13. Dezember 2016 · Kommentare deaktiviert für „Wege der Weltpolitik“ · Kategorien: Afrika, Deutschland, Mali

Quelle: German Foreign Policy | 13.12.2016

BAMAKO/BERLIN (Eigener Bericht) – Die Bundeswehr wird ihren Einsatz in Mali ausweiten. Dies hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am gestrigen Montag mitgeteilt. Demnach soll die Mandatsobergrenze für die deutschen Truppen, die im Norden Malis unter UN-Flagge operieren, von derzeit 650 auf 1.000 aufgestockt werden, um Sanitäts- und Kampfhubschrauber in dem Gebiet zu stationieren. Berliner Regierungsberater warnen, die „Sicherheitslage“ habe sich zuletzt in ganz Mali „dramatisch verschlechtert“ und drohe vollends außer Kontrolle zu geraten; dagegen helfe nur, zusätzlich zur militärischen Intervention jetzt den Durchgriff auf die Regierung in Bamako massiv zu verstärken. Zugleich hat die EU am Sonntag ein Abschiebeabkommen mit Mali geschlossen, das es ihr ermöglicht, Flüchtlinge aus dem Land umstandslos abzuschieben. Die Kombination militärischer Operationen mit unerbittlicher Flüchtlingsabwehr zeichnet die Berliner Aktivitäten in sämtlichen Interventionsgebieten der Bundeswehr im „Krisengürtel“ von Westafrika über Mittelost bis nach Zentralasien aus.

Hubschrauber nach Mali

Die Bundeswehr wird ihren Einsatz in Mali ausweiten. Das hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am gestrigen Montag angekündigt. Demnach soll der Bundestag die Mandatsobergrenze im Januar von 650 auf 1.000 Soldaten anheben. Dies ist notwendig, weil die Bundesrepublik im Rahmen des Blauhelm-Einsatzes der Vereinten Nationen im Norden Malis (MINUSMA) die Hubschrauber-Rettungskette von den Niederlanden übernehmen wird. Den Haag drängt bereits seit geraumer Zeit darauf, abgelöst zu werden. Berlin hatte lange versucht, die Aufgabe abzuwälzen, und eine Zeitlang sogar mit seinem kompletten Abzug aus Mali gedroht, sollte sich kein anderes Land zu der Aufgabe bereitfinden, sieht sich nun jedoch gezwungen, selbst aktiv zu werden. „Wir stellen Rettungshubschrauber und zu deren Schutz Kampfhubschrauber, um im Notfall verletzte Soldaten ausfliegen zu können“, erklärt von der Leyen.1 Berichten zufolge sollen demnächst drei Sanitätshubschrauber NH90 und drei Kampfhubschrauber „Tiger“ sowie zwei Ersatzmaschinen in das Operationsgebiet im Norden Malis verlegt werden.

Drohne im Einsatz

Vor der nun in Aussicht genommenen Hubschrauberverlegung hatte Berlin zuletzt die Hochrüstung der deutschen Truppen in Mali mit der Bereitstellung der Überwachungsdrohne „Heron“ verstärkt. Die „Heron“ vollzog laut Mitteilung der Bundeswehr am 1. November ihren ersten operationellen Flug; sie kann bis zu 30 Stunden in der Luft bleiben und dabei nicht nur Patrouillen begleiten, Sprengfallen aufspüren und Bewegungsprofile feindlicher Kämpfer erstellen, sondern auch die eigenen Einheiten in Gefechtssituationen unterstützen. Beim Betrieb der „Heron“ arbeiten, wie die Bundeswehr erklärt, „Soldaten der All Sources Information Fusion Unit (ASIFU) MINUSMA“ und „zivile Mitarbeiter der Firma Airbus Defence and Space Airborne Solutions … Hand in Hand“.2 Airbus least die Drohne beim israelischen Produzenten IAI und betreibt sie; so ist es schon beim „Heron“-Einsatz in Afghanistan seit 2010 der Fall gewesen. Airbus weist dabei jedoch ausdrücklich darauf hin, dass der Einsatzflugbetrieb „auch weiterhin ausschließlich von Soldaten“ und nicht von zivilen Airbus-Angestellten durchgeführt wird.3 Die Heron soll nach aktuellen Plänen zunächst bis Februar 2018 genutzt werden. Mittel- bis langfristig will Berlin sie allerdings durch eine in der EU gebaute Drohne ersetzen, deren Entwicklung nun rasch vorangetrieben werden soll, um die Abhängigkeit von Rüstungskonzernen außerhalb der EU bald abzuschütteln.

