01. Dezember 2015 · Kommentare deaktiviert für „Türkei: 1.300 Migranten von der Küstenwache festgenommen“ · Kategorien: Europa, Türkei · Tags: ,

Quelle: Telepolis

Der gemeinsame Aktionsplan zwischen Türkei und der EU wird vom neuen Türsteher schnell umgesetzt

von Thomas Pany

Ein Interview im österreichischen Standard mit de Maizère hatte kürzlich für „grenzüberschreitende Aufregung gesorgt“. De Maizière musste danach bei Merkel „zur Kopfwäsche antreten“, berichtete die österreichische Zeitung.

Grund des Vorfalls ist eine Petitesse. De Maizière hatte die Grenzsicherung in Griechenland als „unzureichend“ bezeichnet und in diesem Sinne angekündigt, „dass Deutschland und Österreich jeweils auch noch einen Hotspot-Berater nach Athen schicken, direkt in die Verbindungsstelle der Griechen“. Das seien Interna, die öffentlich nicht ans Licht kommen sollten, soll sich Tsipras gegenüber Merkel beschwert haben.

Das Drängen der deutschen Regierung auf geordnete Bahnen

Was die Aufregung schürt, die darunterliegende Hitze, kommt vom Drängen der deutschen Regierung, etwas wieder „gutzumachen“, in geordnete Bahnen zu lenken, wozu sie selbst beigetragen hat: den unkontrollierten Zuzug der Flüchtlinge, das „Durchwinken“ an den Grenzen. Ein Dreh-und Angelpunkt des Interviews war der „feste Schutz der EU-Außengrenzen“. Darauf ist die Flüchtlingspolitik nun maßgeblich ausgerichtet.

Mit der Türkei hat die EU, wo Deutschland eine mächtige Rolle spielt, einen neuen Türsteher gefunden, den man reichlich beschenkt, wie auch türkische Journalisten kommentieren. Der Türsteher zeigte schon am Tag, an dem der gemeinsame Aktionsplan wurde, wozu er imstande ist.

Am Sonntag wurden 1.300 Migranten aus Syrien, Afghanistan, aus dem Irak und aus Iran von der türkischen Küstenwache festgenommen. Laut einem Bericht von Hürriyet waren 250 Polizeioffiziere beteiligt, um an acht Orten in der Nähe der Küste oder an der Küste simultan Migranten davon abzuhalten, nach Lesbos zu übersetzen.

Die Aktion soll in der Provinz Çanakkale stattgefunden haben. Die aufgegriffenen Flüchtlinge wurden in ein Aufnahmeeinrichtung in Ayvacik gebracht, das eigentlich nur eine Aufnahmekapazität von 84 Personen hat – was an Szenen denken lässt, die sich Anfang September am Bahnhof in Budapest zugetragen hatten, womit die Durchwinkpolitik begann. Aber Ayvacik ist weit weg und Medien sind nicht präsent.

Weitreichende Annäherung

Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die Migranten wieder abgeschoben, auch das ist ein Unterschied. In der Nachricht von der Grenzsicherungsaktivität der türkischen Küstenwasche wird auch notiert, dass man drei mutmaßliche Schlepper festgenommen habe.

Dazu werden am Ende Zahlen genannt, die die Dimension vor Augen halten sollen: Laut der Internationalen Organisation für Migration wurden im bisherigen Jahr 653.075 Flüchtlinge verzeichnet, die in Griechenland angekommen sind. Allein im Oktober sollen es 220.000 Flüchtlinge gewesen sein, die übers Meer in Griechenland angekommen sind. Die Zahlen tauchen auch in einem Bericht der Nachrichtenagentur Anadolu auf. Dort wird allerdings lediglich von 752 Migranten berichtet, die am Sonntag von der Küstenwache festgenommen und damit an der Weiterreise zur Insel Lesbos gehindert wurden.

Unstrittig ist, dass der Preis für den neuen Grenzwächter hoch ist. Wie der oben genannte Hürriyet-Kommentator aufmerksam macht, hat die Türkei am Tag des EU-Sondergipfels bekannte Journalisten, Can Dündar und Erdem Gül verhaften lassen, die für die Regierung unangenehme Dinge enthüllten. Die Kurden im Südosten der Türkei können auch viel zur Härte und dem Terror der Regierung in Ankara erzählen. Die Menschenrechte sind im Augenblick Nebensache. Die türkische Regierung profitiert von dieser Sichtweise.

Merkel wird vom Standard zum „Türkei-Deal“ so wiedergegeben:

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte, man habe sich die weitreichende Annäherung zur Türkei „noch vor ein paar Wochen nicht vorstellen können“.

Beitrag teilen

Kommentare geschlossen.