07. Februar 2016 · Kommentare deaktiviert für „Flüchtlingskrise: Österreich erwägt Militärmission auf dem Balkan“ · Kategorien: Balkanroute, Griechenland, Kroatien, Mazedonien, Österreich, Serbien, Slowenien · Tags: ,

Quelle: Spiegel Online

Die österreichische Regierung will die Balkanroute für Flüchtlinge abriegeln – und dafür notfalls auch das Bundesheer nach Mazedonien oder Serbien schicken.

Aus Amsterdam berichtet Markus Becker

Geht es um Flüchtlinge, ist Österreichs Außenminister Sebastian Kurz ein Freund markiger Worte. Griechenland müsse seine Grenze zur Türkei endlich besser absichern. „Wenn nicht, werden wir andere Wege finden“, sagte Kurz am Freitag bei einem Treffen der EU-Außen- und Verteidigungsminister in Amsterdam. Wie diese Wege aussehen, erklärte Kurz auch: Es gebe eine starke Bereitschaft in Mazedonien und anderen Staaten, „den Zustrom zu reduzieren, zu drosseln oder vielleicht sogar zu stoppen.“

Diese Bereitschaft will Wien offenbar nutzen – und notfalls Soldaten in die Balkanstaaten schicken, um die Grenzen zu sichern und Flüchtlinge zu registrieren. „Wenn Griechenland keine Hilfe annehmen möchte, sind Mazedonien und andere bereit, das zu tun“, sagte Kurz. Als weiteren Staat nannte er Serbien. Insgesamt seien drei Varianten möglich: eine Zusammenarbeit der gesamten EU, eine Koalition besonders betroffener Staaten oder aber bilaterale Vereinbarungen.

„Grenzsicherung ist auch eine Frage der Militärkooperation“

Wie sehr Österreich die Flüchtlingskrise inzwischen als Sicherheitsfrage begreift, wird auch daran deutlich, dass sich nun auch Österreichs neuer Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil in die Debatte einmischt. Auch er brachte am Freitag einen Einsatz des österreichischen Militärs in der Flüchtlingskrise ins Spiel. Es könne zu einer „militärisch-zivil gemischten Mission auf dem Balkan kommen“, sagte Doskozil. „Die Frage der Grenzsicherung und der Hotspots ist auch eine Frage einer Militärkooperation.“

Er verwies darauf, dass das Militär in Österreich bereits bei der Sicherung der südlichen Grenze eingesetzt werde. Auch habe Wien der EU-Grenzschutzagentur Frontex ein Kontingent von 100 Beamten angeboten, von denen die Hälfte aus dem Verteidigungsressort stamme. Die meisten von ihnen seien Soldaten. „Leider Gottes“, sagte Doskozil, seien sie bisher nicht von Frontex abgerufen worden.

Obwohl nicht Innen-, sondern Verteidigungsminister, ist Doskozil in der Flüchtlingskrise ein Mann vom Fach. Bevor er am 26. Januar Verteidigungsminister wurde, war er Chef der Landespolizeidirektion Burgenland. Der Lkw mit 71 toten Flüchtlingen etwa, der im August 2015 an einer Autobahn gefunden wurde, stand in Doskozils Gebiet.

Wien plant Treffen mit Balkanstaaten

Wie aus Kreisen des Wiener Verteidigungsministeriums verlautete, wird Österreich im März Vertreter von Serbien, Mazedonien, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Slowenien und Kroatien treffen, um die Möglichkeiten einer militärischen Mission auszuloten. Das Ergebnis solle dann beim darauffolgenden offiziellen Treffen der EU-Verteidigungsminister besprochen werden. Am Donnerstag habe es in Amsterdam auch ein informelles Treffen zwischen Doskozil und seiner deutschen Amtskollegin Ursula von der Leyen (CDU) gegeben. Über den genauen Inhalt des Gesprächs wurde nichts bekannt.

„Im schlimmsten Fall“, sagte Österreichs Außenminister Kurz, müssten die Flüchtlinge direkt an Österreichs Grenze gestoppt werden. In Athen und den Hauptstädten der Balkanstaaten dürfte das auch als Warnung verstanden werden. Denn der dann zu erwartende Rückstau Hunderttausender Flüchtlinge hat das Potenzial, insbesondere kleine Länder wie Slowenien, Montenegro oder Bosnien-Herzegowina im Nu zu destabilisieren.

