16. Dezember 2015 · Kommentare deaktiviert für „Flüchtlinge in Griechenland: Messerstechereien und Prügeleien“ · Kategorien: Griechenland

Quelle: Telepolis

Überforderte Behörden: Aus Brüssel muss eine Lösung kommen, sonst ist die nächste Eskalation vorprogrammiert

Wassilis Aswestopoulos

Der griechische Premierminister Alexis Tsipras eilt am Mittwoch zunächst mit einer Delegation auf die Insel Chios. Dort möchte er sich vor Ort von der Lage in der Flüchtlingsfrage überzeugen. Direkt danach geht es nach Brüssel zum EU-Gipfeltreffen, wo am Donnerstag über das gleiche Thema beraten wird. In der Heimat des griechischen Premiers geht es derweil drunter und drüber.

Täglich per Fähre zwischen 2.500 und 3.500 Neuankömmlinge

Die europäischen Programme zur Umverteilung der Flüchtlinge unter den EU-Mitgliedstaaten scheinen nicht zu greifen. Nur 64 Flüchtlinge verließen Griechenland auf diesem Weg. Zehn davon gingen in die Bundesrepublik Deutschland nach Dresden.

Trotz des schlechten Wetters und der Vereinbarung der EU mit der Türkei kommen weiterhin täglich Flüchtlinge in wackeligen Schlauchbooten über die Ägäis. Die Überlebensrate der riskanten Aktion liegt im Jahresmittel bei 98 Prozent. Einer von fünfzig Flüchtlingen kommt bei der Überfahrt ums Leben. Bislang traf es mehr als 3.500 Personen, deren Tod weniger Aufmerksamkeit fand als das um die Welt gegangene Foto des toten Flüchtlingsjungen im September.

Von den Inseln kommen täglich per Fähre zwischen 2.500 und 3.500 Neuankömmlinge nach Piräus. Weil nur die Syrer, Afghanen und Iraker im Norden über die Grenze kommen, müssen sich alle übrigen im Athener Großraum zu den übrigen Flüchtlingen und Immigranten gesellen. Hier entsteht ein großes Konfliktpotential.

Die Sperre in Mazedonien, Suche nach alternativen Wegen

Die von der Grenze bei Idomeni in der letzten Woche per Bus nach Athen zurücktransportierten Flüchtlinge stehen dabei vor dem größten Problem. Wegen der strikten Regelungen der EJR Mazedonien können sie nicht wie die Syrer, Iraker und Afghanen bei Idomeni über die Grenze. Es gibt auch keine Hoffnung, dass sich daran in naher Zukunft etwas ändern wird.

Sie wollen nicht dauerhaft in Griechenland bleiben, können aber die gewohnte Balkanroute nicht mehr benutzen. Daher suchen sie nach alternativen Wegen. Bereits jetzt schwärmen Schlepper durch die Straßen, die entweder die Fahrt per LKW und via Fähre oder aber alternative Wege über Albanien anbieten. Seitens der griechischen Regierung gibt es dagegen Bestrebungen, die betroffenen Personen auf welchem Weg auch immer, aus dem Land heraus zu bekommen.

Zudem wird ein Paradoxon beobachtet. Zahlreiche Flüchtlinge reisen von Athen aus zurück auf die Insel, von der sie kamen. Sie geben an, dies aus touristischen Gründen zu unternehmen. Danach verliert sich, wie bei 70 derartigen Touristen auf Lesbos jede Spur.

Es kann nur spekuliert werden, ob die Rückreisenden weiter in die Türkei reisen, oder aber mit neuen Reisepapieren den nächsten Anlauf für eine Weiterreise unternehmen. In Athen möchte niemand bleiben.

Härte in Athen

Denn es gibt keine passenden Unterkünfte für sie und der Winter in Griechenland hat nach einer längeren Periode mit für die Jahreszeit zu milden Temperaturen eingesetzt. Die Winter in Athen zeichnen sich mit einer durchdringenden feuchten Kälte aus.

Vier Grad Celsius sind dabei gefühlt kälter als Minustemperaturen in Deutschland. Zudem sind die meisten Häuser wegen der hohen Energiepreise und der knappen Finanzmittel ungeheizt. Die überwiegend mit Betonkonstruktionen erbauten Wohnhäuser strahlen daher zunehmend Kälte ab.

Die internationale Flüchtlingshilfe stellt Griechenland die Mittel für Mietbeihilfen für 20.000 Flüchtlinge zur Verfügung. Die EU steuert 80 Millionen Euro bei. Dieser Betrag ist bereits für die im Land befindlichen Syrer kaum ausreichend. Für die übrigen hat das von der diktierten Sparpolitik finanziell erheblich geschwächte Land kaum Mittel.

