31. August 2017 · Kommentare deaktiviert für Libyen: Miliz macht Jagd auf Flüchtlinge · Kategorien: Italien, Libyen · Tags:

Welt | 31.08.2017

„Brigade 48“ macht nun in Libyen Jagd auf Flüchtlinge

Von Christoph B. Schiltz, Brüssel

Die kriminelle „Brigade 48“ tut das, was die Militärs der EU eigentlich selbst auf legalem Wege mit libyschen Behörden machen wollten. Die Miliz ist eine neue Macht – und äußerst erfolgreich.

Sie sind gut ausgerüstet und äußerst brutal, eine Truppe aus früheren Militärs, Polizisten und Zivilisten. Sie nennen sich „Brigade 48“. Ihr Anführer soll ein ehemaliger Mafioso sein. Sie patrouillieren in den Straßen, überwachen Strände, sie legen sich mit den berüchtigten Menschenschmugglern an und hindern Flüchtlinge daran, nach Europa zu fliehen. Die Miliz ist eine neue Macht vor Ort – und äußerst erfolgreich. Die Bande könnte einen wichtigen Anteil daran haben, dass im Juli und August immer weniger Migranten nach Italien gekommen sind.

Sabratha, eine Hafenstadt im Nordwesten Libyens, 70 Kilometer von der libyschen Hauptstadt Tripolis entfernt: Die Stadt ist einer der Hauptablegeplätze für Flüchtlingsboote nach Italien. Aber seit kurzer Zeit ist das Schmugglergeschäft weitgehend erlahmt. Gerettete Flüchtlinge berichteten laut Internationaler Organisation für Migration (IOM), dass es mittlerweile schwer sei, von Sabratha abzulegen. „Es gibt Leute, die die Boote stoppen, bevor sie herausfahren, und wenn sie es doch schaffen, werden sie sofort zurückgeschickt“, sagte IOM-Sprecher Flavio Di Giacomo. Schleuser Mourad Zuwara sagte der „New York Times“, dass ihn lokale Kräfte daran gehindert hätten, weitere „Operationen“ durchzuführen.

Sabratha ist ein gefährlicher Ort für Migranten geworden – die „Brigade 48“ unterhält offenbar eigene Gefängnisse. Dort landen beispielsweise Menschen, die die Miliz zuvor beim Ablegen von einem Flüchtlingsboot heruntergeholt hat. Was mit ihnen geschieht, ob sie verkauft oder erpresst werden, ist unklar. Ebenso offen ist, ob die mysteriöse Bande mit der vom Westen anerkannten Regierung von Ministerpräsident Fajes al-Sarradsch zusammenarbeitet.

Schleuser-Geschäfte zerstört

Der libysche Politikexperte Mohammed al-Muntasser behauptet das. Er sagte der „New York Times“ auch, dass die Miliz eine Schlüsselrolle dabei gespielt habe, den Schleusern vor Ort das Geschäft zu zerstören. „Einige unserer Kräfte und Behörden haben entschieden, die Schrauben ein wenig anzuziehen – entweder, indem sie jetzt ihre Arbeit machen oder aber indem sie ihren Freunden und Verwandten aus dem kriminellen Milieu gesagt haben, dass sie ihr Geschäft wenigstens für eine Weile stoppen sollen“, sagte al-Muntasser.

Ironie der Geschichte: Die kriminelle „Brigade 48“ tut das, was die Militärs und Grenzschützer der EU eigentlich selbst auf legalem Wege zusammen mit libyschen Behörden machen wollten – Flüchtlingsboote an Land zerstören, Schleuser festsetzen und Boote am Ablegen hindern. Solche Militäreinsätze gegen Schleuserbanden sind im Rahmen der sogenannten Phase drei der EU-Marinemission Sophia ausdrücklich vorgesehen. Aber seit zwei Jahren passiert nichts. Die libysche Regierung hat bisher kein grünes Licht gegeben, außerdem fehlt – zumindest aus deutscher Sicht – ein Mandat des UN-Sicherheitsrates.

Die innenpolitische Sprecherin der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Monika Hohlmeier (CSU), sagte der WELT: „Es gibt in Libyen keinerlei geordnete Strukturen, die Lage vor Ort ist unhaltbar. Man ist auf die Zusammenarbeit mit zweifelhaften Kräften angewiesen und das macht die Situation immer chaotischer und unkontrollierbarer.“ Die Migrationsexpertin forderte die Europäische Union auf, sich „stärker in Libyen zu engagieren und dabei auch enger mit Italien zusammenzuarbeiten“.

Wichtig sei beispielsweise, die humanitäre Lage der Migranten in den Lagern zu verbessern und Schleusernetzwerke konsequent zu bekämpfen. Notwendig ist aus Sicht Hohlmeiers aber auch, den Zustrom von Migranten aus Afrika nach Libyen zu stoppen. „Wir sollten deutlich mehr investieren in die Hilfe für Menschen in der Tschadregion“, sagte sie.

 

 

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