12. April 2016 · Kommentare deaktiviert für Nach Schließung der Balkanroute: Letzter Ausweg Italien? · Kategorien: Italien, Mittelmeerroute · Tags:

Quelle: Deutschlandfunk

Nach der Schließung der Balkanroute rechnet Italien damit, wieder zum bevorzugten Fluchtziel in Europa zu werden. Die österreichische Regierung fürchtet bereits Zustände wie in den vergangenen Jahren, als sich Flüchtlinge auf eigene Faust auf den Weg in Richtung Norden machten. Sie bereitet Grenzkontrollen am Brenner vor.

Die italienische Küstenwache im Einsatz. Das Rettungsschiff „Diciotti“ nimmt Menschen von einem überladenen Holzkahn an Bord. Ganz langsam, einen nach dem anderen, die Kinder zuerst. Allein gestern wurden unter anderem von der deutschen Marine 2.104 Menschen von sinkenden Booten im Kanal von Sizilien gerettet. Und heute hat die Kommandozentrale der Küstenwache in Rom gleichzeitig zehn verschiedene Einsätze koordiniert. Mehr als 20.000 Menschen sind in diesem Jahr über das Mittelmeer nach Italien geflohen, deutlich mehr als im Vorjahr. Doch dieser Anstieg hat nichts mit den geschlossenen Grenzen auf dem Balkan und einer Verlagerung der Flüchtlingsroute zu tun, sagt Flavio Di Giacomo von der Internationalen Organisation für Migration.

„Die Menschen, die jetzt kommen, sind Nigerianer, Gambier und Malier. Vor allem Menschen aus Westafrika, Somalia und Eritrea. Die Schließung der Balkanroute hat noch überhaupt keine Auswirkungen auf Italien. Das kann natürlich passieren, aber noch können wir dazu nichts sagen.“

Italien geht von zwei möglichen Fluchtrouten aus

Die Annahme, dass Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien nun wieder verstärkt über Italien in die Europäische Union kommen, geht von zwei möglichen Fluchtrouten aus. Einmal die über die Adria, zum Beispiel von Albanien aus. Italiens Innenministerium arbeitet deshalb eng mit den albanischen Behörden zusammen. Offenbar erfolgreich. Denn bisher wurde an der italienischen Adriaküste noch keine Ankunft aus Albanien gemeldet. Die andere Fluchtroute geht über Libyen und wurde im Jahr 2014 von zigtausenden Syrern genutzt. Doch die Situation in Libyen hat sich gewandelt, sagt Flavio di Giacomo.

„Wir bezweifeln, dass in diesem Jahr mehr Flüchtlinge über Libyen kommen. Denn Libyen ist sehr gefährlich, mit ISIS und anderen Gruppen. Syrer reisen mit Familien, da ist eine Flucht nach Italien über Libyen eigentlich undenkbar.“

Die unsichere Lage in Libyen ist auch ein Grund dafür, dass in diesen Wochen so viele Afrikaner aus Libyen nach Europa fliehen. Einmal an Land in Italien, müssen sie registriert werden – mit Fingerabdrücken und Fotos. Im sogenannten Hotspot in Trapani auf Sizilien geschieht das bereits, sagt der Leiter der Einrichtung, Francesco Palermo-Patera.

„2.305 Personen haben in den letzten zwei Monaten diesen Hotspot durchlaufen und sie sind alle registriert worden.“

Österreich kritisiert „Politik des Durchwinkens“

Die österreichische Regierung hat ihre Zweifel, dass das überall in Italien geschieht, und fürchtet Zustände wie in den vergangenen Jahren, als sich Flüchtlinge auf eigene Faust auf den Weg in Richtung Norden gemacht haben. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner war in der vergangenen Woche in Rom, um der italienischen Regierung klarzumachen, dass die „Politik des Durchwinkens“ zu Ende sein müsse.

„Funktioniert dieses Modell, werden wir den Brenner nicht schließen müssen. Funktionieren aber alle diese Maßnahmen nicht, werden wir rigoros kontrollieren müssen und werden die Migranten in das sichere Nachbarland Italien zurückweisen.“

Heute Vormittag haben am Brenner, an der italienisch-österreichischen Grenze die Bauarbeiten begonnen. Bis Ende Mai werden hier wieder Grenzkontrollpunkte aufgebaut. Für alle Fälle.

