24. Oktober 2015 · Kommentare deaktiviert für „EU-Kommission will ‚Politik des Durchwinkens‘ beenden“ · Kategorien: Deutschland, Europa · Tags: , , ,

Quelle: Die Welt

EU-Kommissionspräsident Juncker will die Flüchtlingskrise mit einem 16-Punkte-Katalog angehen. Demnach sollen Staaten keine Flüchtlinge mehr ohne Abstimmung zu ihren Nachbarstaaten durchleiten können.

Transitzonen für Flüchtlinge an der deutschen Grenze lehnt die SPD ab – und doch bewegt sie sich nun in diese Richtung: Ihre Partei plädiere für „Registrierungsstellen in Grenznähe“, hat SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi bekannt gegeben. Die Sozialdemokraten seien dafür, im grenznahen Gebiet Asylanträge zu prüfen, die offensichtlich aussichtslos seien. Solche „Registrierungsstellen für ankommende Asylbewerber“ könnten in schon bestehenden oder im Aufbau befindlichen Einrichtungen entstehen.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte ursprünglich vorgeschlagen, Flüchtlinge vor der Entscheidung über die Einreise nach Deutschland bis zu eine Woche in Transitzonen an der Landgrenze festzuhalten, ihr Asylgesuch im Schnellverfahren zu prüfen und sie bei einem Nein direkt von der Grenze aus wieder in die Heimat zurückzuschicken.

Die SPD hatte sich jedoch gegen die Pläne gesperrt. Ein zentraler Kritikpunkt lautete: Das Vorhaben setze voraus, dass ein Flüchtling formal in Haft genommen würde. Fahimi betonte nun: „Mit uns wird es keine Massenhaftanstalten an den deutschen Außengrenzen geben – und somit kein Transitzonenverfahren wie an deutschen Flughäfen.“

De Maizière hatte zuvor erklärt, die Koalition habe sich nun im Grundsatz darauf verständigt, ein Verfahren zu entwickeln, um Schutzsuchende ohne Asylanspruch künftig schon an der Grenze abzuweisen zu können. Details würden aber noch verhandelt. Wie das Konzept ausgestaltet wird und ob es zu den ursprünglich angedachten Transitzonen oder einen anderen Variante kommt, ist demnach noch offen.

Dies kritisierte wiederum Fahimis Parteifreundin Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen: „Wenn man Vorschläge, die unausgegoren sind, aufs Tableau legt, führt das zur Verunsicherung der Bevölkerung“, warnte sie nach dem dritten nordrhein-westfälischen „Flüchtlingsgipfel“ in Düsseldorf. „Das ist auch die Basis, worauf rechte Gruppen ihre Süppchen kochen.“ Tatsächlich werde nun eine Grundsatzeinigung über Transitzonen verkündet, nur weil der Wunsch bestehe, „den Kollegen aus Bayern (CSU-Chef Horst Seehofer, d. Red.) wieder ins Boot zu holen“. Seehofer hatte die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wochenlang scharf attackiert; mit der Unionseinigung auf Transitzonen stellte er seine Angriffe ein.

EU-Kommission will „Politik des Durchwinkens“ beenden

Am Sonntag ist zudem ein Sondertreffen in Brüssel zur Flüchtlingskrise geplant. Dabei will EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Staats- und Regierungschefs zur besseren politischen Zusammenarbeit verpflichten. Die Staats- und Regierungschefs der teilnehmenden Staaten sollen innerhalb von 24 Stunden nach dem Treffen „Kontaktpersonen“ in ihrem direkten Umfeld ernennen, die sich anschließend täglich gegenseitig über den Flüchtlingsandrang und Aufnahmekapazitäten austauschen sollen, berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ unter Berufung auf einen 16-Punkte-Katalog. Diesen hat Juncker an die Regierungen der Balkanstaaten, Österreich, Deutschlands, Ungarns und Griechenlands geschickt.

Die Regierungen sollen diesen Katalog am Sonntag als Schlussfolgerung des Treffens beschließen, hieß es den Angaben zufolge. Eine zentrale Forderung des Papiers ist, dass die Staaten keine Flüchtlinge mehr ohne Abstimmung zu ihren Nachbarstaaten durchleiten. „Eine Politik des Durchwinkens ist nicht akzeptabel“, heißt es in dem Papier.

