19. November 2015 · Kommentare deaktiviert für „Handelsreisender in der Flüchtlingskrise“ · Kategorien: Griechenland, Türkei · Tags:

Quelle: NZZ

Griechenlands Ministerpräsident Tsipras erstmals in der Türkei

Vom Ansturm der Flüchtlinge überwältigt, möchte Griechenland die Türkei stärker einbinden. Territoriale Dispute erschweren eine Annäherung.

Marco Kauffmann Bossart, Istanbul

Es hat zehn Monate gedauert, bis Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras der Türkei einen Arbeitsbesuch abstattete. Der Linkspolitiker war in seiner ersten Amtszeit und nach der Wiederwahl im September dermassen mit der Wirtschaftskrise beschäftigt, dass er ausschliesslich nach Brüssel reiste.

Die Eskalation der Flüchtlingskrise liess aber einen Dialog mit Ankara als vordringlich erscheinen. Seit Tsipras‘ Amtsantritt gelangten rund 650 000 Migranten nach Griechenland, die meisten über die gefährliche Seeroute auf eine der Ägäisinseln, die dem Andrang nicht gewachsen sind. Zudem kommt es oft zu tödlichen Unfällen. Am Dienstag, als Tsipras nach Istanbul flog, ertranken vor Kos neun Migranten. Griechenland sieht primär das Nachbarland in der Pflicht, da es dessen Aufgabe sei, die Boote in den eigenen Hoheitsgewässern abzufangen. Athen fordert wie die EU ein schärferes Vorgehen Ankaras gegen Menschenschmuggler und die Errichtung von Erfassungszentren auf türkischem Boden. Damit sollen die Schutzsuchenden davon abgehalten werden, ihre Flucht fortzusetzen. Stattdessen könnten sie geordnet auf die EU-Länder verteilt werden.

Zur Frustration Athens misst Ankara der Grenzsicherung in der Ägäis geringe Priorität zu. Zudem wird ein 2009 unterzeichnetes Abkommen zur Rückführung von Migranten bis anhin nicht umgesetzt. Gemäss griechischem Aussenministerium nimmt die Türkei weniger als ein Prozent der Migranten zurück. An dieser Haltung dürfte sich kaum etwas ändern, solange die verlangten Gegenleistungen ausbleiben: Neben Finanzhilfen in der Grössenordnung von 3 Milliarden Euro dringt die Türkei auf Visaerleichterungen und eine Beschleunigung der EU-Beitrittsverhandlungen. Das Schwellenland beherbergt laut offiziellen Zahlen über 2 Millionen syrische Flüchtlinge.

Tsipras, der sozusagen als Botschafter der EU in die Türkei reiste und sich vorweg mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel abgestimmt hatte, dürfte insbesondere bei den Visaerleichterungen Hand bieten, zumal man sich davon eine Belebung des Tourismus erhofft. Bezüglich des EU-Beitrittsprozesses hingegen hat Athen ähnliche Vorbehalte wie Nikosia. In einem Artikel für die regierungsnahe türkische Zeitung «Daily Sabah» plädierte Tsipras für eine «gerechte» Lösung des Zypernproblems. 1974 hatte die türkische Armee den Norden der Insel besetzt. International anerkannt ist einzig der griechischzypriotische Süden. Die Republik Zypern kann als EU-Mitglied ebenso Einspruch gegen die Eröffnung weiterer Verhandlungskapitel erheben wie Griechenland. In Ankara, wo Tsipras von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan und Ministerpräsident Ahmet Davutoglu empfangen wurde, sagte der griechische Gast, er sehe das EU-Beitrittsgesuch in einem positiven Licht – sofern bestimmte Bedingungen erfüllt seien.

Nach einem Regierungswechsel im türkischen Teil Zyperns haben die Gespräche über eine Wiedervereinigung mit dem Süden Auftrieb erhalten. Aber ein Durchbruch ist noch nicht absehbar. Im Oktober wurde eine Unterwasserleitung vom «Mutterland» nach Nordzypern eröffnet. In der Optik Nikosias treibt die Türkei damit die Integration von illegal okkupiertem Land voran. An der Pressekonferenz mit Tsipras sprach Davutoglu indes von einer günstigen Gelegenheit für Fortschritte bezüglich Zypern.

