14. Oktober 2015 · Kommentare deaktiviert für Berlin: Aktion der „Sea-Watch“ · Kategorien: Deutschland · Tags: ,

Quelle: RBB

Sich wie ein Flüchtling auf dem Mittelmeer fühlen

Seit einem halben Jahr durchkreuzen brandenburgische Flüchtlingsaktivisten auf der „Sea Watch“ das Mittelmeer, um Menschen aus Seenot zu retten. Nun hat die Initiative in Berlin direkt über die Lage informiert: Ein originales Flüchtlingsboot auf der Spree durften am Dienstag rund 120 Interessierte und Politiker besteigen – gleichzeitig.

Sea Watch: Aktion vor dem Paul-Löbe-Haus

Sea Watch: Aktion vor dem Paul-Löbe-Haus, © a.gerhäuser, version

Direkt vor dem Bundestagsgebäude auf der Berliner Spree hat am Dienstag die private Flüchtlingsinitiative „Sea-Watch“ mit einer Aktion über die Situation der Flüchtlinge im Mittelmeer. informiert Dafür wurde am Mittag ein originales Flüchtlingsboot vor dem Paul-Löbe-Haus ins Wasser gesetzt.

Abgeordnete und Interessierte sollten am eigenen Leib erleben können, wie es sich in einem überfüllten Schlauchboot anfühlt, hieß es. „Was es bedeutet, an Bord eines solch labilen Schiffes mit 120 anderen Menschen zu sein, ist kaum vorstellbar und doch erleben wir es täglich bei unseren Einsätzen“, schreibt die Initiative auf ihrer Internetseite. Im Gegensatz zu den Flüchtlingen werden die Menschen bei dem Belastungstest an Bord aber Schwimmwesten tragen.

Zu der Aktion, die am Mittag startete, sollten auch Flüchtlinge anwesend sein, die selbst die gefährliche Überfahrt gemacht haben.

Sea Watch: Aktion vor dem Paul-Löbe-Haus

Sea Watch: Aktion vor dem Paul-Löbe-Haus, © a.gerhäuser, version

Kritik an „Krieg gegen Schlepper“

Nach eigenen Angaben haben die Aktivisten um Initiator Harald Höppner in den vergangenen Monaten rund 2.000 Menschen aus Seenot gerettet. Fast immer seien die Menschen an Bord überfüllter und manövrierunfähiger Schlauchboote auf dem Mittelmeer getrieben, heißt es weiter auf der Webseite. „Trotz der großen Gefahren für Leib und Seele befanden sich auch Familien mit Kindern an Bord.“

Kritisch merken die „Sea-Watch“-Aktivisten an, dass die Menschen die gefährliche Reise riskierten, „weil es für die meisten Flüchtenden keine legalen Wege nach Deutschland gibt“. Während die EU einen bewaffneten „Krieg gegen Schlepper“ führe und damit offenbar werde, dass „das Deutsche Parlament nicht ausreichend über die Lage im zentralen Mittelmeer informiert ist“, wolle man nun mit dieser Aktion eine „Informationsoffensive zur Situation an Europas Seegrenzen“ starten.

Der umgebaute, fast 100 Jahre alte Fischkutter „Sea-Watch“ lief im Sommer erstmals aus. Mit dem Schiff kreuzen die Aktivisten und Ärzte seitdem auf dem Mittelmeer und melden Bootsflüchtlinge in Seenot der Küstenwache. Die Initiative aus Brandenburg finanziert sich durch eigenes Geld und Spenden.

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siehe auch: Fraktion die Linke

Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag haben am Dienstag an der Aktion „Spreeboot“ von „Sea-Watch“ teilgenommen. Sie gingen auf der Spree an Bord eines Schlauchboots, in dem noch vor wenigen Monaten 121 Flüchtlinge das Mittelmeer durchquerten, bis sie nach 36 Stunden ohne Wasser und unter sengender Sonne gerettet wurden. Auch zwei Flüchtlinge gingen mit an Bord und erzählten den Abgeordneten von den Nöten ihrer Überfahrt.

Die Aktion des „Sea-Watch“-Projekts soll die lebensgefährliche Situation der Flüchtlinge deutlich machen und richtet sich gegen den bewaffneten Bundeswehreinsatz im Mittelmeer. Die Organisation „Sea-Watch“ rettet seit Monaten Flüchtlinge aus dem Mittelmeer.

„Wir haben uns heute aus Solidarität mit den Flüchtlingen in ein Schlauchboot auf der Spree vor dem Bundestag gezwängt. Die Aktion von ‚Sea-Watch‘ hat dankenswerter Weise auf die katastrophale und verzweifelte Lage der Flüchtlinge in den Booten hingewiesen. Es ist unmenschlich, Europa abzuschotten und fliehende Menschen mit Waffengewalt an der Flucht zu hindern. Statt eines Militäreinsatzes fordert DIE LINKE legale Fluchtwege,“ erklärt Christine Buchholz, verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion.

