25. August 2016 · Kommentare deaktiviert für „Fluchtroute Schweiz?“ · Kategorien: Deutschland, Italien, Schweiz · Tags:

Quelle: DW

Schlepper und Flüchtlinge suchen immer neue Routen nach Europa. Nun beobachtet die schweizerische Grenzwacht einen Anstieg der Flüchtlingszahlen an der Grenze zu Italien – mit Auswirkungen auf Deutschland.

Die Schweiz ist landschaftlich schön und wohlhabend. Für viele Flüchtlinge, die aus Italien dorthin kommen, ist die Alpenrepublik selbst jedoch weniger interessant. Ihre Ziele sind Deutschland und Nordeuropa. Dafür nutzen sie „Schlupflöcher“ in der Schweiz. So jedenfalls sieht das der schweizerische Finanzminister und oberste Chef des Grenzwachtkorps Ueli Maurer von der rechtspopulistischen SVP.

Maurer verortet die „Schlupflöcher“ vornehmlich in den Südtälern im Kanton Bünden und im Tessin. Dort nämlich, im Süden der Schweiz, steige die Zahl der Flüchtlinge in diesen Tagen massiv an. Dafür gebe es erste Anzeichen, sagte Maurer im Interview mit schweizerischen Medien.

Wegen des Andrangs aus Italien verschärften die Behörden die Grenzkontrollen. Allein in der Grenzwachtregion Lugano wurden im Juni und Juli rund 9900 rechtswidrige Aufenthalte registriert. Gut 4200 Flüchtlinge wurden sofort nach Italien abgeschoben, teilte die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) der Deutschen Welle mit. Für die gesamte Schweiz wurden von Januar bis Juli 2016 mehr als 22.000 illegale Einreisen vermeldet, davon wurden 8300 Menschen zurückgeschickt.

Viele Flüchtlinge aus afrikanischen Staaten

Die meisten Flüchtlinge stammten aus Eritrea (rund 4700), gefolgt von Gambia (rund 1800), Nigeria und Afghanistan (jeweils 1400). Das Grenzwachtkorps im Tessin sei deshalb mit zusätzlichem Personal verstärkt worden. Man müsse zunehmend im 24-Stunden-Betrieb arbeiten, da die Migranten nun eher um Mitternacht kämen und nicht mehr während des Tages, erläutert Minister Maurer.
Die anderen Grenzwachtregionen verzeichneten keine Ankünfte oder nur geringe Zahlen. Einzige Ausnahme: Lausanne an der französischen Grenze. Hier wurden mehr als 3100 Personen aufgegriffen. Die Behörden vermuten die Ursache in einer Fluchtroute über Frankreich.

„Armutszeugnis für Europa“

Miriam Behrens, Direktorin bei der schweizerischen Flüchtlingshilfe, kritisiert die Vorgehensweise der schweizerischen Behörden: „Was wir beobachten können, ist, dass es ein so genanntes „racial profiling“ gibt. Leute mit dunkler Hautfarbe werden aus den Zügen oder Bussen geholt und zu den Verhören gebracht.“

Eigentlich besteht für die Flüchtlinge die Möglichkeit, in der Schweiz einen Antrag auf Asyl zu stellen und auch im Land zu bleiben. Doch nicht alle beantragen an den Schweizer Grenzen Asyl. Viele sagen, dass sie nach Deutschland oder Skandinavien wollen.
In diesem Fall aber droht ihnen die sofortige Abschiebung zurück in den Staat, aus dem sie gekommen sind, meist also nach Italien. Miriam Behrens stellt fest: „Vielen Leuten, mit denen ich gesprochen habe, ist das Konzept Asyl nicht bekannt. Einige tauchen unter. Deren Zahl ist relativ groß.“

Die Schweiz reagiere aber auch aus einem anderen Grund sehr restriktiv. Man wolle nicht zum Transitland werden. „Die Schweiz versucht sich zu schützen – wie andere Länder auch“, sagt die Direktorin der Flüchtlingshilfe: „Dadurch werden Flüchtlinge in Europa hin und her geschoben. Das ist ein Armutszeugnis für Europa und ein gesamteuropäisches Problem.“

Anstieg an deutschen Südwestgrenzen

Viele Flüchtlinge, die es in die Schweiz geschafft haben, versuchen anschließend, nach Deutschland einzureisen. Im Juni und Juli 2016 wurden jeweils gut 1000 Personen registriert, die illegal die Grenze passierten. Im April waren es noch unter 300 gewesen.

Insgesamt kamen zwischen Januar und Juli knapp 3400 Flüchtlinge über die Schweiz nach Deutschland. Im gesamten Vorjahr waren es knapp 2500 Menschen. Das deutsche Innenministerium in Berlin bestätigte, dass die Zahl der Einreisen von Flüchltingen aus der Schweiz gestiegen sei. Sie liege aber pro Tag „im unteren bis mittleren zweistelligen Bereich“, sagte ein Sprechen der Deutschen Presseagentur.
Warum die Leute nicht in der wirtschaftlich stabilen Schweiz bleiben, begründet Miriam Behrens so: „Bei vielen haben sich Bilder von Deutschland oder Schweden im Kopf festgesetzt, da dort Bekannte oder Verwandte leben.“ Daher versuchten viele, auch dorthin zu gelangen, selbst dann, wenn sie zuerst in der Schweiz Asyl beantragt haben.

Mehr Bundespolizisten im Einsatz

Im Fokus der Polizei stehen weniger die Flüchtlinge selbst, sondern die Schlepperorganisationen, die im Hintergrund agieren und immer neue Routen für den Weg nach Europa entwickeln.

Da zur Ferienzeit die Grenzen im Urlaubs- und Transitland Schweiz ohnehin überlastet sind, deutet vieles auf ein Kalkül der Schlepper hin, sich diesen Umstand zunutze zu machen. Um gegenzusteuern habe auch Deutschland zusätzliche Grenzschützer und Bundespolizisten in die Region entsandt, sagte der Schweizer Minister Ueli Maurer.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, die Bundespolizei ergreife an der Grenze zur Schweiz – wie bereits seit Wiedereinführung der Grenzkontrollen an der deutsch-österreichischen Grenze – „einreiseverhindernde, beziehungsweise aufenthaltsbeendende Maßnahmen“. Dabei gebe es zwischen der Schweiz und Deutschland einen regelmäßigen Informationsaustausch.

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