19. Juni 2018 · Kommentare deaktiviert für Frontex und Eurosur: Mittelmeerüberwachung in Echtzeit mit „Live-Bilddaten“ · Kategorien: Mittelmeer · Tags: , ,

heise online | 18.06.2018

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex baut die Überwachungsfähigkeiten im Mittelmeer immer weiter aus. Die Seenotrettung profitiert davon nicht.

Stefan Krempl

Der Grenz- und Küstenwachschutz im Mittelmeer wird technisch immer weiter hochgerüstet im Kampf gegen illegale Migration und grenzüberschreitende Kriminalität wie Drogen- oder Menschenhandel. Der EU-Grenzpolizeibehörde Frontex stehen etwa Satellitenbilder mit einer Auflösung von bis zu 24 Zentimeter zur Verfügung, während Beobachter bisher von bis zu 50 Zentimeter ausgingen. Dazu kommen „Möglichkeiten zur sicheren Übertragung von Einsatzlivedaten aus Luft-, See- und landgestützten Fahrzeugen in Ladezentren“. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor, die heise online vorliegt.

Vor allem das EU-Grenzüberwachungssystem Eurosur und verbundene Dienste zur Satellitenaufklärung wie das Erdbeobachtungsprogramm Copernicus versorgen die in Warschau angesiedelte Agentur Frontex mit Messwerten teils in Echtzeit. Zahlreiche Copernicus-Services wie die Überwachung der Küsten, des „Grenzvorbereichs“ im Mittelmeer, des Seeverkehrs „in einem Gebiet von Interesse“ sowie für die Ortung und Verfolgung von Schiffen und möglicher „Unregelmäßigkeiten“ in deren Verhalten seien mittlerweile in Betrieb, schreibt das Bundesinnenministerium. Weitergehende Dienste zur Erdbeobachtung und Aufklärung sowie zur Analyse von Migrationsbewegungen und „grenzüberschreitenden kriminellen Netzen“ befänden sich derzeit noch in Entwicklung.

Auch Europol nutzt Copernicus

Copernicus-Produkte würden auf Basis „frei zugänglicher“ beziehungsweise „kommerziell verfügbarer Satellitendaten“ erstellt, erläutert die Regierung. Für die hohe Auflösung der übersandten Bildaufnahmen sorgten dabei Radar-Satelliten wie TerraSar-X oder TanDEM-X. Die luftgestützte Überwachung durch Eurosur in grenznahen Gebieten betreffe dabei die Küstenregionen der Drittstaaten Algerien, Tunesien und Libyen. Nutzer eines Copernicus-Sicherheitsdienstes sei neben Frontex auch Europol. Über Eurosur könnten zusätzlich etwa noch meteorologische Daten, ein maritimes Simulationsmodell und ein „System zur Verfolgung von Schiffsrouten“ abgerufen werden.

Daneben baut Frontex der Antwort zufolge ein eigenes „Positioning System“ auf Basis von GPS auf. Damit sollen „Positionsdaten und Betriebszeiten von Einsatzmitteln, die für Frontex-koordinierte Aktivitäten verwendet werden, in Echtzeit aufgezeichnet und weiterverarbeitet werden“. Frontex wolle Landfahrzeuge, Flugzeuge und Schiffe mit GPS-Sendern ausstatten. Die erforderlichen Geräte habe die Küstenwache bereits vom Ausrüster Atos gekauft. Hauptzweck dieses Systems sei die Einsatzkoordinierung.

Zusätzliches Überwachungsnetzwerk
Neben Eurosur nehmen die Marinen von 17 EU-Staaten einschließlich der Flotten von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien oder Spanien laut der Regierung an einem zusätzlichen speziellen Überwachungsnetzwerk namens Marsur („Maritime Surveillance Networking“) teil. Daran angeschlossen seien auch das Satellitenzentrum SatCen und die Europäische Verteidigungsagentur EDA. Im Kern des Projekts stehe das „Marsur Exchange System“ (MEXS), über das nicht als geheim eingestufte Informationen ausgetauscht würden, die die jeweiligen Partner auf Basis nationaler Vorgaben bereitstellen könnten.

„Die Europäische Union überwacht das zentrale Mittelmeer lückenlos“, folgert der linke Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko. Wenn die Grenzpolizei und die Marine mit den dazu eingesetzten Systemen schon immer genauer hinschauen könne, müssten die Aufklärungsdaten angesichts immer neuer Flüchtlingskrisen wie gerade rund um die „Aquarius“ zumindest genutzt werden, „um Menschen zu retten“, forderte Hunko gegenüber heise online. Die Technik sollte auch „Seenotrettungsorganisationen zur Verfügung stehen“. Dies wäre ein wichtiges Signal, um den privaten Einrichtungen den Rücken zu stärken.

Das EU-Parlament hatte sich bereits 2013 dafür eingesetzt, die mit Eurosur gewonnene „beträchtlich verbesserte Reaktionsfähigkeit“ der Mitgliedsstaaten auch der Seenotrettung zugute kommen zu lassen. Daraus ist bislang aber wenig geworden.

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