Die zunächst geschaffene Notunterkunft im olympischen Taekwondo Stadion kann ab Donnerstag wegen einer dort stattfindenden internationalen Sportveranstaltung nicht mehr genutzt werden. Es wird am 17. Dezember geräumt, gereinigt und wegen zahlreicher Beschädigungen teilweise renoviert.

Was sich dort in den letzten Tagen abspielte, lässt nicht hoffen, dass es in einer alternativen Unterkunft friedlich zugehen wird. Im Stadion kam es zu Messerstechereien und Prügeleien unter den Flüchtlingen und Immigranten.

Es gab sogar Selbstmordversuche, wie zum Beispiel als ein Flüchtling glaubte, seines Mobiltelefons und Geldes beraubt worden zu sein. Die Gestrandeten sind so sehr verzweifelt und befürchten, mittellos im für sie zum Niemandsland gewordenen Griechenland gefangen zu sein.

Bewohner reagieren in Panik

Einige von ihnen, den Polizeiberichten gemäß überwiegend Marokkanern, kam es in den Sinn, im Lager mit Schutzgeldepressungen zu versuchen, ihr Fluchtkapital aufzubessern. In den Straßen rund um das Stadion wurden Kioske ausgeraubt. Gruppen von jungen Flüchtlingen zogen auch im finanziell besser gestellten Vorort Faliro am Strand entlang und durch die Straßen und versuchten, mit aggressivem Betteln an Geld zu kommen. Die Bewohner von Faliro sind anders als die Innenstadtbewohner Athens an solche Situationen nicht gewöhnt und reagierten in Panik.

Wie nicht anders zu erwarten schlägt sich der Bürgerunmut in Äußerungen der jeweiligen Bürgermeister nieder. Die Stadtoberhäupter von Athens südlichen Vororten möchten keine Flüchtlinge in ihren Gemeinden beherbergen, sie protestieren. Dennoch hat die Regierung beschlossen, im Gelände des ehemaligen Flughafens von Athen, Elliniko, ein riesiges Lager zu errichten.

Das für Privatisierungen feil gebotene, und zum Teil bereits an die Lamda Development des Milliardärs Latsis verkaufte, Flughafengelände hat die dreifache Größe des Fürstentums Monaco und liegt in mitten eines der teuersten Wohngebiete Attikas. Es ist nur eine Übergangslösung.

Nach Diskussionen mit den Bürgermeistern von Alimos, Glyfada und Argyroupoli wurde das Hockey Stadion als schnell einzurichtende Flüchtlingsunterkunft für drei Monate avisiert. Auch diese staatliche Immobilie steht zum Verkauf, so dass die Zustimmung der griechischen Treuhandanstalt ebenfalls eingeholt wurde.

Immigrationsminister Mouzalas möchte nun straffällig gewordene Flüchtlinge ebenso wie die als Immigranten Eingestuften zügig abschieben. Nicht immer trifft dies die Richtigen.

Nächste Eskalation ist vorprogrammiert

Einige Flüchtlingsfrauen, die als Aufrührer in die provisorische Abschiebehaftanstalt für Frauen am Ellinikoflughafen eingewiesen wurden, begannen am Dienstag einen Hungerstreik. Sie klagen wegen der ungeheizten Unterkunft, der schlechten Verpflegung, fehlender Decken und, weil sie sich unschuldig fühlen.

Ähnliche Zustände werden auch diejenigen erleben, die nicht abgeschoben werden sollen. Denn wegen der Platznot wird die Regierung die ehemaligen Konzentrationslager genannten Einrichtungen bei Amygdaleza nahe Athen und in Korinth wieder in Betrieb nehmen.

Darüber hinaus klagen die Behörden des Landes, dass sie personell, finanziell und von der Ausstattung her nicht mehr in der Lage sind, den Flüchtlingsandrang aufzuarbeiten.

Die nächste Eskalation ist somit vorprogrammiert, wenn sich angesichts des stetig anhaltenden Zustroms von Flüchtlingen nach Griechenland in Brüssel keine praktikable Lösung findet.

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siehe auch: Griechenland-Blog

Bandenkriege zwischen Immigranten in Griechenland

Die Situation in den Einrichtungen in Griechenland, in denen Immigranten vorübergehend beherbergt werden, gerät mittlerweile außer Kontrolle.

Es liegen Meldungen über die Existenz von Banden vor, die in Not befindliche Menschen erpressen und misshandeln und Zerstörungen an öffentlichem Vermögen verursachen. Es herrschen ständige Spannungen in den geschlossenen Sporteinrichtungen und die Polizei vermag der Lage nicht Herr zu werden.