Kurz betonte auch, dass die von Österreich ausgerufene Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen in diesem Jahr bei 37.500 liege – und dass man allein schon 30.000 Migranten über den Familiennachzug erwarte. Zudem hätten im Januar bereits 7000 Menschen Asylantrag in Österreich gestellt. Die Obergrenze wäre damit erreicht.

Österreich erhöht damit abermals den Druck auf Griechenland. Erst kürzlich hat die EU-Kommission der Athener Regierung bescheinigt, beim Schutz seiner Außengrenzen zu versagen – und droht inzwischen damit, Griechenland vorübergehend aus dem Schengenraum auszuschließen. Denn die Reisefreiheit innerhalb dieses Gebiets – das ist auch die Position der deutschen Regierung – kann nur dann gewährleistet werden, wenn der Schutz der Schengen-Außengrenzen funktioniert.

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siehe auch: Deutsche Wirtschafts Nachrichten

Flüchtlinge: Österreich wirbt für Militär-Einsatz auf dem Balkan

Österreich wirbt bei den EU-Partnern dafür, die Balkanroute dichtzumachen. Soldaten aus den EU-Staaten sollen dafür die Grenzen sichern. An der EU-Außengrenze abgefangene Flüchtlinge sollen zudem wieder in die Türkei gebracht werden.

Österreich erwägt offenbar eine Militärmission auf dem Balkan. Das Land wirbt bei den EU-Partnern dafür, Flüchtlinge notfalls mit Soldaten auf der Balkanroute aufzuhalten. Die Außenminister der EU-Staaten beraten an diesem Samstag in Amsterdam mit Vertretern aus Ländern wie Mazedonien, Serbien und der Türkei über die Flüchtlingskrise.

„Wir haben gerade in Mazedonien, aber auch entlang der Route in anderen Staaten eine starke Bereitschaft dazu, den Flüchtlingszustrom zu reduzieren, zu drosseln, vielleicht sogar zu stoppen“, sagte der österreichische Außenminister Sebastian Kurz beim Ministertreffen. Sein Land wolle bei den Partnern militärisch-polizeiliche Missionen ansprechen. EU-Soldaten könnten sich in Mazedonien und Serbien um die Grenzsicherung und die Registrierung von Flüchtlingen kümmern.

Kurz schloss auch den Einsatz von Soldaten aus EU-Staaten bei der Grenzsicherung nicht aus. Der österreichische Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil sprach von möglichen „militärisch-zivil gemischten Missionen“. Auch außerhalb Österreichs sei dies in der Flüchtlingskrise aber „nichts Neues“, sagte er. So komme die Hälfte der von Wien wegen der Flüchtlingskrise für die EU-Grenzagentur Frontex zugesagten 100 Beamten aus dem Verteidigungsressort.

Kritiker des österreichischen Kurses rief Kurz gleichzeitig zu Verständnis auf. Syrische Kriegsflüchtlinge, die aus dem Libanon, aus Jordanien oder aus der Türkei in die EU kämen, stellten letztlich aus einem rein wirtschaftlichen Grund ihren Asylantrag in Österreich, Deutschland oder Schweden, sagte er. Dies könne er menschlich „zu 100 Prozent nachvollziehen“, aber als Politiker habe er die Verantwortung, nicht zuzusehen. Einige wenige Staaten würde die Flüchtlingskrise schlicht und ergreifend überfordern, sagte Kurz.

Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann hat sich dafür ausgesprochen, Flüchtlinge an der griechischen EU-Außengrenze abzufangen und wieder in die Türkei zu bringen. „Das ist die einzige Maßnahme, die radikal wirkt und das Schlepper-Modell zur Gänze durchbricht“, sagte Faymann der „Kronen Zeitung“. Zusätzlich zu einer finanziellen Unterstützung sollten die EU-Mitgliedsstaaten im Gegenzug ein gewisses Kontingent an Flüchtlingen aus der Türkei aufnehmen.

Für die Rückführung der Menschen sollte die gemeinsame Grenzschutzagentur Frontex zuständig sein. „Dann wäre Frontex nicht mehr nur ein Rettungsprogramm, sondern tatsächlich auch ein Grenzschutzprogramm“, sagte Faymann der Tageszeitung Österreich.

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