Republik | 15.01.2018
Wenn Mussie Zerai einen Anruf verpasst, geht vielleicht ein Boot mit Flüchtlingen unter. Unterwegs mit dem Priester, der 150’000 Menschen das Leben gerettet hat. Und den Staatsanwälte für einen Menschenhändler halten.
Carlos Hanimann
Im Februar 1975 gebar eine junge Frau in Asmara einen Sohn. Sie wollte ihn Hannibal nennen. Doch die Grossmutter hatte anderes im Sinn, und sie setzte sich durch. So erhielt der Kleine den Namen Mussie. Moses, der Mann, der das Meer teilte.
43 Jahre später, an einem nebelverhangenen Wintermorgen, wirkt es nicht, als könnte Mussie Zerai das Meer teilen. Ein rundlicher Herr mit angegrautem Bart und Halbglatze, in Hausschuhen und grauem Trainingsanzug. Abgestandene Luft im Wohnzimmer, italienische Nachrichten im Fernseher, auf dem Tisch ein angebissenes Brötchen – Mussie Zerai frühstückt in seiner Zweizimmerwohnung in Olten.
Das Meer kann er nicht teilen. Aber immer wieder schafft Abba Mussie, Vater Moses, doch einen Weg durchs Mittelmeer.