Marokkaner und Algerier erpressen Schutzgelder von Immigranten

Schockierend sind die Fotos des „Werkes“, das Banden wie jene hinterlassen, die im Gemeindeteil Elliniko ihr Unwesen treibt und das geschlossene Hockey-Stadion verwüstete. Sie verursachen jedoch nicht nur Zerstörungen in den Einrichtungen, in denen sie beherbergt werden. Wie Giannis Konstantatos, Bürgermeister von Elliniko – Argyroupoli, im Gespräch mit dem TV-Sender Mega monierte, verkauft eine Bande von Marokkanern (wobei unbekannt ist, ob es die selbe ist, die das Hockey-Stadion demolierte) anderen Immigranten „Schutz“! (Anderen Quellen zufolge soll es auch entsprechende Banden von Algeriern geben.)

„Ich fand einen Iraner mit einem gebrochenem Arm und einen buchstäblich gehäuteten Algerier vor. Sie berichteten mir, eine Gruppe Marokkaner erpresse sie und habe zu ihnen gesagt, ihnen entweder ihr Geld zu geben oder von hier zu verschwinden. Das Ergebnis ist, dass sie ihnen ihre Kleidung wegnehmen, sie verprügeln und sie aus dem Zentrum hinauswerfen„, sagte Giannis Konstantatos. Es bedurfte des Eingreifens zweier Spezialeinheiten (MAT) der Polizei, damit die Gemüter sich abregen. Die auf vimaonline.gr veröffentlichten Fotografien sind bezeichnend.

Angespannt ist auch die Lage im sogenannten Taekwondo-Stadion im Athener Stadtbezirk Palio Falyro, wohin in den vergangenen Tagen tausende Wirtschaftsflüchtlinge von Idomeni gebracht worden sind, da zu den schwierigen Lebensbedingungen Spannungen zwischen Immigranten hinzukommen, was das Eingreifen der Polizei zum Ergebnis hatte.

Regierung weiß nicht, wohin mit den Wirtschaftsflüchtlingen

Spannung entstand am Samstag (12 Dezember 2015) im Morgengrauen, als Wirtschaftsimmigranten meldeten, eine Bande von Marokkanern verlange von ihnen Geld und Kleidung und ihnen drohe, sie anderenfalls aus der Anlage zu vertreiben. Die verursachte Spannung führte zum Eingreifen der Polizei, die zur Vorführung der Beschuldigten (bzw. laut einer anderen Quelle über 100 in die Episoden verwickelter Immigranten) schritt und sie aus der Anlage entfernte. Während der Dauer der Polizeiaktion soll Informationen zufolge ein Marokkaner versucht haben, sich das Leben zu nehmen. Laut Landsleuten von ihm war der Immigrant außer sich geraten, wobei sie jedoch nicht zu begründen vermochten, was seinen Verhaltensausbruch hervorgerufen habe.

Gespannt war die Lage jedoch auch am weiteren Samstagmorgen, da neue Streitereien zwischen Immigranten aus Marokko und anderen Ländern verzeichnet wurden und erneut starke Polizeikräfte zu der Einrichtung eilten, damit es keine Zusammenstöße gibt. Die Polizei trennte von den übrigen diverse Immigranten, die andauernd Probleme verursachen, während bei dem geschlossenen Taekwondo-Stadion ein großes Polizeiaufgebot verbleibt. Informationen zufolge ist es möglich, dass gewisse Immigranten an einen anderen Ort gebracht werden.

In die Anlagen des Stadions wurden derweilen am Samstag auch die ungefähr 400 Immigranten aus dem Hockey-Stadion in Elliniko gebracht, das am Samstagmorgen geschlossen wurde, da es als „nicht (mehr) funktional“ beurteilt wurde. Das Resultat ist, dass in diesem Moment die Anzahl der Wirtschaftsflüchtlinge im Taekwondo-Stadion 2.500 überstiegen hat.

Es wird angemerkt, dass auch die Lösung des Taekwondo-Stadions in Palio Faliro vorläufig ist, da die Einrichtung von der Regierung bis zum 17 Dezember 2015 übergeben worden sein muss. Im selben Moment steigern die lokalen Bürgermeister die Tonlage in der Kollision mit der Regierung wegen der Verlegung der Wirtschaftsflüchtlinge von dem nordgriechischen Grenzübergang bei Idomeni nach Attika, aber hauptsächlich auch nach Äußerungen des Premierministers am vergangenen Freitag (11 Dezember 2015) im Parlament, in denen er unterstrich, „jetzt werden diverse Bürgermeister zu popularisieren beginnen und sagen, die Flüchtlinge sollen in eine Nachbargemeinde gehen„.

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