NZZ | 05.05.2017
In Italien hetzen ein Staatsanwalt und die Opposition gegen private Seenotretter, die Migranten aus dem Mittelmeer bergen. Innerhalb von Wochen haben sie es geschafft, die Stimmung zu drehen.
von Andrea Spalinger, Rom
Bis vor kurzem wurden Nichtregierungsorganisationen (NGO) und private Helfer, die auf dem Mittelmeer Bootsflüchtlinge retten, in Italien als Helden gefeiert und mit Verdienstmedaillen überhäuft. Nun werden sie als Helfershelfer der Schlepper verteufelt und müssen sich vor parlamentarischen Kommissionen verteidigen. Die Stimmung hat sich innerhalb von wenigen Wochen gedreht. Hatten zuvor nur rechtspopulistische Hardliner gegen die Rettungsaktionen auf hoher See mobil gemacht, schiessen heute diverse Oppositionspolitiker und sogar ein Minister gegen die NGO.
Angefangen hatte alles mit einem kritischen Bericht der EU-Grenzschutzagentur Frontex. Deren Chef, Fabrice Leggeri, ist überzeugt, dass die Rettungsaktionen vor der libyschen Küste einen Anreiz für Schlepperorganisationen schaffen. Damit steht er auch in Italien nicht alleine da. In Interviews hat der Franzose den privaten Helfern nun aber sogar vorgeworfen, in direktem Kontakt mit Menschenhändlern in Libyen zu stehen. Der Oberstaatsanwalt von Catania, Carmelo Zuccaro, nahm den Ball auf. Die NGO steckten unter einer Decke mit den Schmugglern und verfolgten mit ihrem Engagement finanzielle Interessen, behauptete er und leitete eine Untersuchung ein. Konkrete Beweise hat er nach eigenen Angaben keine. Das hält ihn aber nicht davon ab, seine Beschuldigungen gegenüber italienischen Medien täglich zu bestärken.
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