17. Oktober 2015 · Kommentare deaktiviert für „Der neue Balkan-Korridor“ · Kategorien: Balkanroute, Kroatien, Slowenien, Ungarn · Tags:

Quelle: DW

Ungarn hat in der Flüchtlingskrise seine Grenze zu Kroatien gesperrt. Das muss sich jetzt mit Slowenien abstimmen. Denn: Hunderttausende Asylsuchende sollen nach Österreich und Deutschland weitergeleitet werden.

Die Regierungen in Zagreb, Ljubljana und Wien waren diesmal rechtzeitig informiert: Punkt Mitternacht machte Ungarn seine mehr als 300 Kilometer lange Grenze zum EU-Nachbarn Kroatien dicht. Die Innenministerien Kroatiens und Sloweniens hatten schon Stunden zuvor verlauten lassen, dass man gemeinsam eine Art „Korridor“ organisieren wolle, um die Flüchtlinge auf der neuen Route Richtung Norden durchzuschleusen.

Der kroatische Innenminister Ranko Ostojic kündigte an, die Neuankömmlinge würden nach der Grenzsperrung nun „über Slowenien umgelenkt“. Sie sollen laut seinen Angaben nach Cakovec im Norden gebracht werden, wo sie über drei Grenzübergänge nach Slowenien gelangen könnten.

Seine slowenische Kollegin Vesna Gyorkos Znidar schickte Polizeiverstärkung an die Grenze. Sie sprach aber von nur „ein oder zwei Grenzübergängen“. Angesichts des erwarteten Flüchtlingsandrangs stellte man in der Nacht zunächst einmal den Bahnverkehr mit Kroatien ein. Wegen der „außergewöhnlichen Umstände“ sei der Personenverkehr in Abstimmung mit den Behörden ausgesetzt worden, teilte die slowenische Bahngesellschaft auf ihrer Internet-Seite mit.

Der slowenische Außenminister Karl Erjavec erläuterte, sein Land werde keine besonderen Maßnahmen gegen die Flüchtlinge ergreifen, so lange Deutschland und Österreich ihre Aufnahmepolitik nicht änderten.

Die Abriegelung der Passage nach Kroatien kam einen Monat nach der Schließung der Grenze zu Serbien. Ungarn werde jetzt seine „Schengen-Verpflichtungen erfüllen“, erklärte Außenminister Peter Szijjarto. Offizielle Grenzübergänge würden „weiter funktionieren, aber mit strengen Kontrollen“.

Tags zuvor war ein 41 Kilometer langer Stacheldrahtzaun am Übergang zum EU-Nachbarn fertiggestellt worden. Den Rest der Grenze bildet der Fluss Drau, der schwer zu überqueren ist.

Szijjarto begründete die Absperrung damit, dass beim EU-Gipfel in Brüssel nicht beschlossen worden sei, die griechischen Außengrenzen „mit EU-Kräften zu verteidigen“. Normalerweise sei es Sache Griechenlands, „die EU-Außengrenze zu verteidigen“, fügte Szijjarto hinzu. „Aber die Griechen sind dazu nicht in der Lage.“ Nun müsse also Ungarn die Grenze des Schengen-Raums absichern.

Ungarn liegt am südlichen Rand der Schengen-Zone, in der grundsätzlich Personenfreizügigkeit und Reisemöglichkeiten ohne Passkontrollen bestehen. 2015 kamen bereits mehr als 386.000 Flüchtlinge nach Ungarn – die meisten von ihnen mit dem Ziel, nach Deutschland oder in andere EU-Staaten weiterzureisen. Ungarn will laut Szijjarto nun „Transitzonen“ einrichten, wo die Flüchtlinge Asyl beantragen können. Das Überqueren des Grenzzauns steht in Ungarn unter Strafe. Es wird eifrig juristisch verfolgt und führt meist zur sofortigen Abschiebung.

