11. November 2015 · Kommentare deaktiviert für „EU will Zentren für Flüchtlinge auf dem Balkan“ · Kategorien: Balkanroute, Deutschland, Europa, Griechenland · Tags:

Quelle: T-Online

Der Ansturm von Flüchtlingen nach Griechenland ist ungebrochen, doch die Hotspots dort sind noch im Aufbau. Um dem Chaos Herr zu werden haben die Innenminister der EU-Länder sich darauf verständigt, in den Balkanländern Zentren zur Registrierung von Flüchtlingen zu schaffen.

„Es ist unmöglich, von Griechenland zu verlangen, jeden Tag 10.000 Flüchtlinge aufzunehmen“, betonte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Diese Bearbeitungszentren sollten die im Aufbau befindlichen „Hotspots“ in Griechenland entlasten, so Asselborn, dessen Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft ausübt.

„Wir können uns eine kritische Situation vor unseren Toren nicht erlauben“, sagte er. „Es geht darum, die Ströme zu kontrollieren.“ Ziel sei aber keineswegs, Migranten zu internieren oder einzusperren.

Tausende Menschen kämen täglich auf den Inseln an. Die griechischen Behörden könnten nicht alle Anträge dieser Personen bearbeiten, Fingerabdrücke nehmen und schließlich Entscheidungen fällen, die große Auswirkungen auf das Leben der Ankommenden hätten. Stattdessen könnten laut Asselborn Bearbeitungszentren in den Balkanländern aufgebaut werden, die Asylanträge bearbeiten und über Rückführungen entscheiden.

Woher das Personal für diese Stellen stammen soll, ist allerdings unklar. Die EU-Staaten hinken bereits bei der Bereitstellung von Mitarbeitern für die zuständigen EU-Agenturen hinterher.

Erst ein Hotspot einsatzbereit

Die EU hatte eigentlich geplant, dass Migranten nach der Ankunft in Erstaufnahmezentren in Griechenland und Italien registriert und gegebenenfalls von dort schon zurückgeschickt werden sollten. Bisher ist nach Angaben von EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos aber nur der Hotspot auf der italienischen Insel Lampedusa voll einsatzfähig, ein weiterer auf der griechischen Insel Lesbos soll seine Arbeit Ende nächster Woche aufnehmen.

EU-Vertretern zufolge entstanden die Pläne für die Bearbeitungszentren durch die Befürchtung, dass Deutschland, Schweden oder andere Zielländer der Flüchtlinge angesichts des anhaltenden Ansturms ihre Grenzen schließen könnten. Damit könnten Schutzsuchende, die nicht in Griechenland registriert wurden, während des Winters auf dem Balkan stranden.

Ende Oktober hatten die Länder des Westbalkan und eine Reihe von EU-Staaten vereinbart, 50.000 vorübergehende Plätze entlang der Balkanroute zu schaffen. Nach Angaben von EU-Vertretern könnte dieser Ansatz mit den Plänen der Bearbeitungszentren kombiniert werden.

Tusk fordert deutsche Führungsrolle

EU-Ratspräsident Donald Tusk hat unterdessen seine Forderung nafch einer starken Führungsrolle Deutschlands in der Flüchtlingskrise wiederholt. Dies gelte vor allem für drei zentrale Aufgaben, sagte Tusk bei einem Besuch in Berlin: die Außengrenzen der Europäischen Union zu sichern, radikalen Populismus zu bekämpfen und das westliche Bündnis zu stärken.

„Europas Zukunft wird zu einem großen Ausmaß von Deutschlands Haltung in der Flüchtlingskrise abhängen“, sagte Tusk in seiner „Europa-Rede“. Deutschland müsse sich deshalb entschlossen und ohne historische Komplexe um die europäischen Außengrenzen kümmern. Tusk betonte, das Schengen-System der offenen Innengrenzen könne nur mit einer entschlossenen Sicherung der Außengrenzen bewahrt werden. Allerdings müsse auch klar sein: „Europa kann nicht alle akzeptieren, die in unseren Kontinent kommen wollen.“

Kanzlerin Angela Merkel habe verstanden, was Solidarität bedeute: „Einen Teil der eigenen Interessen für das gemeinsame Gut Europa opfern. Oder für Menschen in Not, also die Flüchtlinge.“ Gleichzeitig müsse Europa im eigenen Interesse Solidarität mit Deutschland zeigen, sagte der frühere polnische Ministerpräsident, der bei seinem Besch auch mit Merkel gesprochen hatte.

„Überleben Europas hängt an Deutschland“

„Ob Europa überlebt als Kontinent der Freiheit, der Herrschaft des Rechts, des Respekts vor dem Individuum und als Kontinent der Sicherheit für seine Bürger wird zu einem großen Teil von den Deutschen abhängen. Aber natürlich auch von den 27 anderen Nationen“, sagte Tusk weiter.

Tusks Auftritt war die sechste „Europa-Rede“, die seit 2010 immer am 9. November, dem Tag des Mauerfalls, in Berlin gehalten wird. Die Veranstaltung ist ein Kooperationsprojekt der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Robert Bosch Stiftung sowie der Stiftung Zukunft Berlin.

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