardia, er habe das Ministerium aufgefordert, „ein Dossier zur Roma-Frage in Italien“ anzufertigen. Die derzeitige Situation der Volksgruppe nannte er chaotisch.

Um ein Bild der Situation zu bekommen, müsse man „wieder das tun, was früher Zählung genannt wurde“, sagte Vize-Regierungschef. Eine solche „Zählung“ könnte auch „Personenregister“ oder „Momentaufnahme“ genannt werden. Er wolle bei dem Zensus sehen, „wer, wie und wieviele sie sind“, erläuterte der Vizeregierungschef. Ein Zensus ermögliche die Ausweisung von Ausländern ohne gültigen Aufenthaltsstatus, sagte Salvini. Roma mit italienischem Pass müsse man „unglücklicherweise behalten“.

„Vulgär und demagogisch“

Salvinis Aussage löste Empörung aus. Die Zeitung „La Repubblica“ schrieb von „Schock“, woraufhin Salvini twitterte: „Jemand spricht von ‚Schock‘. Warum???“ Es gehe ihm nicht darum, einzelne Angehörige der Volksgruppe zu identifizieren. Vielmehr sollten Kinder unterstützt werden, die von ihren Eltern nicht zur Schule geschickt würden, sondern stattdessen Straftaten begehen müssten. Auch müsse kontrolliert werden, wie Finanzhilfen der EU in Millionenhöhe ausgegeben würden.

Auch Politiker der Mitte-Links-Parteien reagierten verärgert. Sie warnten, Italien blicke auf eine „furchtbare“ Geschichte zurück, in der es in der Zeit des Faschismus Juden gezählt habe. Der demokratische Abgeordnete Ettore Rosato nannte die Pläne einer Zählung „vulgär und demagogisch“. Man könnte sich für Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit einsetzen, ohne faschistisch zu werden.

Senatorin Simona Malpezzi von der sozialdemokratischen PD bezeichnete den Plan einer Roma-Zählung als „neueste Masche mit leicht faschistischem Anstrich“. „Erst die Attacken gegen Flüchtlinge und jetzt gegen Roma“, bemängelte auch der linke Abgeordnete Federico Fornaro. Salvini schüre absichtlich Hass.

Roma-Vereinigung will Salvini bald treffen

Der Präsident der Vereinigung „Associazione 21 Luglio“, die sich für die Rechte der Sinti und Roma einsetzt, Ansa Carlo Stasolla, sagte, der Innenminister scheine „nicht zu wissen, dass in Italien eine Zählung auf Basis einer Ethnie nicht erlaubt ist“. Die nationale Roma-Vereinigung erinnerte daraufhin an eine Zählung der Minderheit durch Behörden aus dem vergangenen Jahr und forderte ein baldiges Treffen mit dem Innenminister.

In Italien leben rund 170.000 Roma und Sinti, unter ihnen viele aus Rumänien oder dem früheren Jugoslawien. Die Mehrzahl von ihnen hat einen festen Wohnsitz und einen regulären Arbeitsplatz. Die Behörden räumen immer wieder illegale Lager der Roma in den Außenbezirken großer Städte.

Salvini, Chef der rechtspopulistischen Partei Lega, hatte im Wahlkampf die Massenabschiebungen von Migranten angekündigt. Er stand in der vergangenen Woche bereits international im Fokus, als er die mehr als 600 Flüchtlinge auf dem Hilfsschiff „Aquarius“ abwies und ankündigte, private Rettungsschiffe nicht mehr in italienische Häfen zu lassen.

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