Bis Mittwoch kommender Woche sollten 400 Grenzschützer nach Slowenien geschickt werden. Die Abschiebung von Flüchtlingen ohne Anspruch auf Asyl solle beschleunigt werden. Dazu wolle Juncker vor allem die Zusammenarbeit mit Afghanistan verbessern. Zudem wolle der Kommissionspräsident klar festschreiben, dass die Flüchtlinge ohne Registrierung in dem Land, in dem sie die EU betreten, keinen Anspruch auf Aufnahme haben.

Bei dem geplanten Treffen soll auch über ein Gesamtkonzept zur Bewältigung der Krise entlang der Balkanroute beraten werden. An dem Treffen nehmen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Staats- und Regierungschefs von Österreich, Ungarn, Griechenland, Kroatien, Slowenien, Bulgarien, Rumänien und Luxemburg als Präsidentschaftsland teil. Außerdem nehmen die Balkanstaaten Serbien und Mazedonien teil.

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siehe auch: Zeit Online

Merkel will Flüchtlinge direkt aus Erstaufnahmezentren verteilen

Flüchtlinge sollen nicht zu den Nachbarländern durchgewunken werden, fordert EU-Kommissionschef Juncker. Die Kanzlerin will die Arbeit der Hotspots deutlich verbessern.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will das Chaos entlang der Flüchtlingsroute über den westlichen Balkan stoppen. Dazu hat er im Vorfeld des Brüsseler Sondertreffens zur Flüchtlingskrise am Sonntag einen 16-Punkte-Plan an die Teilnehmer versandt. „Die betroffenen Länder sollten nicht nur übereinander (sprechen) und aufeinander einreden, sondern auch miteinander reden“, heißt es in dem versandten Entwurf. „Nachbarn sollten nicht gegeneinander arbeiten.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel will einem Medienbericht zufolge die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU direkt aus den Erstaufnahmezentren erreichen. Wie Der Spiegel vorab berichtet, wolle sich Merkel bei dem Sondergipfel dafür einsetzen und eine deutliche Verbesserung der Arbeit der sogenannten Hotspots erreichen.

In Junckers Entwurf ist unter anderem vorgesehen, dass die Staats- und Regierungschefs innerhalb von 24 Stunden enge Mitarbeiter zur Koordination in der Flüchtlingskrise benennen. „Sofort“ sollen zudem Informationen über die genauen Flüchtlingsströme durch die jeweiligen Staaten ausgetauscht werden. Der Weitertransport der Migranten zur nächsten Landesgrenze soll aufhören, wenn es dafür keine Genehmigung des Ankunftsstaates gibt. „Eine Politik des Durchwinkens von Flüchtlingen in ein Nachbarland ist nicht akzeptabel“, heißt es. Insbesondere Slowenien und Kroatien machen einander deswegen Vorwürfe.

Die EU-Kommission schlägt in dem Plan auch eine neue Operation der EU-Grenzschutzagentur Frontex an der Landgrenze Griechenlands zu Mazedonien und Albanien vor. Die Mitarbeiter sollen die Personalien von Migranten aufnehmen, die nicht zuvor schon in Griechenland registriert worden sind.

Deutschland kündigt Abschiebungen nicht mehr an

Die Bundesregierung kündigte an, das Asylrecht ab sofort zu verschärfen – eine Woche früher als geplant. Asylbewerber sollen künftig deutlich länger als bislang in Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben und dort nur Sachleistungen bekommen. In bestimmten Fällen sind auch deutliche Leistungskürzungen vorgesehen. Darüber hinaus soll der Termin für eine Abschiebung nicht mehr vorab angekündigt werden, um ein Untertauchen des Betroffenen zu verhindern. Zudem werden drei weitere Balkan-Länder – Albanien, das Kosovo und Montenegro – als sichere Herkunftsstaaten eingestuft, um Asylbewerber von dort schneller in ihre Heimat zurückschicken zu können.

Die Bundesregierung hatte das Paket im Eiltempo durch das parlamentarische Verfahren gebracht. Menschenrechtsorganisationen, Oppositionspolitiker, Juristen und Migrationsforscher kritisieren die Verschärfungen heftig.

Zugleich sollen Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive Zugang zu Integrationskursen bekommen und bürokratische Hürden für die Einrichtung neuer Flüchtlingsunterkünfte abgebaut werden.

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