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siehe auch: ARD Tagesschau

Über Libyen nach Italien: Mehr Flüchtlinge – aber aus Afrika

Seit der Schließung der Balkanroute rechnen Beobachter mit steigenden Flüchtlingszahlen in Italien. Und in der Tat kommen dort deutlich mehr Schutzsuchende an – doch sie stammen vor allem aus Afrika.

Von Tilmann Kleinjung, ARD-Studio Rom

Die italienische Küstenwache im Einsatz. Das Rettungsschiff „Diciotti“ nimmt Menschen von einem überladenen Holzkahn an Bord. Ganz langsam, einen nach dem anderen, die Kinder zuerst.

Allein am Montag wurden – unter anderem von der deutschen Marine – 2104 Menschen von sinkenden Booten im Kanal von Sizilien gerettet. Und heute hat die Kommandozentrale der Küstenwache in Rom gleichzeitig zehn verschiedene Einsätze koordiniert.

Mehr als 20.000 Menschen sind in diesem Jahr über das Mittelmeer nach Italien geflohen, deutlich mehr als im Vorjahr. Doch dieser Anstieg habe nichts mit den geschlossenen Grenzen auf dem Balkan und einer Verlagerung der Flüchtlingsroute zu tun, sagt Flavio Di Giacomo von der Internationalen Organisation für Migration. Jetzt kämen vor allem Menschen aus Ostafrika – aus Somalia und Eritrea, aber auch aus Westafrika, aus Nigeria, Gambia oder Mali.
Zwei Fluchtrouten denkbar

Die Annahme, dass Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien nun wieder verstärkt über Italien in die Europäische Union kommen, geht von zwei möglichen Fluchtrouten aus. Einmal über die Adria, zum Beispiel von Albanien aus. Italiens Innenministerium arbeitet deshalb eng mit den albanischen Behörden zusammen. Offenbar erfolgreich. Denn bisher wurde an der italienischen Adriaküste noch keine Ankunft aus Albanien gemeldet.

Die andere Fluchtroute geht über Libyen und wurde im Jahr 2014 von zigtausenden Syrern genutzt. Doch die Situation in Libyen habe sich gewandelt, sagt Flavio di Giacomo. Dort sei es angesichts des Vormarsches der Dschihadisten-Miliz „Islamischer Staat“ und anderer Gruppen inzwischen sehr gefährlich. Syrer, so Di Giacomo, „reisen mit Familien, da ist eine Flucht nach Italien über Libyen eigentlich undenkbar“.

Die Registrierung ist entscheidend

Die unsichere Lage in Libyen ist auch ein Grund dafür, dass in diesen Wochen so viele Afrikaner aus Libyen nach Europa fliehen. Einmal an Land in Italien, müssen sie registriert werden – mit Fingerabdrücken und Fotos. Im sogenannten Hotspot in Trapani auf Sizilien geschehe das bereits, sagt der Leiter der Einrichtung, Francesco Palermo-Patera. In den vergangenen zwei Monaten hätten mehr als 2000 Flüchtlinge den Hotspot durchlaufen – „und sie sind alle registriert worden“.

Die österreichische Regierung hat ihre Zweifel, dass das überall in Italien geschieht und fürchtet Zustände wie in den vergangenen Jahren, als sich Flüchtlinge auf eigene Faust auf den Weg in Richtung Norden machten.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner war in der vergangenen Woche in Rom, um der italienischen Regierung klarzumachen, dass die „Politik des Durchwinkens“ zu Ende sein müsse. Funktioniere das Modell, werde Österreich den Brenner nicht schließen müssen, betonte sie. Andernfalls „werden wir rigoros kontrollieren müssen und werden die Migranten in das sichere Nachbarland Italien zurückweisen“.

Heute Vormittag begannen am Brenner, an der italienisch-österreichischen Grenze, die Bauarbeiten. Bis Ende Mai werden hier wieder Grenzkontrollpunkte aufgebaut. Für alle Fälle.

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