21. November 2015 · Kommentare deaktiviert für „Balkanroute nicht mehr für alle offen“ · Kategorien: Balkanroute, Kroatien, Mazedonien, Serbien, Slowenien · Tags:

Quelle: NZZ

Pauschale Zurückweisung von Flüchtlingen aus Afrika und asiatischen Ländern

Auf dem Westbalkan werden nur noch Syrer, Iraker und Afghanen durchgelassen. Das fragwürdige Regime trägt indes nur wenig zur Begrenzung des Flüchtlingsstroms bei.

Marco Kauffmann Bossart, Istanbul

Für Migranten aus Pakistan, Eritrea, Iran oder Somalia endet die Reise nach Europa an der griechisch-mazedonischen Grenze. Seit Donnerstag wird nur noch Syrern, Afghanen und Irakern die Einreise erlaubt. Nach demselben Kriterium filtern auch Serbien, Kroatien und Slowenien die Menschenmenge auf der Balkanroute. Im Niemandsland zwischen Mazedonien und Griechenland sowie im Grenzgebiet anderer Balkanstaaten sassen in der Folge Hunderte von Personen fest, die sich nicht als Bürger eines der drei Länder ausweisen konnten. Zunächst war nicht klar, ob es sich um eine temporäre Sperre handelt. Das neue Regime wurde ohne Vorankündigung in Kraft gesetzt.

Allem Anschein nach fing Slowenien damit an, die Flüchtlinge nach Nationalität auszusortieren. Die anderen Transitländer auf der Balkanroute zogen in einem Art Dominoeffekt nach, weil sie nicht für längere Zeit Menschen beherbergen wollen oder können, denen die Weiterreise verwehrt ist.

Der Kurswechsel gründet offenkundig auf der Idee, Personen zurückzuhalten, die nur geringe Chancen haben, in den von ihnen bevorzugten Zielländern wie Deutschland und Schweden Asyl zu erhalten. Doch greifen die Balkanstaaten jetzt zu einem kruden Kriterium. Ist ein Somalier oder Iraner generell weniger gefährdet als ein syrischer Kurde oder ein Gesuchsteller aus dem relativ stabilen Nordirak?

Theoretisch bleibt den pauschal Zurückgewiesenen die Möglichkeit, in Griechenland oder der Türkei Asyl zu beantragen. Humanitäre Organisationen vermuten, dass stattdessen auf riskantere Fluchtrouten, etwa über Albanien oder Italien, ausgewichen wird. Willkürlich mutet die Segregation auch deswegen an, weil die Balkanländer zwar betonen, sie liessen Personen aus Kriegsgebieten passieren, sie aber drei Nationalitäten herauspicken.

Aus Protest gegen den Einreisestopp blockierten am Freitag Migranten aus Iran, Pakistan und Nordafrika eine Eisenbahnstrecke an der Grenze zwischen Mazedonien und Griechenland. Nach Einschätzung von Hilfsorganisationen wie Médecins sans Frontières besteht die Gefahr, dass Menschen ohne Unterkunft, Nahrung und Hilfe auf dem Balkan stranden. Kroatien kann nach eigenen Angaben lediglich 500 Migranten für länger Zeit unterbringen, in Mazedonien soll es 2000 Aufnahmeplätze geben.

Der mazedonische Regierungschef Nikola Gruevski warnte die Europäische Union, sein Land wie eine Pufferzone zu behandeln. Er spielte damit auf Gerüchte an, wonach die EU-Mitglieder Kroatien und Slowenien den Kurswechsel zuvor mit Brüssel abgestimmt hätten. Gruevski meinte bei einem Besuch in Budapest vieldeutig, er lasse sich informieren, wie Ungarn – das sich mit Zäunen abriegelte – die Krise bewältige. Mazedonien errichtet ebenfalls einen Zaun, angeblich um den Personenverkehr besser zu steuern.

Die Segregationspolitik dürfte den Zustrom auf der Balkanroute nur unwesentlich dämpfen. Nach Angaben des Uno-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) in Athen kommen rund 50 Prozent der Asylsuchenden aus Syrien, rund 30 Prozent sind Afghanen, und 10 Prozent tragen irakische Papiere mit sich. Ungeachtet des anbrechenden Winters erreichen täglich zwischen 3000 und 5000 Menschen die griechischen Ägäisinseln.

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