18. Juni 2016 · Kommentare deaktiviert für „Griechenland will Tausende Migranten zurückschicken“ · Kategorien: Europa, Griechenland, Türkei · Tags:

Quelle: Zeit Online

Die Rückführung in die Türkei ist Kern des EU-Flüchtlingsdeals, funktioniert aber nicht. Nun will die griechische Regierung mehr als 4.000 Menschen abschieben.

Von Lenz Jacobsen

Mehr als die Hälfte der 8.400 Migranten auf den griechischen Inseln sollen in den nächsten Wochen in die Türkei gebracht werden. Das zumindest hat sich die griechische Regierung vorgenommen. „Es wäre ein Versagen, wenn innerhalb der nächsten anderthalb Monate diejenigen, die die Inseln verlassen müssen, das nicht tun“, sagte der Migrationsminister Mouzalas.

Die Überführung in die Türkei ist ein zentrales Element des Abkommens, das die EU im März mit der türkischen Regierung getroffen hatte. Es sieht vor, alle Migranten, die aus der Türkei nach Griechenland gekommen sind, dorthin zurückzuschicken – wenn sie dort sicher sind. Allerdings sind seit Anfang April insgesamt erst 486 Menschen auf diesem Weg zurückgeschickt worden. Die vielen Tausend anderen sind noch auf den Inseln, weil sie Asylanträge gestellt haben, die erst einzeln geprüft werden müssen, bevor die Rückführung beschlossen werden kann.

Damit aber sind die griechischen Behörden seit Wochen überfordert, trotz Unterstützung durch Beamte und Polizisten aus anderen EU-Ländern. Griechenland war bis zu diesem Frühjahr lediglich eine Durchgangsstation für Flüchtlinge auf dem Weg nach Zentraleuropa, Asyl beantragt hat hier kaum jemand. Deshalb fehlen nun die Erfahrung und die Infrastruktur im Umgang mit diesen Anträgen.

Außerdem können die Antragsteller noch Einspruch erheben, wenn sie zurück in die Türkei geschickt werden sollen. In einigen Fällen haben sie bereits Recht bekommen, weil die zuständige Asylkommission der Regierung die Türkei nicht als sicheren Drittstaat eingestuft hat. Bisher gibt es erst für zwei syrische Migranten Rückführungsbeschlüsse – und beide klagen dagegen.

Die Tausenden von Flüchtlingen auf den Inseln werden größtenteils in geschlossenen Lagern untergebracht, die sie nicht verlassen dürfen. Weil viele dort seit Monaten auf engem Raum warten und die Bedingungen schlecht sind, kommt es immer wieder zu gewaltsamen Protesten in den Lagern.

EU hält ihren Teil nicht ein

Am Tag vor den Äußerungen des Ministers hatte das Parlament zwei Mitglieder in jenem Gremium ausgetauscht, das über angefochtene Asyl- und Rückführungsbeschlüsse entscheidet. Die neuen Mitglieder sind Richter. Zuvor hatte das Gremium aus einem Beamten, einem Vertreter des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR, und einem vom griechischen Menschenrechtskomitee ausgesuchten Mitglied bestanden.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren, dass die Türkei sich nicht an europäische Standards im Umgang mit Flüchtlingen halte. Amnesty International hatte von Schüssen auf syrische Flüchtlinge an der Grenze durch das türkische Militär berichtet, die Regierung bestreitet das. Nur ein Bruchteil der Flüchtlinge in der Türkei lebt in staatlichen Lagern, die allermeisten schlagen sich selbst durch in den Städten des Landes.

Auch andere Teile des Abkommens funktionieren nicht wie geplant. So hatte die EU im Abkommen eigentlich angekündigt, mit der Umsiedlung von Syrern aus der Türkei in europäische Länder zu beginnen, wenn die Zahl der Ankommenden auf den griechischen Inseln deutlich zurückgegangen ist. Mittlerweile kommen kaum noch neue Flüchtlinge in Griechenland an, aber die Umsiedlungen haben bis jetzt nicht begonnen.

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