Die Zahl der von der Bundeswehr geretteten Flüchtlinge ist stark zurückgegangen. Der neue Bundeswehreinsatz drängt die Flüchtlinge in nordafrikanische Länder, zum Beispiel das Bürgerkriegsland Libyen, zurück, in denen sie keine Perspektive haben. Die LINKE hat den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im sogenannten Krieg gegen „Schlepper“ im Bundestag abgelehnt.

Sea Watch: Aktion vor dem Paul-Löbe-Haus

Sea Watch: Aktion vor dem Paul-Löbe-Haus, © a.gerhäuser, version

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siehe auch: Berliner Zeitung

Abgeordnete auf Flüchtlingsboot gequetscht

Jeden Tag überqueren überfüllte Flüchtlingsboote das Mittelmeer in Richtung Italien. Um deren Leiden der deutschen Politik näher zu bringen, hat Sea Watch Bundestagsabgeordnete auf ein echtes Flüchtlingsboot gequetscht.

Mit Flüchtlingen überfüllte Schlauchboote sind nahezu täglich in den Medien zu sehen, den Anblick ist man fast gewöhnt. Doch kaum jemand weiß, wie es ist, selbst in solchen Booten zu sitzen. Die Organisation Sea Watch hat am Dienstag Bundestagsabgeordnete eingeladen, sich in ein echtes Flüchtlingsboot zu begeben. Sea Watch hatte dafür ein Schlauchboot nahe dem Paul-Löbe-Haus in die Spree gelassen. Mit genau diesem Schlauchboot, für 30 Personen gedacht, waren im Sommer 121 Menschen im Mittelmeer unterwegs, Mitarbeiter von Sea Watch hatten sie gerettet.

Laut Mitorganisator Ruben Neugebauer hatten sich an die 30 Bundestagsabgeordnete für die Aktion angemeldet. Darunter waren Sarah Wagenknecht und Dietmar Bartsch von den Linken sowie Simone Peter von der Grünen. Insgesamt kamen 121 Menschen zusammen, die sich in das Boot quetschten, das etwa zehn Minuten auf der Spree kreiste.

Wo ist die deutsche Marine?

„Was wir hier erleben, ist nur ein Hauch dessen, was sich wirklich auf dem Mittelmeer abspielt“, sagt Sea-Watch-Akteur Ruben Neugebauer. Besonders die Frauen und Kinder, die in der Bootsmitte säßen, müssten einiges Durchmachen, sagt Sea-Watch-Kapitän Ingo Werth: „Die sitzen in einer Mischung aus Seewasser, Kraftstoff, Urin, Kot und Kotze.“ Und hätten deshalb sehr häufig Entzündungen an den Beinen. „Man denkt, die Frauen sind gut dran, weil sie nicht ins Wasser fallen, aber denen geht es oft sehr schlecht.“

Mehr als 2 000 Menschen hat Sea Watch nach eigenen Angaben gerettet. Der Verein ist bei seinen Missionen zwischen Italien und der libyschen Küste lediglich mit einem 21 Meter langen und knapp hundert Jahre alten Schiff unterwegs. Für die Aufnahme von Flüchtlingen sei es daher nicht geeignet, wohl aber, um von Bord aus Ersthilfe zu leisten. Das bedeutet: Ausgabe von Trinkwasser und Rettungswesten, Behandlung von Verletzten und Bereitstellung von Rettungsinseln.

Kritik an Grenzschutz-Mission

An der europäischen Grenzschutz-Mission Triton lässt Sea-Watch-Kapitän Werth kein gutes Haar. „Wir haben in keinem unserer Einsätze ein einziges Mal Unterstützung von einem europäischen Missionsschiff gehabt. Nicht ein einziges Mal“, bekräftigt er. Auch Harald Höppner, Initiator und Gründer von Sea Watch, kritisiert die EU-Mission. „Wir waren jetzt dreieinhalb Monate da, und wir haben kein einziges Mal die deutsche Marine gesehen. Was kann ich denn daraus schlussfolgern?“ Letztendlich würden die Schiffe wohl an der falschen Stelle platziert.

Der Verein Sea Watch wurde im Mai dieses Jahres gegründet und geht auf die Idee des Brandenburgers Harald Höppner zurück. Dieser hatte Ende vergangenen Jahres den Entschluss gefasst, auf eigene Faust ein Boot zu kaufen, um damit Flüchtlinge aus dem Mittelmeer zu retten. Mehr als drei Monate, von Ende Juni bis September, war die Crew unterwegs. Mit einem weiteren Schiff soll auch bald in der Ägäis patroulliert werden.

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