26. April 2016 · Kommentare deaktiviert für Erinnerung an Tragödie, nach der die Balkanroute geöffnet wurde · Kategorien: Balkanroute, Mazedonien

Quelle: derStandard

Vor einem Jahr wurden 14 Flüchtlinge in Mazedonien von Zug erfasst

Es ist ein schmaler Streifen mit weißen Steinchen in einem verwilderten Garten, unter dem die Toten ruhen. Der Imam sagt, dass wir alle Menschen bleiben sollten, dass es hier um einen Menschlichkeitstest gehe, dass Mazedonien den Flüchtlingen eine sichere Durchreise gewähren sollte. Der Imam betet, dass die Seelen der 13 Afghanen und des Somaliers ins Paradies kommen. „Das ist unsere islamische Tradition.“

Die Mazedonier, die hierhergekommen sind, schließen die Augen. Es ist ein warmer Frühlingstag, der Mohn blüht knallrot, auf allen Seiten umgeben sie sanfte, hellgrüne Hügel. Vergangenen Sonntag fand in der mazedonischen Stadt Veles eine Gedenkveranstaltung für jene 14 Flüchtlinge statt, die vor genau einem Jahr von einem Zug erfasst worden und zu Tode gekommen waren. „Das war der Tag, an dem alles anders wurde“ , erinnert sich Mersiha Smajlovic, die sich für die Flüchtlinge in Mazedonien einsetzt.

Bis zum Sommer 2015 wanderten sie auf den Bahngleisen durch Mazedonien – sieben bis acht Tage brauchten sie, um das Land zu durchqueren. Sicherheitskräfte nahmen viele Flüchtlinge fest und sperrten sie in das Anhaltelager in Gazi Baba. Dort mussten sie gegen die Schmuggler aussagen und warteten oft monatelang auf ihr Verfahren.

Durchreise legalisieren

Doch nach dem Unglück mit den 14 Toten wurde der Druck auf die Regierung stärker, die Durchreise zu legalisieren. Smajlovics NGO Legis hatte so lange lobbyiert, bis ein Gesetz erlassen wurde, wonach Flüchtlinge sich zumindest drei Tage in Mazedonien aufhalten durften und öffentliche Verkehrsmittel gebrauchen konnten.

Am 19. Juni 2015 trat das Gesetz in Kraft. Die Balkanroute war damit legalisiert und auch ein Stück weit geöffnet worden. Die Flüchtlinge reisten nicht nur mit Zügen und Bussen, sondern auch mit Taxis. Doch dann kam der immer dringendere Wunsch der Mitteleuropäer – insbesondere von Österreich und Slowenien – die Balkanroute wieder zu schließen.

Zurück zur Illegalität

Ein Jahr später scheint die Zeit zurückgedreht. Anfang April hat das mazedonische Parlament in einer Dringlichkeitssitzung das Gesetz, das die Durchreise und die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ermöglichte, wieder abgeschafft. Wenn Flüchtlinge mit Schmugglern erwischt werden, werden sie wieder in Gazi Baba festgehalten. Ihre einzige Chance ist, um Asyl anzusuchen. Dann werden sie freigelassen und können sich Schmuggler suchen, die sie für etwa 1500 Euro über Serbien nach Ungarn bringen.

„Eine Chance auf Asyl haben sie hier nicht. Denn Mazedonien hat auch die Nato-Staaten zu sicheren Drittstaaten erklärt. Alle können in die Türkei zurückgeschickt werden“, sagt Smajlovic. Weil Griechenland aber nur langsam auf die Rückführungsansuchen reagiere, würden die meisten „verschwinden“. An der Grenze zu Griechenland wird zuweilen der Zaun durchgeschnitten. Pro Tag kommen vielleicht 50 bis 100 Flüchtlinge bis nach Mazedonien durch. Die Polizei flickt und erweitert den Zaun dann wieder. Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel.

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