11. Februar 2017 · Kommentare deaktiviert für EU-Afrika-Gipfel: „Schlechtes Vorbild“ · Kategorien: Afrika, Europa · Tags: ,

taz | 10.02.2017

Afrikanische Staaten fühlen sich von der EU in der Fluchtursachenbekämpfung übergangen. Ostafrika bringt neun ­Millionen Flüchtlinge unter.

Christian Jakob

VALLETTA taz | Vertreter afrikanischer Staaten haben sich kritisch über die Zusammenarbeit mit Europa im Kampf gegen die irreguläre Migration geäußert. Nach einem Gipfel von rund 60 europäischen und afrikanischen Ländern am Mittwoch und Donnerstag in Malta warfen sie der EU vor, einseitig Entwicklungsprojekte zur Fluchtursachenbekämpfung aufzulegen, dabei aber afrikanische Interessen zu übergehen.

„Man kann nicht sagen, man hilft Afrika, und pickt sich einfach die Länder raus, die einem am wichtigsten sind“, sagte Tabitha Kentaro Sabiiti von der All Africa Conference of Churches. Sie kritisierte, dass rund 20 der 50 afrikanischen Staaten von der EU gar nicht erst eingeladen worden waren.

„Ich sage es ganz klar, Europa wird seine Türen nicht schließen“, hatte die EU-Außenkommissarin Federica Mogherini zu Beginn des Treffens gesagt. Der Europäische Auswärtige Dienst, eine Art Außenministerium der EU, hatte den Gipfel ausgerichtet. Die EU erwartet von dem 2015 begonnenen sogenannten Valletta-Prozess eine spürbare Verringerung der Zahl der in Europa ankommenden Flüchtlinge und mehr Kooperation afrikanischer Staaten bei Abschiebungen.

Obwohl es seit dem vergangenen Herbst geplant worden war, wurde die Afrikanische Union (AU) erst fünf Tage vor Beginn per Telefon gefragt, ob sie die Konferenz mitmoderieren wollte – für viele afrikanische Diplomaten ein klarer Beleg für die Dominanz der EU.

„Migration stand noch nie so sehr im Zentrum der europäisch-afrikanischen Beziehungen wie heute“, hieß es am Ende im Abschlussdokument des Treffens. Doch was daraus folgt, ist offen. Vorerst will die EU den mit 2,5 Milliarden Euro aus Entwicklungsmitteln aufgelegten Nothilfefonds für Afrika nicht weiter aufstocken. Rund eine Milliarde sind bislang noch nicht verteilt. Mit dem Geld werden teils klassische Entwicklungsprojekte finanziert, teils aber auch Maßnahmen zur Schließung von Migrations- und Fluchtrouten.

Laissez-Passers nicht anerkannt

Die Afrikanische Union beklagte sich, an der Verteilung der Mittel nicht beteiligt zu sein. „Es werden Entscheidungen ohne uns getroffen. Verträge werden an Institutionen und NGOs aus Europa vergeben“, sagte der AU-Sekretär Olawale Maiyegun aus Äthiopien.

Seit Monaten verhandelt die EU mit einer Reihe afrikanischer Staaten über Rücknahmeabkommen. Doch auch die fünf von der EU erkorenen Schwerpunktstaaten Mali, Senegal, Äthiopien, Niger und Nigeria weigern sich bislang, Abkommen zu unterzeichnen. „Wir verhandeln noch. Bislang gibt es noch nicht einmal einen Vertragstext“, sagte der malische Botschafter bei der EU, Sékou dit Gaoussou Cisse. Wie auch andere Staaten stört Mali sich daran, dass die EU zwar immer betont, „Mobilitätspartnerschaften“ eingehen zu wollen, aber keine konkreten Angebote für Visaerleichterungen macht. „Was die EU an Mobilität anbietet, ist nicht genug“, sagte Cisse.

Mehrere afrikanische Vertreter lehnten es erneut ab, in Zukunft Laissez-Passers genannte Abschiebepapiere anzuerkennen, die EU-Staaten selbst statt der Botschaften der Herkunftsstaaten ausstellen. „Unsere Angst ist, dass es dann schnell heißt: Ihr habt alle so ähnliche Haare, ihr kommt bestimmt alle aus Land X, dahin schicken wir euch jetzt zurück“, sagte Carolin Njuki, die Vertreterin des ostafrikanischen Staatenverbundes IGAD. Den EU-Türkei-Deal nannte Njuki ein „sehr schlechtes Vorbild“ für die Kooperation mit afrikanischen Staaten.

Njuki erinnerte daran, dass allein Ostafrika derzeit neun ­Millionen Flüchtlinge beherberge. „Und wir beschweren uns auch nicht die ganze Zeit.“ In Uganda etwa sei die Zahl der Flüchtlinge aus Südsudan auf über eine Million angestiegen. „In manchen Gegenden des Landes ist das Verhältnis von Flüchtlingen zu Einwohnern eins zu eins. Und hat Uganda die halbe Welt zum Krisengipfel eingeladen? Nein.“

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