13. Februar 2017 · Kommentare deaktiviert für Tunesien: „Amnesty International dokumentiert Folter“ · Kategorien: Mittelmeerroute, Tunesien · Tags: , ,

DLF | 13.02.2017

Amnesty International wirft tunesischen Sicherheitskräften Folter und Misshandlungen vor.

In einem neuen Bericht beklagt die Organisation zahlreiche Menschenrechtsverletzungen, darunter körperliche Gewalt und willkürliche Festnahmen. Auch der Kampf gegen den Terrorismus rechtfertige keine Foltermethoden, die an die Zeiten der Herrschaft des früheren Präsidenten Ben Ali erinnerten. So habe es durch die neue Gesetzgebung in einigen Bereichen Fortschritte gegeben, doch gelte das nicht für Menschen, denen Terrorismus vorgeworfen werde, wobei dieser Begriff sehr vage gefasst sei. Unter anderem dokumentiert Amnesty International Schläge, Elektroschocks und Schlafentzug sowie sexuellen Missbrauch in Gewahrsam oder bei Hausdurchsuchungen.

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Spiegel Online | 13.02.2017

Tunesien: Amnesty warnt vor Rückkehr zu „brutalen Methoden der Vergangenheit“

Folter, Misshandlungen, willkürliche Verhaftungen: Amnesty International sieht die demokratischen Reformen in Tunesien durch wachsende Brutalität der Sicherheitskräfte im Kampf gegen den Terror gefährdet.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat den Sicherheitskräften in Tunesien eine Rückkehr zu „brutalen Methoden der Vergangenheit“ im Anti-Terrorkampf vorgeworfen. Tunesien setze mit dem im Zuge des geltenden Ausnahmezustands zunehmend gewaltsamen Vorgehen seiner Sicherheitskräfte die Errungenschaften des Arabischen Frühlings von 2011 aufs Spiel, heißt es in einem Amnesty-Bericht mit dem Titel „Menschenrechtsverletzungen unter dem Ausnahmezustand“.

Amnesty beklagt in dem Bericht „Folter“, „willkürliche Verhaftungen“, die zum Teil mitten in der Nacht und „ohne Haftbefehl“ erfolgten, „Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Verdächtigen“ und Repressionen gegen Angehörige. Die Sicherheitskräfte griffen bei der Terrorbekämpfung in „beunruhigendem Maß“ wieder auf „repressive Methoden gegen Verdächtige“ zurück. Das Folterverbot dürfe „unter keinen Umständen“ außer Kraft gesetzt werden, schreibt Amnesty mit Blick auf den Ausnahmezustand.

„Die Behörden haben zweifellos die Pflicht, auf Sicherheitsrisiken zu reagieren und die Bevölkerung vor tödlichen Anschlägen zu schützen“, sagte die Nordafrika-Direktorin der Menschenrechtsorganisation, Heba Morayef, zur Veröffentlichung des Berichts. Der Kampf gegen den Terrorismus rechtfertige aber keine Methoden, die an die Ära des früheren Präsidenten Zine el-Abidine Ben Ali erinnerten.

Tausende Tunesier kämpfen für den IS

Der Bericht zählt 23 Fälle von Folter und Misshandlung seit Januar 2015 auf. Die Betroffenen hatten Amnesty berichtet, sie seien über Stunden gefesselt sowie mit Stöcken und Gummischläuchen geschlagen worden. Zwei Männer berichteten von sexuellen Misshandlungen.

Die Menschenrechtsorganisation kritisierte außerdem, dass die Behörden lokale und internationale Reiseverbote gegen mindestens 5000 Personen ausgesprochen hätten. Die Zahl und das Ausmaß dieser Verbote seien „unangemessen“. Nach offizieller Darstellung soll dadurch der Bewegungsradius militanter Islamisten eingeschränkt und verhindert werden, dass sich weitere Tunesier der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) anschließen. Schätzungen zufolge sind in den vergangenen Jahren zwischen 3000 und 6000 Tunesier beim IS in Syrien, Libyen und im Irak gelandet.

Die tunesischen Behörden hatten den Ausnahmezustand nach dem Anschlag auf einen Bus der Präsidentenwache im November 2015 in der Hauptstadt Tunis mit zwölf getöteten Gardisten verhängt. Er war Mitte Januar um einen weiteren Monat verlängert worden und gibt den Sicherheitskräfte weitreichende Befugnisse.

Seit der Revolution in Tunesien im Frühling 2011 gab es in dem nordafrikanischen Land eine Reihe islamistischer Anschläge. Im März 2015 wurden bei einem Angriff auf das Bardo-Nationalmuseum in Tunis 21 ausländische Touristen getötet. Drei Monate später töteten bewaffnete Angreifer am Strand von Sousse 38 Menschen. Zu dem Angriff bekannte sich die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS).

anr/dpa/AFP

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