14. Juli 2015 · Kommentare deaktiviert für „Rainer Arnold über den Kampf gegen Schleuser“ · Kategorien: Mittelmeer · Tags: , ,

Quelle: Badische Zeitung

BZ-INTERVIEW mit dem SPD-Politiker Rainer Arnold über den Kampf gegen Schleuser und die EU-Militärmission im Mittelmeer.

BERLIN/FREIBURG. Bislang haben die beiden deutschen Marineschiffe im Mittelmeer vor allem Flüchtlinge gerettet. Seit Anfang Juli sind die Schleswig-Holstein und die Werra der EU-Militäroperation Eunavfor Med unterstellt – und sollen Aufklärungsarbeit über die Schleusernetzwerke leisten. Darüber sprach Dietmar Ostermann mit dem SPD-Verteidigungsexperten Rainer Arnold, der sich vor Ort ein Bild von der Mission gemacht hat.

BZ: Herr Arnold, weiß man inzwischen, wie genau das Geschäft der Schleuser funktioniert?

Arnold: Es ist ein durchorganisiertes Geschäftsmodell. Die Leute, die das Geld für die Überfahrt nach Europa haben, werden etwa 100 Kilometer vor der Küste in Libyen in Lagern gesammelt. In den Häfen werden Schiffe präpariert mit zusätzlichen Zwischendecks. Wenn sie fertig sind, werden die Flüchtlinge zur Küste gebracht und regelrecht verladen. Das ist ein langer Prozess bis 500, 600 Leute auf ein Schiff verfrachtet sind. Dann fährt der Schleuser mit ihnen aufs Meer, lässt sich aber innerhalb der Zwölf-Meilen-Zone abholen und geht von Bord. Er drückt das Ruder irgendeinem Flüchtling in die Hand und sagt: Fahr weiter geradeaus. Rund 2000 Euro zahlen die Flüchtlinge dafür. Das heißt, so ein Schiff bringt eine Million Euro – es ist viel einträglicher als Drogenhandel.

BZ: Ultimatives Ziel von Eunavfor Med ist es, zu verhindern, dass die Flüchtlingsboote in See stechen. Kann man sie im Hafen überhaupt von Fischerbooten unterscheiden?

Arnold: Man kann nicht von außen erkennen, dies ist ein Fischerboot, dies ein Schleuserboot. Deshalb ist es so schwierig. Natürlich ist es richtig, gegen die Schleuserkriminalität vorzugehen, und es ist auch notwendig. Wir können ja nicht ewig so weitermachen und mit der Notrettung von Bootsflüchtlingen dieses Geschäftsmodell im Grunde noch unterstützen. Sie können davon ausgehen, dass die Schleuser heute schon wissen, wenn die Fregatten in der Nähe sind – dann schicken sie die Flüchtlingsboote los. Man kann das nicht einfach beliebig lange so weiterlaufen lassen. Aber mit welcher Methode es gelingt, das Schleuserwesen einzuschränken, da gibt es keine einfachen Antworten.

BZ: Die EU hat für ihre Militärmission das Ziel gestellt, das Geschäftsmodell der Menschenschmuggel- und Menschenhandelsnetze im Mittelmeer zu zerschlagen. Haben Sie eine Vorstellung davon, wie das gelingen kann?

Arnold: Zunächst geht es in Phase eins um Aufklärung, das ist unproblematisch. Phase zwei wäre der Kampf gegen die Schleuser auf See innerhalb der Zwölf-Meilen-Zone und Phase drei dann an Land. Solange Libyen ein zerfallenes Land mit rechtsfreien Räumen ist, ist der Kampf gegen Schleuser extrem schwierig. Dazu wäre es notwendig, dass es in Libyen Staatlichkeit und Polizei gibt. Ich bin im Augenblick überhaupt nicht davon überzeugt, ob die Planungen, die da in Europa betrieben werden, mehrheitsfähig sind, ob sie operativ sinnvoll sind, ob die Vereinten Nationen dafür ein Mandat geben werden. Es gibt noch jede Menge Fragezeichen. Wir sollten uns nicht von vornherein diesen Planungen und Überlegungen verschließen und durchaus ergebnisoffen herangehen, aber die Skepsis bleibt. Und natürlich müssen wir darauf achten, dass die perspektivischen Ansätze nicht vernachlässigt werden in den Ländern, aus denen Menschen fliehen, weil sie dort keine wirtschaftlichen Zukunftschancen sehen. Das ist aber ein langfristiges Projekt, das hilft uns aktuell nicht weiter.

BZ: Wird man die Schleuser an Land bekämpfen müssen?

Arnold: Wenn man die Schleuser bekämpfen will, wird es letztendlich nur an Land gehen. Nehmen wir an, es käme zur Phase zwei, in der man die Boote innerhalb der Zwölf-Meilen-Zone abfangen will: Jetzt sind die Schleuser da noch an Bord, aber dann werden sie gleich im Hafen einem Flüchtling das Ruder in die Hand drücken. Es wird nur an Land gehen, mit einer starken Präsenz von Nachrichtendiensten und Sicherheitskräften aus Libyen oder mit Spezialkräften, die legitimiert sind durch ein UN-Mandat und die von Libyen akzeptiert werden.

BZ: Sollte Deutschland dann mitmachen?

Arnold: Es macht keinen Sinn, wenn wir schon wissen, was wir tun oder nicht tun, bevor man die Rahmenbedingungen analysiert hat. Das wäre wirklich nicht hilfreich. Deutschland begleitet diesen Prozess in Brüssel konstruktiv, Deutschland beteiligt sich an der Seenotrettung und Aufklärung – aber wir als Politiker brauchen eine Faktenlage, auf der wir entscheiden können.

Rainer Arnold, 65, ist seit 2002 verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

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siehe auch: Diritti e Frontiere

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