Die Grenzen der Intervention

Während Berlin systematisch die Truppen in Mali aufstockt, beurteilen Regierungsberater die jüngste Entwicklung in dem Land überaus kritisch. Die Umsetzung des Friedensabkommens von Algier, das im Mai bzw. im Juni vergangenen Jahres unterzeichnet wurde, lasse bis heute auf sich warten, stellt die vom Kanzleramt finanzierte Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in einer aktuellen Kurzanalyse fest.4 In dem fortdauernden Vakuum hätten sich „Gewalt und Unsicherheit ausgebreitet“; „Rechtlosigkeit und Gewalt“ prägten nicht nur weiterhin den Norden, sie hätten inzwischen auch „in Zentral-Mali Fuß gefasst“. Sogar im Süden des Landes stelle sich inzwischen eine wachsende „Unsicherheit“ ein. „Die Rückschritte in Mali offenbaren nicht nur Ohnmacht und Versagen der Regierung“, resümiert die SWP: „Externe Akteure wie VN, EU oder Frankreich“ hätten „die Sicherheit im Land ebenfalls nicht entscheidend verbessern“ können. So zeige etwa „das Erstarken gewaltbereiter, darunter jihadistischer Gruppen … die Grenzen der französischen Anti-Terror-Operation Barkhane“ deutlich auf. Auch MINUSMA könne, zumal überwiegend mit Selbstschutz beschäftigt, „kaum Sicherheit erbringen“. Ohnehin wäre es „riskant und wenig aussichtsreich, robuster gegen Rebellen, Jihadisten oder Drogenschmuggler vorzugehen“, urteilt die SWP, zumal „die Akteurskonstellation … fließend“ sei.

Durchgriff auf Bamako

Die desolate Entwicklung schlägt sich mittlerweile in einer steigenden Zahl an Todesopfern unter den malischen Soldaten wie auch den auswärtigen Truppen nieder. So sind, wie die SWP konstatiert, in der Zeit von Ende 2015 bis September 2016 52 Anschläge auf MINUSMA verübt worden, die 30 Menschen das Leben kosteten. Allein von Juni bis September seien darüber hinaus 52 malische Soldaten bei Angriffen getötet worden. Um der Eskalation Einhalt zu gebieten, plädiert die SWP nun dafür, den Druck auf die malische Regierung drastisch zu erhöhen, um sie zur Umsetzung der vom Westen verlangten „Reformen“ zu zwingen: Es gelte „Zielvereinbarungen“ zu erarbeiten, deren Verwirklichung vom Westen „rigoros überwacht und evaluiert werden“ müsse. In diesem Rahmen solle sich Berlin „für eine bessere internationale Koordinierung in allen Bereichen (diplomatisch, sicherheits- und entwicklungspolitisch) einsetzen“.5 Tatsächlich entspräche dies dem Berliner Bestreben, im „Krisengürtel“ von Westafrika (Mali) über Mittelost (Irak) bis Zentralasien (Afghanistan) eine führende politisch-militärische Stellung einzunehmen – im Zuge des Bemühens um eine eigenständige Weltpolitik (german-foreign-policy.com berichtete 6) und im Falle Malis in Ablösung der bisherigen „Ordnungsmacht“ Frankreich.

Unerwünschte Folgen

Während Berlin die deutsche Militärpräsenz in dem immer weiter außer Kontrolle geratenden malischen Kampfgebiet erhöht, bemüht es sich gemeinsam mit Brüssel um ein Ziel, das es auch in sämtlichen anderen Operationsgebieten vom Mittleren Osten bis Zentralasien verfolgt – Flüchtlinge aufzuhalten respektive sie, sofern ihnen die Flucht nach Europa gelungen ist, in ihr Herkunftsland abzuschieben. Zu diesem Zweck hat die EU am Sonntag ein Abkommen mit Mali unterzeichnet. Es sieht unter anderem vor, dass die malischen Behörden den Kampf gegen Schleuser intensivieren und bei Bedarf Personal in die EU entsenden, um beim Nachweis der Staatsangehörigkeit von Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus zu helfen; aus der EU abgeschoben kann im Prinzip nur, wessen Herkunftsstaat zweifelsfrei feststeht. Ergänzend stellt Brüssel Mittel unter anderem zur Arbeitssuche im Herkunftsland bereit.7 Das Abkommen ist das erste seiner Art; weitere sollen unter anderem mit Senegal, Niger, Nigeria und Äthiopien geschlossen werden. Die Verbindung von Militäreinsätzen mit der Flüchtlingsabwehr zielt darauf ab, die unerwünschten Folgen westlicher Kriege und westlicher Subversion in den Ländern südlich, südöstlich und östlich von Europa (Terror, Migration) vom eigenen Kontinent fernzuhalten.

  1. Von der Leyen weitet Einsatz in Mali aus. www.fr-online.de 12.12.2016.
  2. Mali: Erster operationeller Flug der Heron. www.bundeswehr.de 01.11.2016.
  3. Airbus Betreibermodell mit Heron 1 Drohne ab November auch in Mali für die Bundeswehr im Einsatz. www.airbusgroup.com 21.07.2016.
  4. Denis M. Tull: Mali: Friedensprozess ohne Stabilisierung. SWP-Aktuell 75, November 2016. S. auch Wie in Afghanistan (II) und Die Militarisierung Westafrikas.
  5. siehe FN 4
  6. S. dazu Strategische Autonomie und Die Supermacht Europa.
  7. Von der Leyen weitet Einsatz in Mali aus. www.fr-online.de 12.12.2016.

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