23. Oktober 2015 · Kommentare deaktiviert für „Flüchtlingskrise in Griechenland: ‚Hotspot‘ am Anschlag“ · Kategorien: Griechenland, Mittelmeer, Türkei

Quelle: NZZ

Der nahende Winter und die Eskalation in Syrien treiben weiterhin Zehntausende auf die Balkanroute. Die europäische Unterstützung für die Griechen läuft langsamer an als angekündigt.

von Ivo Mijnssen

Obwohl die Wetterverhältnisse immer prekärer werden, machen sich Tausende von Flüchtlingen aus der Türkei auf den Weg auf die griechischen Ägäis-Inseln. Alleine in der letzten Woche waren es 60 000 Menschen, die in Griechenland landeten, die meisten auf Lesbos. Dort wird der erste europäische «Hotspot» in Griechenland zur Registrierung aufgebaut – ein Konzept, von dem sich die EU viel erhofft. Doch bereits in den ersten Wochen zeigt sich, dass die Kapazitäten stark ausgebaut werden müssen, falls die Registrierung sauber abgewickelt werden soll. 2500 Flüchtlinge kann das Zentrum bei Moria täglich bewältigen, fast 20 000 sind am Dienstag und Mittwoch angekommen.

Somit warten Tausende von Flüchtlingen auf die Registrierung – im strömenden Regen und mit rudimentärster medizinischer Versorgung. Zwar wird der «Hotspot» erst im November offiziell in Betrieb genommen. Viele Fragen bleiben offen, gerade, was die Rückschaffung jener betrifft, deren Asylgesuche abgelehnt wurden. Dennoch sollten die überforderten Behörden auf Lesbos eigentlich schnell mit europäischer Hilfe entlastet werden. Bis Mitte Oktober sollten die EU-Mitgliedstaaten der Grenzschutzagentur Frontex 775 neue Beamte zur Verfügung stellen, von denen viele auf Lesbos zum Einsatz kommen. Nun aber beschwert sich die federführende griechische Regierung über Verzögerungen bei der Entsendung. Zudem behauptet sie, die Türkei übe Druck auf die EU aus, um mehr Geld und politische Zugeständnisse beim Aktionsplan zur Kooperation zwischen der EU und der Türkei in der Flüchtlingskrise herauszuschlagen. Die Türken liessen deshalb immer mehr Flüchtlinge in See stechen.

lesbos

UNHCR-Vertreter vor Ort können dies nicht bestätigen. Vielmehr täten die Küstenwachen beider Länder angesichts der akuten Notlage, was sie könnten, erklärt Ron Redmond vom Uno-Flüchtlingshilfswerk. Am Mittwoch hätten beide Länder zusammen Flüchtlinge von einem gekenterten und überfüllten Boot gerettet. Allerdings werden 13 Personen weiter vermisst. Am schlimmsten sei die Lage bei der Unterbringung, und der Dauerregen der letzten Tage erschwere die Lage zusätzlich. Man habe erwartet, dass sich der Strom aus der Türkei verlangsame, doch sei eher das Gegenteil der Fall. Redmond glaubt, dass dafür einerseits die Furcht vor weiteren Grenzschliessungen im Norden und dem nahenden Winter verantwortlich ist. Andererseits mussten wegen der Eskalation des Krieges in Syrien seit der russischen Intervention bereits wieder Zehntausende ihre Heimat verlassen.

Beitrag teilen

Kommentare geschlossen.