Territoriale Dispute erschweren auch die Überwachung der Flüchtlingsrouten. Wegen umstrittener Seegrenzen in der Ägäis lehnt Tsipras Patrouillen mit der Türkei, wie sie Brüssel angeregt hatte, dezidiert ab. Die Türkei kann dieser Idee offenbar ebenfalls wenig abgewinnen. Als Kompromiss denkbar sind Einsätze, welche die Europäische Grenzschutzagentur Frontex koordinieren würde. Davutoglu kündigte am Mittwoch einen Dreiergipfel in der Flüchtlingsfrage an, an dem Griechenland, die Türkei und Deutschland teilnehmen sollen. Ein Datum wurde nicht genannt.

Tsipras‘ Besuch wurde von einem unerfreulichen Zwischenfall begleitet. Zusammen mit Davutoglu wohnte er einem Freundschaftsspiel der Fussballnationalmannschaften beider Länder bei. Während der Schweigeminute für die Opfer für Paris pfiffen und johlten einige türkische Fans und riefen: «Allah Akbar.»

:::::

siehe auch: Ekathimerini

Tsipras, Davutoglu agree to improve coordination on refugees

Greece and Turkey agreed on Wednesday on closer coordination in addressing the refugee crisis but Prime Minister Alexis Tsipras was not able to secure a commitment during his visit to Ankara that the Turkish government will accept the creation of so-called hotspots on its territory.

On the second and final day of his visit to Turkey, Tsipras held talks with his counterpart, Ahmet Davutoglu, before meeting Turkish President Recep Tayyip Erdogan for about 40 minutes.

Tsipras and Davutoglu held a joint press conference after their meeting. They agreed that the two countries have to work more closely to tackle human traffickers and prevent refugees and migrants from drowning as they sail from Turkish shores in the hope of reaching the Greek islands.

“Our first priority should be to end the humanitarian tragedy in the Aegean Sea,” said Tsipras. “We need to take more steps toward coordination, understanding in order to effectively hit the smuggling rings which are an insult against human dignity. They do not hesitate to jeopardize people’s lives.”

Tsipras revealed that the two sides had agreed to create a new position at each country’s embassies so that coast guard attaches could be installed in Athens and Ankara.

The prime minister said that cooperation between the Greek and Turkish coast guards would begin “straightaway.”

There was also an agreement for officials from the two countries’ interior, public order and migration policy ministries to form joint committees to tackle the refugee crisis.

However, Tsipras did not appear to have made a breakthrough in convincing Davutoglu to allow the relocation of refugees to take place from camps, or hotspots, in Turkey rather than in Greece. Athens has argued over the last few weeks that this would be the best way of tackling the problem but Davutoglu appeared to bypass this request and, instead, highlight the need for the war in Syria to be brought to an end.

“Neither Turkey nor Greece are responsible for the refugee crisis,” Davutoglu said. “They are both the victims of the Syrian crisis.”

He called for a political solution to end the bloodshed in Syria, and said: “A final solution passes through Damascus.”

It was revealed on Wednesday that Greek authorities were questioning two Syrian men who had arrived on Kos on Tuesday as part of a larger group of migrants.

Coast guard officers deemed their behavior suspicious so the two men were handed over to National Intelligence Service (EYP) agents before being transferred to Athens for further questioning. Authorities said they found pictures of fighting in Iraq and Syria on their mobile phones but had not discovered any links with terrorist groups.

The mood during Tsipras’s talks with Davutoglu was said to be warm, and both men spoke encouragingly about the prospects for successful reunification talks on Cyprus.

“There is a window of opportunity right now over the Cyprus issue,” said the Turkish premier. “We have a common approach with Greece to contribute positively to the talks.”

Kommentare geschlossen.