28. Februar 2017 · Kommentare deaktiviert für „Ansturm auf Ceuta: Ein Flüchtling erzählt“ · Kategorien: Marokko, Spanien · Tags:

ARD Tagesschau | 28.02.2017

Vor einer Woche haben Hunderte Flüchtlinge die spanische Exklave Ceuta auf der afrikanischen Seite des Mittelmeers gestürmt. Nun berichtet ein junger Kameruner, wie er nach Ceuta gelangte und bestätigt einen Verdacht von Menschenrechtsorganisationen und Medien.

Von Oliver Neuroth, ARD-Studio Madrid

Ibrahim kann immer noch nicht glauben, dass er wirklich in Ceuta ist. Vier Mal hatte es der 19-Jährige aus Kamerun schon versucht, von Marokko in die spanische Exklave zu flüchten – von Afrika nach Europa. Vier Mal scheiterte er. Doch vor einer Woche gelang ihm und seinen Kumpel schließlich die Flucht.

„Es war nicht einfach. Wir hatten vorher zwei Tage lang in den Wäldern vor Ceuta auf den richtigen Moment gewartet, in unserem provisorischen Camp. Es regnete, wir hatten nichts zu essen. Eines Nachts brachen wir auf, liefen los, es war zwei Uhr“, erzählt Ibrahim.

Anders als die Flüchtlinge in den Wochen zuvor wollten Ibrahim und seine Freunde nicht versuchen, die sechs Meter hohen Doppel-Grenzzäune von Ceuta hochzuklettern. Diese sind mit spitzem Draht gesichert. Die Anlage ist acht Kilometer lang. Zwischen den Zäunen liegt ein Netz aus Stahlkabeln, das das Vorankommen weiter erschwert.

Die Männer hatten Werkzeug dabei, mit dem sie die Tore an den Zäune öffnen wollten. Das gelang, auch weil das marokkanische Militär die Gruppe nicht zurückhielt: „Niemand von der Polizei war dort. So konnten wir einfach zu den Zäunen. Bei unseren anderen Versuchen stoppten uns die Marokkaner frühzeitig, diesmal nicht“, berichtet Ibrahim.

Marokko will Zugeständnisse

Ibrahim bestätigt damit den Verdacht, den Menschenrechtsorganisationen und spanische Medien seit dem Vorfall äußern: Marokko hat die Verabredung mit Spanien nicht ernst genug genommen, Flüchtlinge vor dem Ceuta-Zaun abzufangen. Für diesen Deal bekommt Marokko Geld von Spanien – wie viel, ist nicht bekannt.

Möglicherweise reiche es dem Land nicht, sagt Virginia Álvarez von Amnesty International. Marokko sehe schließlich, wie viele Milliarden beispielsweise die Türkei dafür erhalte, Flüchtlinge zu stoppen: „Es ist klar, dass Marokko seine Kontrolle über die Grenze dazu benutzt, um von der Europäischen Union und Spanien Zugeständnisse zu bekommen.“

Spanien will Schlepper in der Sahelzone stoppen

Für die spanische Regierung ist die Zusammenarbeit mit Marokko offiziell nicht belastet. Innenminister Juan Ignacio Zoido bemühte sich bei einem Statement nach dem Flüchtlingsansturm von Ceuta, kein böses Wort über den Nachbarn zu verlieren. Denn er weiß, dass Spanien Marokko braucht.

„Unsere Beziehungen mit dem Königreich Marokko sind gut. Wir vertrauen einander, haben Respekt für den anderen. Wir werden unsere enge Partnerschaft fortsetzen und arbeiten daran, die Sicherheitslage weiter zu verbessern“, sagte Zoido.

Um das Flüchtlingsproblem in den Griff zu bekommen, will Minister Zoido die Fluchtursachen bekämpfen. Er präsentierte vor wenigen Tagen einen Plan, Experten einer speziellen Polizei-Eingreiftruppe in die Sahelzone zu entsenden – also in die Mitte des afrikanischen Kontinents, dem Übergangsgebiet von der Sahara zur Savanne im Süden. In das Projekt sollen EU-Gelder in Höhe von 40 Millionen Euro fließen.

„Wir wollen dort die Sicherheitsvorkehrungen verbessern, indem wir die örtliche Polizei ausbilden. So möchten wir die Flüchtlingsströme besser kontrollieren und gegen die mafia-ähnlichen Netzwerke vorgehen, die Menschen quasi verschicken – heute im 21. Jahrhundert“, sagte Zoido.

Kaum Chancen auf Asyl für Ibrahim

Wie genau Ibrahim nach Marokko gekommen ist, ob er sich auch einem Schleuser-Netz angeschlossen hatte, will er nicht sagen. Er freut sich einfach, nun in Europa zu sein – auf einem Kontinent, von dem er sich ein besseres Leben erhofft. Sein Traum ist Wirklichkeit geworden: „Ich bin in Ceuta“.

Ibrahims Chancen auf Asyl in Spanien stehen eher schlecht. Nur Kriegsflüchtlinge dürfen im Land bleiben, nicht aber jene, die aus wirtschaftlichen Gründen kommen. Doch mit der Erinnerung an den Erfolg, dass er es im fünften Anlauf bis nach Ceuta geschafft hat, verdrängt der 19-Jährigen die Gedanken an die Realität.

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