02. November 2015 · Kommentare deaktiviert für „Die Abschottungspolitik tötet Flüchtlinge – nicht die Schlepper“ · Kategorien: Europa, Mittelmeer · Tags: , ,

Quelle: Freiheitsliebe

von Julius Jamal

Monat für Monat finden sich traurige Berichte über Schiffe, die im Mittelmeer gesunken sind und deren Insassen einen qualvollen Tod erlitten haben. Die Antwort der meisten deutschen Medien ist einfach: Die Schlepper sind schuld. Die Festung Europa, die es verhindert, dass die Menschen einfach kommen können um Asyl zu beantragen, wird dagegen nicht in Frage gestellt. Vor wenigen Monaten wurde von der EU die Kriminalisierung von Schleppern beschlossen, eine Lösung, die zu noch mehr Toten führen wird.

Mindestens 23.000 Menschen sind bei ihrer Flucht über das Mittelmeer schon gestorben, weil sie in viel zu kleinen Booten unterwegs waren, die auf hoher See kenterten und ihnen niemand Hilfe leistete. 23.000 Menschenleben, die mit einer Politik der offenen Grenzen hätten gerettet werden können. Die deutsche wie auch die europäische Politikelite verkündet nach jedem größeren Unglück ihre Trauer, dabei hätten sie die Menschen retten können und haben somit auch deren Blut an den Händen.

Festung Europa als Todesursache

Die europäische Abschottungspolitik verhindert es, dass die Menschen legal nach Europa flüchten können, Schlepper bleiben somit die einzige Alternative. Die deutschen Botschaften in den Krisengebieten im Nahen Osten hätten die Möglichkeit, denjenigen, die nach Europa flüchten wollen, bei der Beantragung von Asyl zu helfen und ihnen dadurch einen sicheren Weg nach Europa, zum Beispiel mit dem Flugzeug, welches auch deutlich günstiger ist, zu ermöglichen. Diese Möglichkeit wird bewusst verwehrt, denn bisher gilt in der EU das Gesetz, dass das Land, in dem die Flüchtlinge ankommen, auch das Land ist, in dem sie Asyl beantragen müssen. Eine Öffnung der Botschaften für Flüchtende würde dieses Gesetz umgehen und Menschenleben retten, doch diese Lösung ist nicht gewollt, stattdessen wird der Türkei und Mittelmeeranrainerstaaten viel Geld geboten, damit sie verhindern, dass die Flüchtlinge nach Westeuropa gelangen. In den Anrainerstaaten sollen nun sogenannte „Hot-Spot-Zentren“ entstehen, ein Euphemismus für Lager, die die Weiterreise der Flüchtlinge verhindern.

Deutlich wird das Desinteresse am Leben der Flüchtlinge auch an der Einstellung von „Mare Nostrum“, einem Programm zur Seenotrettung für Flüchtlinge, das von der italienischen Regierung ins Leben gerufen wurde, aufgrund finanzieller Engpässe aber wieder eingestellt wurde. Die Kosten für ein Jahr beliefen sich dabei auf 110 Millionen Euro, Peanuts im Vergleich zu dem Hundert Milliarden schweren Budget der EU und auch den Milliardenetats fürs Militär in den einzelnen Staaten. Hätte die EU Interesse am Ende des Massensterbens gehabt, sie hätte Mare Nostrum finanziert und ausgebaut.

Der Mythos vom bösen Schlepper und der guten EU

Stattdessen wurde im Sommer von der EU eine verschärftes Vorgehen gegen Schlepper beschlossen, die sie als die Schuldigen am Tod der Flüchtlinge ausgemacht haben. Ein afghanischer Flüchtling machte deutlich, warum er den Mythos der bösen Schlepper nicht unterstützen kann: „Wir können sie nicht böse nennen, denn es sind nicht die Schlepper, die uns darum bitten, nach Europa zu gehen. In Wahrheit ist es so: Wenn du dein Land verlassen musst, dann brauchst du einen Schlepper, der dich nach Europa bringt, wo es sicher ist. Meiner Meinung nach sind 95% der Schlepper Schutzengel, und nur 5% behandeln dich in irgendeiner Form schlecht.“
Das Online-Magazin Vice verdeutlicht in einem Kommentar, warum am Mythos der bösen Schleppers und der guten EU wenig dran ist: „Das ist ungefähr so aufrichtig, als würde man dreilagigen NATO-Draht um sein Grundstück ziehen—und wenn dann das Nachbargrundstück brennt und die Nachbarn versuchen, trotzdem über den Zaun zu klettern, gibt man den Leuten die Schuld, die Decken über den Stacheldraht werfen, weil die Decken manchmal zu dünn sind und die verzweifelten Nachbarn im Draht verbluten. Statt sich damit auseinanderzusetzen, dass man selbst den Zaun gebaut hat, der dieses Elend überhaupt erst nötig macht.“

Auch Andreas Schloenhardt, Professor für Strafrecht an der Universität Queensland in Australien, erklärt, dass er einen Vergleich von Schleppern mit „mafiösen Strukturen“ ablehnt.

Die Lösung heißt: Offene Grenzen

Die Antwort auf das Massensterben im Mittelmeer ist also nicht die Kriminalisierung der Schlepper, sondern eine Umverteilung der Ressourcen. Statt weiterhin auf Abschottung der EU-Außengrenzen zu setzen und Milliarden Euro für Mauern, Zäunen, Überwachung, Grenzkontrollen und einen Militäreinsatz zur Flüchtlingsabwehr auszugeben, sollte Geld in die Aufstockung des Botschaftspersonals, damit dieses Flüchtlingen bei der Bewältigung von Asylanträgen helfen kann, und die Finanzierung von Mare Nostrum investiert werden.
Die Bundesregierung weiß, dass solche Maßnahmen Menschenleben retten würden, doch es besteht kein Interesse eine Politik der offenen Grenzen zu verfolgen, damit sich das ändert, braucht es Druck durch eine Bewegung von FlüchtlingshelferInnen, AntirassistInnen und Gewerkschaften.

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