20. Dezember 2015 · Kommentare deaktiviert für „Flüchtlingsfrage wird für EU zum Offenbarungseid“ · Kategorien: Europa · Tags:

Quelle: FAZ

Die EU scheitert an der Verteilungsfrage der Flüchtlinge. Doch so wie jetzt kann es im folgenden Jahr nicht weitergehen. Ein Kommentar.

von Nikolas Busse

In welch tiefer Krise die Europäische Union steckt, lässt sich daran ablesen, dass sie nach ihrem Brüsseler Gipfeltreffen eine Schlusserklärung veröffentlichen musste, die in weiten Teilen eine Selbstanklage ist. Nichts funktioniert richtig: die Sicherheitskontrollen an der Außengrenze nicht, die Einrichtung von Registrierzentren für Flüchtlinge nicht, die Prüfung ihrer Identität nicht, ihre Umsiedlung in Europa nicht, auch nicht ihre Abschiebung und die Bekämpfung des Schleusertums.

Eher Jahre als Monate

Die Erklärung ist ein bedrückendes Dokument des Scheiterns, ein Offenbarungseid eines ganzen Kontinents, der nicht den politischen Willen aufbringt, eine eigentlich lösbare Aufgabe zu meistern: seine Grenzen zu sichern und einen beispiellosen, aber im Prinzip immer noch steuerbaren Flüchtlingsstrom in Bahnen zu lenken, die für alle Beteiligten verkraftbar sind.

Die Bundeskanzlerin, deren Flüchtlingspläne damit in Brüssel festhängen, führt zur Rechtfertigung an, dass das Problem erst seit dem Sommer so drängend sei. In der Tat braucht die EU zur Problemlösung normalerweise eher Jahre als Monate. Aber ein gewisser Fortschritt auf den Zwischenetappen sollte schon erkennbar sein. Den muss man auch nach diesem Europäischen Rat wieder mit der Lupe suchen. Die Gruppe der Länder, die an einer „freiwilligen“ Umverteilung interessiert sind, ist von acht auf elf gewachsen.

Desto länger, desto schwieriger

Immerhin ist nun auch Frankreich dabei. Eine Verständigung über Zahlen oder Quoten gibt es aber weiterhin nicht. Und Präsident Hollande erweckte nicht den Eindruck, dass er über die bisherige Beschlusslage hinausgehen will. Die sieht bekanntlich nur die Verteilung von 160000 Flüchtlingen vor – was bis heute nicht klappt und mittlerweile auch viel zu wenig wäre.

So kann es im kommenden Jahr nicht weitergehen. Ohne europäische Einigung wird die geplante Zusammenarbeit mit der Türkei nicht funktionieren, der Zustrom nach Deutschland und in die zwei, drei anderen Zielländer bliebe hoch. Der Aufbau einer europäischen Grenzpolizei, über den jetzt schnell beraten werden soll, würde allenfalls mittelfristig Wirkung entfalten. Je länger die EU das Problem verschleppt, desto schwieriger wird die Lösung. Denn die Migranten lesen den Brüsseler Streit als Aufforderung, sich schnell noch auf den Weg zu machen, ehe es zu spät sein könnte.

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