16. April 2016 · Kommentare deaktiviert für Besuch im Niemandsland: „Wir wurden vergessen“ · Kategorien: Balkanroute, Kroatien, Serbien

Quelle: N24

Seit der Schließung der Grenzen auf dem Balkan sitzen rund 1000 Flüchtlinge zwischen Serbien und Kroatien fest. Dschijan Ali ist einer von ihnen. Ein Ortsbesuch im Wald der vergessenen Flüchtlinge.

Dschijan Ali geht über einen gewundenen Pfad durch den dichten Eichenwald an der Grenze von Serbien und Kroatien und kann sein Pech nicht glauben. Er hat es bis nach Europa geschafft, über stürmische See und zerklüftete Berge, um jetzt wenige Meter vor seinem Traumziel gestoppt zu werden: der Europäischen Union.

Der 20 Jahre alte Kurde aus Rodschawa in Syrien sitzt zusammen mit etwa 200 anderen Flüchtlingen seit der Schließung der Balkanroute Anfang März auf der serbischen Seite der Grenze fest. Jetzt gibt es keinen legalen Weg für die Gruppe, sich weiter vorwärts in die Mitte Europas zu bewegen – und auch nicht zurück nach Griechenland oder in die Türkei. Sie hausen in einer heruntergekommenen früheren Nervenheilanstalt, in einem Land, das ihnen weder Arbeit noch andere Möglichkeiten bieten kann.

Während sich die Politik auf den EU-Türkei-Deal fokussiert, mit dem Migranten von Griechenland in die Türkei zurückgebracht werden sollen und in den Nachrichten die Bilder von den Zehntausenden Menschen laufen, die an der griechischen Grenze zu Mazedonien festsitzen, sind Ali und etwa 1000 Syrer, Afghanen und Iraker in Serbien gestrandet und fühlen sich von der internationalen Gemeinschaft alleingelassen.

Ihr Lachen hallt einsam im Wald

Mehr als eine Million Menschen sind im vergangenen Jahr über die Balkanroute nach Europa gelangt, die meisten davon nach Deutschland oder in andere wohlhabende EU-Staaten. „Wir wurden vergessen“, sagt Ali, während er sich mit ein paar befreundeten Flüchtlingen auf den täglichen Spaziergang macht.

Die Strecke ist ein enger, schmutziger Pfad entlang der Grenze zu einem rostigen Drahtzaun, der das Niemandsland zwischen den beiden ehemaligen jugoslawischen Republiken markiert. Einige haben Spaß dabei, hin und her zu springen zwischen Serbien und dem, was sie für das EU-Land Kroatien halten.

„Balkan, Europa, Balkan, Europa“, albern Ali und seine Freunde herum. Ihr Lachen hallt durch den dichten Wald mit den ersten Frühlingsboten und Wildblumen. Keine Grenzsoldaten sind in Sicht entlang des Grenzstreifens, der während des Balkankriegs in den 90er-Jahren stark vermint war.

„Manchmal denke ich, das ist der Balkan, das ist Europa. Ich muss nur ein paar Schritte hinüber machen“, sagt Ali. „Ich weiß nicht, wie schlau es ist, diesen Schritt zu tun. Aber vielleicht ist es besser, Schleuser zu benutzen, um dorthin zu gelangen.“

Nur wenige Flüchtlinge kommen noch durch

Hoffnung und Geduld schwinden, das Geld wird knapp. Deswegen versuchen immer mehr Migranten in Serbien, die Hängepartie mit Hilfe von Menschenschmugglern zu beenden. Mitarbeiter örtlicher Hilfsorganisationen berichten, dass etwa 100 Menschen jeden Tag versuchen, von Serbien nach Kroatien oder etwas weiter nördlich nach Ungarn zu gelangen. Doch die meisten würden gefasst. Und jeden Tag kommen etwa 130 neue Flüchtlinge nach Serbien, die meisten über versteckte Übergänge durch Bulgarien, wie es aus Behördenkreisen heißt.

„Ich bin jetzt seit zweieinhalb Monaten hier“, sagt Amir Eskandari, ein 17 Jahre alter Afghane, der allein unterwegs ist und nach Deutschland will. „Ich habe es drei Mal nach Ungarn versucht, zwei Mal nach Kroatien. Jedes Mal hat mich die Polizei erwischt. Ich werde es weiter versuchen.“

Ehsan Rahmatjan, 20, der ebenfalls aus Afghanistan kommt, sagt, er habe genug davon, auf die Wiederöffnung der Grenzen zu warten. „Ich denke, ich werde mich für die Rückkehr entscheiden“, sagt er. „Ich kam hierher mit Schleusern. Ich hatte eine Menge schlechte Erfahrungen, gefährliche Sachen. Deswegen will ich es nicht wieder mit Schleppern versuchen. Es ist gefährlich, es ist sehr hart.“

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