08. Februar 2017 · Kommentare deaktiviert für „Balkanroute: Die Grenzschließung, an die niemand glaubte“ · Kategorien: Balkanroute, Deutschland, Österreich · Tags:

derStandard | 08.02.2017

Vor einem Jahr beschlossen die drei EU-Staaten Österreich, Slowenien und Kroatien mit Serbien und Mazedonien, die Balkanroute wieder zu schließen

Adelheid Wölfl

Sarajevo – In jede Balkan-Hauptstadt, die er besuchte, kam er mit der gleichen Botschaft: Es sei von Anfang an falsch gewesen, dass man das Weiterwinken in Griechenland „europäisch unterstützt“ habe, meinte Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) vor genau einem Jahr auf seiner einwöchigen Balkanreise, die die Schließung der griechisch-mazedonischen Grenze vorbereiten sollte.

Dem Gemeinschaftsprojekt der drei EU-Staaten Österreich, Slowenien und Kroatien und der Balkan-Staaten Serbien und Mazedonien lag die Erkenntnis zugrunde, dass der offene Korridor nach Österreich, Deutschland und Schweden einen „Pullfaktor“ darstellte, der die Migration über den Balkan massiv verstärkt hatte. Zudem wollte man, dass das EU-Recht, also die Dublin-Regelung, wonach das erste EU-Land, in dem die Flüchtlinge ankommen, zuständig ist, wieder durchgesetzt wird. Dass die Schließung tatsächlich so effizient sein würde, glaubten die Akteure damals aber selbst nicht.

In den österreichischen Behörden ging man davon aus, dass Mazedonien seine Grenze nur einige Tage halten würde können, und rechnete damit, dass Flüchtlinge in jedem Transitland nur jeweils für einige Tage gestoppt werden könnten. Man fürchtete eine finale Zuspitzung in Spielfeld – Österreich sollte aber Zeit gewinnen, um sich darauf vorzubereiten.

Legalisierung der Durchreise

Der Korridor über den Balkan war ursprünglich geöffnet worden, nachdem Mazedonien Mitte Juni 2015 die Durchreise von Flüchtlingen legalisiert hatte. Denn bereits im Frühling waren dutzende Flüchtlinge, die in der Nacht auf den Bahngeleisen durch Mazedonien gegangen waren, von Zügen erfasst und getötet worden.

In den folgenden Monaten waren an manchen Tagen bis zu 12.000 Menschen durch den Balkan gereist. Die Idee war zunächst einmal, diesen Zustrom zu verlangsamen und dann Schritt für Schritt bestimmte Gruppen nicht mehr durchzulassen.

Diese Einschränkungen (nur noch Kriegsflüchtlinge, keine Afghanen usw.) wurden bereits ab Mitte November von Slowenien eingeführt – und von Mazedonien und den anderen im Dominoeffekt umgesetzt. An den Grenzübergängen spielten sich dramatische Szenen ab. Viele Flüchtlinge blieben auf halbem Weg irgendwo im Niemandsland stecken. Sie beteuerten, dass sie niemals aufgebrochen wären, wenn sie von der sukzessiven Schließung gewusst hätten. Slowenien spielte ohnehin eine entscheidende Rolle, weil es sowohl gute Kontakte zu Österreich,als auch zu Mazedonien unterhielt. Die Koordination wurde über die Innenministerien geleitet. In manchen Staaten – wie in Österreich – war das Außenministerium stärker involviert.

Kein Masterplan

Es gab aber keinen Masterplan und keine Hierarchien. Es war eher ein monatelanges Brainstorming, das zu der Schließung führte, „ein breiter Meinungsbildungsprozess“, wie es auch heißt.

Der slowenische Innenstaatssekretär Bostjan Sefic erinnert sich etwa, wie jener Text vorbereitet wurde, der am 18. Februar 2016 von den Polizeidirektoren beschlossen worden war: „Der erste Entwurf reiste durch alle Länder, jedes Land hat etwas hinzugefügt, es war das Ergebnis einer Teamarbeit.“

Die Kooperation der Polizeidirektoren hatte sich bereits in den Monaten davor etabliert, und zwar aus der Not heraus und mitunter im Gegensatz zu den miesen Beziehungen zwischen manchen Staaten. Kurz lud die Regierungschefs und die Außenminister schließlich am 24. Februar nach Wien ein. Ein paar Tage später riegelte Mazedonien die Route ab.

„Scheinlösung“

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bezeichnete dies als „Scheinlösung“ . In der EU-Gipfelerklärung am 8. März hieß es hingegen: „Irreguläre Ströme von Migranten entlang der Route des westlichen Balkans müssen nun enden.“ Der Effekt setzte schnell ein. „Die Wahrnehmung, dass der Transitkorridor über den Westbalkan nicht mehr zur Verfügung stand, hat zu einem Rückgang der Ankünfte auf den östlichen Ägäisinseln geführt“, schrieb die EU-Grenzschutzagentur Frontex.

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