SC/ml (afp, dpa, APE)

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siehe auch: ARD Tagesschau

Ungarn macht Grenze zu Kroatien dicht

Ungarn hat seine Grenze zu Kroatien geschlossen – man komme damit den „Schengen-Verpflichtungen“ nach, hieß es. In zwei Transitzonen könnten Flüchtlinge Asyl beantragen. Nun geht der Blick nach Slowenien.

Von Stephan Ozsvath, ARD-Hörfunkstudio Wien

Ungarn hat um Mitternacht – wie angekündigt – die 300 Kilometer lange grüne Grenze zu Kroatien geschlossen. Die regulären Schengen-Übergänge bleiben aber geöffnet, das hatte Ungarns Außenminister Peter Sziijártó in Budapest angekündigt. Nur wird dort stärker kontrolliert. Flüchtlinge können in zwei Transitzonen Asyl beantragen. Die Ankündigung würzte der Ungar mit Kritik am Nachbarn. „Der kroatische Ministerpräsident hat ständig behauptet, er könne die Flüchtlingswelle besser handhaben als Ungarn, wir werden jetzt sehen, wie er das genau meint.“

Nun bereiten sich die Anrainerstaaten auf eine Verlagerung der Flüchtlingsroute vor. Bislang sind – nach Schließung der ungarisch-serbischen Grenze mittels Zaun die Flüchtlinge durch das Transitland Kroatien via Ungarn nach Österreich und dann weiter nach Deutschland gelangt. Zehntausende waren das. Die kroatische Regierung spricht nun von einem „Plan C“, de facto einem Korridor Kroatien-Slowenien-Österreich. Kroatiens Außenministerin Vesna Pusic sagt: „Slowenien wird nur dann die Grenze schließen, wenn das Deutschland macht. Und dann gibt es natürlich eine Kettenreaktion in ganz Europa. Dann muss auch Kroatien seine Grenze schließen. Aber das wäre eine riesige Belastung für ganz Südosteuropa.“

Bahn-Verkehr zwischen Ungarn und Slowenien eingestellt

Die Korridor-Lösung sei mit Slowenien abgesprochen, heißt es aus der kroatischen Hauptstadt Zagreb. Im Nachbarland Slowenien laufen die Vorbereitungen für die Ankunft vieler Flüchtlinge auf Hochtouren. Der Bahn-Verkehr zwischen beiden Ländern sei vorläufig eingestellt worden, teilte die slowenische Bahngesellschaft mit. Die Polizei-Kräfte an der Schengen-Grenze zu Kroatien seien verstärkt worden, so Sloweniens Innenministerin Vesna Györkös Znidar: „Wichtig ist im Moment, dass es auf der Ebene der Behörden eine intensive Zusammenarbeit gibt. Wir sprechen ständig miteinander. Die Situation ist unter Kontrolle. Das heißt, wir können die Ereignisse steuern. Es kommt nur eine begrenzte Anzahl von Menschen an die Grenze. Es laufen auch Gespräche darüber, dass wir zwei Einreisepunkte nach Slowenien einrichten.“

Nach Behördenangaben hat Slowenien Unterkünfte für 7500 Flüchtlinge vorbereitet. Seit Kroatien wegen der Schließung der serbisch-ungarischen Grenze vor einem Monat zum Transitland wurde, kamen 3500 Flüchtlinge nach Slowenien. Zum Vergleich: Fast 5000 sind alleine am Donnerstag – also vor Schließung der ungarisch-kroatischen grünen Grenze nach Kroatien gekommen. Sloweniens Staatspräsident Bohut Pahor warnte deshalb: „Wir müssen aufpassen, dass nicht mehr Flüchtlinge nach Slowenien kommen, als wir versorgen können. Deshalb müssen wir die Kontrolle an unseren Grenzen verschärfen. Ich bin sicher, dass meine Kollegen das verstehen.“

Auch in Österreich bereiten sich die Behörden jetzt auf eine Verlagerung der Flüchtlingsroute vor. Laut Regierung in Wien werden ab Samstagnachmittag 330 zusätzliche Soldaten im Süden des Landes, an der slowenischen Grenze Dienst tun, also in Kärnten und der Steiermark.

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