08. Oktober 2015 · Kommentare deaktiviert für „Umfrage: Mehrheit syrischer Flüchtlinge flieht vor Assad-Regime, nicht vor Islamischem Staat (IS)“ · Kategorien: Syrien · Tags:

Quelle: adopt a revolution

Erste umfangreiche Befragung syrischer Flüchtlinge in Deutschland zeigt Wunsch, zurückzukehren, jedoch nicht unter Assad / Vertriebene sehen Flugverbotszone als Möglichkeit, Vertreibung zu reduzieren

Berlin, 07. Oktober 2015. Der Hauptgrund für die Flucht nach Deutschland ist die Gewalt der Regierung von Bashar al-Assad, so eine Umfrage unter syrischen Flüchtlingen in Deutschland. Die Ergebnisse dieser ersten umfangreichen Befragung von 889 SyrerInnen, durchgeführt von Menschenrechtsorganisationen, wurden heute vor der Bundespressekonferenz in Berlin vorgestellt. Von den Befragten gaben 92% an, vor bewaffneten Auseinandersetzungen geflohen zu sein, für die nach Ansicht von über zwei Dritteln (70%) die syrische Regierung verantwortlich ist. Weniger als halb so viele (32%) machten den ‚Islamischen Staat‘ (IS) für die Kämpfe verantwortlich. Die Freie Syrische Armee (FSA) beschuldigten 18%, al-Kaida/Jabhat al-Nusra 16% und die kurdischen Kämpfer 8%.

Als zweiten zentralen Fluchtgrund nannten 86% der Befragten die Angst vor Verhaftungen bzw. Entführungen. Drei Viertel (77%) davon gaben die Befürchtung an, vom Assad-Regime festgenommen zu werden, gefolgt von Entführungen durch den IS (42%).

Eine Mehrheit von 52% sieht den Abtritt von Bashar al-Assad als Bedingung für eine Rückkehr nach Syrien an. Gleichzeitig möchte nur eine kleine Minderheit (8%) der Interviewten dauerhaft in Deutschland bleiben.

„Die Ergebnisse zeigen deutlich, wie viele der syrischen Geflüchteten zurückkehren möchten, allerdings in ein Land ohne den Diktator Bashar al-Assad“, so Elias Perabo, Mitgründer der deutsch-syrischen Organisation Adopt a Revolution. „Während in der deutschen Öffentlichkeit die zweifelsohne schrecklichen Verbrechen des Islamischen Staates im Vordergrund stehen, sind es de facto die Fassbomben und Gewalt des Assad-Regimes, welche den Großteil der Menschen zur Flucht zwingen.“ Adopt a Revolution hat die Befragung in Kooperation mit ‚The Syria Campaign‘ und unter wissenschaftlicher Begleitung von Forschern des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) durchgeführt.

Von den befragten syrischen Flüchtlingen gaben 73% an, dass ihr Leben durch ausschließlich von der Assad-Armee eingesetzte Fassbomben bedroht war. Einer Mehrheit (58%) der Teilnehmenden zufolge könnten mehr SyrerInnen in ihrem Land bleiben, wenn der Abwurf von Fassbomben durch eine Flugverbotszone gestoppt würde. Lediglich 24% glauben, das mehr humanitäre Hilfe die Leute dazu bewegen könnte, weiter im Land zu bleiben.

„Die Umfrage sagt genau das, was alle Menschen in Syrien sagen würden, die täglich durch Fassbomben bedroht sind“, so der Sprecher der Kampagne ‚Planet Syria‘ Haid Haid aus Atareb bei Aleppo. „Eine Flugverbotszone zum Schutz vor Luftangriffen könnte viele, viele Syrer davon abhalten, ihre Heimat zu verlassen.“

Die Initiatoren verfolgten mit der Umfrage das Ziel, den Vertriebenen selbst die Möglichkeit zu gegeben, ihre Meinung zu Fluchtursachen und Handlungsoptionen für die internationale Politik zu äußern. Die Befragung wurde unter 889 zufällig ausgewählten syrischen Flüchtlingen in fünf deutschen Städten vor Registrierungsstellen und Erstaufnahmeeinrichtungen durchgeführt.

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siehe auch: n-tv.de

Eine Initiative, die der syrischen Opposition nahesteht, befragt syrische Flüchtlinge in Deutschland. Das Ergebnis: Die meisten wollen zurück, wenn Assad stürzt. Die Autoren der Studie leiten aus den Ergebnissen schwere Versäumnisse der deutschen Asyl- und Syrienpolitik ab.

Elias Perabo stichelt, und glaubt, dass er das aus gutem Grund tut: Auch der Bundesregierung würde es gut tun, mit statt nur über Flüchtlinge zu sprechen, sagt das Mitglied der Initiative Adopt a Revolution, die der syrischen Opposition nahesteht. Perabo stellt in Berlin die Ergebnisse einer Befragung von syrischen Flüchtlingen in Deutschland vor. Die Ergebnisse stellen einige der jüngsten Entscheidungen der Bundesregierung in Frage.

Die meisten Flüchtlinge haben laut der Umfrage das Land verlassen, weil sie das Regime von Baschar al-Assad fürchten, nicht die Schreckensherrschaft des Islamischen Staates (IS).

  • Fast 70 Prozent der befragten Syrer in Deutschland machten Assad als Hauptursache für den bewaffneten Konflikt verantwortlich, nur 32 Prozent den IS.
  • Ähnlich äußerten sie sich, wenn es um die Angst davor ging, festgenommen und entführt zu werden.
  • 73 Prozent der Befragten nannten explizit Assads Fassbomben als unmittelbare Gefahr für ihr Leben.

Die Bundesregierung unterstützt die irakischen Peschmerga im Kampf gegen den IS. Gegen Assad geht sie nicht vor. Kanzlerin Angela Merkel deutete vor zwei Wochen gar eine diplomatische Aufwertung des Despoten an. „Es muss mit vielen Akteuren gesprochen werden, dazu gehört auch Assad“, sagte die CDU-Politikerin.

Perabo hält nun dagegen: „Wenn der IS als Vorhof zur Hölle bezeichnet wird, dann ist das Assad-Regime das eigentliche Zentrum der Hölle.“ Wenn der Bundesregierung daran gelegen sei, die große Zahl an Flüchtlingen aus Syrien, die nach Deutschland kommt, wieder unter Kontrolle zu kriegen, müsse sie darauf hinarbeiten, dass Assad abtritt.

Flüchtlinge kommen nicht aus Lagern in Syriens Nachbarschaft

Die Bundesregierung geht auch davon aus, dass die meisten Flüchtlinge, die dieser Tage nach Europa drängen, aus den Flüchtlingslagern in Syriens Nachbarschaft stammen. Als Vizekanzler Sigmar Gabriel Mitte September die Mega-Zeltstadt Saatari in Jordanien besuchte, sagte er: „Vor einem Vierteljahr hat hier niemand über Europa gesprochen. Alle hatten die Hoffnung, nach Syrien zurückkehren zu können. Jetzt verkaufen die Menschen den Rest ihres meistens sehr spärlichen Vermögens in Syrien.“

Diese Annahme stimmt laut der Studie von Adopt a Revolution aber nicht. 65 Prozent der befragten Syrer, die jetzt in deutschen Erstaufnahmeeinrichtungen oder anderen Unterkünften für Asylbewerber sitzen, haben ihre Heimat in diesem Jahr verlassen. Sie sind also nicht in den Flüchtlingslagern verzweifelt, sondern haben dort höchstens einen kurzen Zwischenstopp gemacht.

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