08. November 2015 · Kommentare deaktiviert für „Asylpolitik: CSU und de Maizière im Offensivmodus“ · Kategorien: Deutschland · Tags: ,

Quelle: Telepolis

von Florian Rötzer

Die Regierungskoalition hat das Merkel-Problem, keine Politik zu haben und nur panisch reagieren zu können

Man darf davon ausgehen, dass Bundesinnenminister de Maizière keine Entgleisung unterlaufen ist, als er nach dem Kompromiss der Regierungskoalition zu den Registrierzentren plötzlich aufbrachte, dass syrische Flüchtlinge nur noch subsidiärer Schutz gewährt werden sollte. Gemeint ist damit, dass selbst die Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien erst einmal nur ein Bleiberecht von einem Jahr erhalten sollen, Familiennachzug ausgeschlossen. Das sollte zugleich eine abschreckende Botschaft an alle Flüchtlinge sein, aber auch eine Botschaft an die besorgten Deutschen, dass die Regierung willens ist, den Zustrom zu kappen und es selbst syrischen Flüchtlingen schwer zu machen.

Das Innenministerium ruderte nach dem ersten Aufschrei schnell zurück. Macht aber nichts, die Karte ist jetzt gezückt – und das sollte sie wohl auch, denn die CSU hatte mit der Einigung auf die Registrierzentren nachgeben müssen, was sie aber nicht auf sich sitzen lassen wollte. In Teilen der CDU wächst auch die Kritik zu Merkels Asylpolitik. Vermutlich sollte und wollte de Maizière austesten, wie weit man die Einschränkung des Asylrechts, immerhin in der deutschen Verfassung ein Grundrecht, ausreizen kann.

Schon zuvor hatte Edmund Stoiber, der frühere bayerische Ministerpräsident, die Lage schon am Sonntag bei Günter Jauch klar gemacht. Der Asylgipfel war gescheitert, ohne Gabriel hatten sich Merkel und Seehofer in einem Positionspapier auf Transitzonen an der Außengrenze Deutschlands geeinigt. Nach Stoiber sei damit beschlossen worden, die anderen europäischen Regierungen zur Solidarität zu zwingen, indem die Grenzen mehr oder weniger nicht nur für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern, sondern auch aus sicheren Drittländern dicht gemacht werden sollen (Wollen Merkel und Seehofer statt einer „Obergrenze“ mit den Transitzonen gleich die Grenzen ganz schließen?).

Davon war zwar in dem gemeinsamen Papier keine Rede, wo nur von Flüchtlingen aus sicheren Herkunftsländern und einigen Ausnahmen gesprochen wurde, doch auch auf mehrmalige Nachfrage wollte Stoiber keine klare Grenze zwischen Flüchtlingen aus sicheren Herkunftsländern und sicheren Drittstaaten ziehen. In diese können Flüchtlinge nach Dublin III zurückgeschoben werden, wenn sie aus diesen nach Deutschland kamen. Stoiber ging es um Österreich, vor allem aber darum, Deutschland durch die Wiederherstellung von Dublin III zu entlasten.

Zumindest war dadurch klar, dass die CSU in der Angst, durch eine weiche Asylpolitik an Rückhalt zu verlieren, oder in der Hoffnung, durch eine Orban-ähnliche Haltung an Einfluss zu gewinnen, auf Konfrontation setzt („Das Ganze dient dazu, mehr Ordnung in das System zu bekommen„). Das Drohen mit einer Verfassungsklage unterstreicht dies. In dem Positionspapier wurde auch anvisiert, Flüchtlinge nach Afghanistan oder Pakistan abzuschieben, während auch immer wieder mal Überlegungen auftauchten, dass doch auch nicht ganz Syrien ein Kriegsgebiet sei. Welche Regionen in Afghanistan oder in Syrien sicher sein sollen, dazu wurden allerdings keine konkreten Angaben gemacht (Union will Flüchtlinge aus Afghanistan und Bangladesch „zurückführen“).

Dann kam die überraschende Einigung der Regierungskoalition. Die CSU gab sich zunächst erfreut, allerdings mit einem Vorbehalt (Seehofer lässt Verfassungsklage auch nach Asylkompromiss weiter prüfen). Stunden später funkte dann der Bundesinnenminister dazwischen, der praktisch den Kompromiss aufkündigte und mit dem herabgesetzten Schutz für syrische Flüchtlinge neue Bedingungen setzte (Asylkompromiss ist schon wieder geplatzt). Geschickt war in diesem Fall, dass nicht die CSU den Vorschlag ins Spiel brachte, sondern der CDU-Innenminister, der nach erfolgter Tat natürlich gegen die zu erwartende Ablehnung durch die SPD von der CSU unterstützt wurde.

Der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion, Thomas Kreuzer, sagte dem Bayerischen Rundfunk, er unterstütze de Maizière, das sei auch das, worauf man sich geeinigt habe. Die Einschränkung des Familiennachzugs mache nämlich nur dann Sinn, wenn auch nicht alle Syrer pauschal den vollen Schutz erhielten, sondern nur individuell Verfolgte.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, der ein „Integrationsfernsehen“ forderte, hatte schon am Freitag allgemein davon gesprochen, dass sich die CSU mit der Verschärfung des Asylrechts durchgesetzt und sich die SPD bewegt habe: „Die CSU hat beim Asylpaket II wesentliche Verschärfungen des Asylrechts zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung durchgesetzt. Das bedeutet: Schnellere Abschiebung, Leistungseinschränkungen und Aussetzen des Familiennachzugs.“ CSU-Position sei die zeitlich begrenzte Aufnahme ohne Familiennachzug.

CSU-Innenexperte Stephan Mayer bestärkte die Forderung. Viele Syrer dürften nur den subsidiären Schutz bekommen, weil sie nicht direkt aus dem Bürgerkriegsgebiet kämen, sondern beispielsweise aus der Türkei. Dass auch Deutschland seine Zahlungen wie andere EU-Länder zur Flüchtlingshilfe in den syrischen Nachbarländern reduziert hatte, wird selbstredend nicht erwähnt.

Die SPD will erst einmal nicht mitziehen, von Merkel und ihrer Richtlinienkompetenz ist wieder einmal nichts zu hören. Der Streit wabert, während sich CSU und SPD zu positionieren suchen. Da alles wenig konkret verhandelt wird, dürfte erst einmal wenig passieren. Die Beschleunigung der Asylverfahren und die schnelle Abschiebung derjenigen, die keinen Anspruch haben, lässt auf sich warten. Dazu hört man auch keine Vorschläge. Das ist das Trauerspiel einer Politik, die immer nur in Panik reagiert, aber nicht wirklich Ziele für die Gesellschaftsentwicklung verfolgt, in die man die Flüchtlings- und Außenpolitik einbettet.

Das große Problem der Merkelschen Politik ist, dass es keine Politik ist. Mit Merkel wird immer nur reagiert und im Wesentlichen das Bestehende bewahrt. Das ist in normalen Zeiten offenbar erfolgreich, weil unaufgeregt und postideologisch, in wirklichen Krisen wird es problematisch. Zwar hat Merkel ausnahmsweise abstrakt Position bezogen, aber niemand weiß genau, was dies genau bedeutet, zumal sie gerne mit der CSU mäandert und etwa von der Ablehnung von Transitzonen schnell mal zu deren Anerkennung wechselt. Und die Regierungskoalition zeigt, dass sie nur ein Zweckbündnis war, um an die Macht zu kommen.

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