03. April 2016 · Kommentare deaktiviert für „Ab Montag werden Flüchtlinge in die Türkei zurückgeschickt“ · Kategorien: Europa, Griechenland, Türkei · Tags:

Quelle: Zeit Online

Die Umsetzung des EU-Türkei-Deals beginnt: Zwei Schiffe sollen die ersten 750 Migranten in die Türkei bringen. In Deutschland werden dann erste Flüchtlinge erwartet.

Zwei Tage vor dem offiziellen Start der geplanten Abschiebung von Flüchtlingen und Migranten von Griechenland in die Türkei sind erste Details bekannt geworden. Der Plan der griechischen Küstenwache und der europäischen Grenzschutzagentur Frontex sieht vor, dass von Montag bis einschließlich Mittwoch rund 750 Asylsuchende an Bord von zwei türkischen Schiffen aus der griechischen Stadt Mytilini, dem Hauptort von Lesbos, in den türkischen Hafen von Dikili gebracht werden. Dies berichtete die halbamtliche griechische Nachrichtenagentur ANA-MPA unter Berufung auf Regierungskreise.

Die Türkei hat mit dem Bau von zwei Registrierungszentren für die zurückgenommenen Menschen begonnen. In Çeşme, gegenüber der griechischen Insel Chios, legten Arbeiter Wasserleitungen und Kabel in einer 500 Quadratmeter großen Anlage, wie Bürgermeister Muhittin Dalgıç einem Bericht der Nachrichtenagentur Anadolu zufolge sagte. Vorgesehen sind dort Zelte, in denen Fingerabdrücke genommen werden sollen, sowie sanitäre Anlagen. Das zweite Registrierungszentrum für die Flüchtlinge entsteht in Dikili in derselben Provinz gegenüber der griechischen Insel Lesbos. Türkischen Vertretern zufolge handelt es sich aber nicht um Flüchtlingslager im eigentlichen Sinn. „Sobald die Gesundheitstests und die Registrierung abgeschlossen sind, werden sie in Lager gebracht“, sagte Dalgıç.

Die Abschiebungen sollen unter strengen Sicherheitsauflagen ablaufen: Ein Polizist soll jeweils einen Menschen begleiten, der ausgewiesen wird. Bei den Schiffen handelt es sich um den türkischen Katamaran Nazli Jale und die türkische Kleinfähre Lesbos. Das erste Schiff kann pro Reise rund 200 Menschen – 100 Migranten oder Flüchtlinge sowie 100 Polizisten – transportieren. Die Kleinfähre könne pro Überfahrt 50 Migranten und 50 Polizisten mitnehmen.

Die erste Überfahrt soll gegen 10.00 Uhr Ortszeit in Mytilini starten. Die illegal nach Griechenland eingereisten Migranten sollen zuvor mit Bussen aus den Aufnahmelagern von Moria nach Mytilini gebracht werden.

Das griechische Parlament hatte am Freitag einem entsprechenden Gesetz zur Flüchtlingsrückführung zugestimmt. Im Eilverfahren votierten 169 Abgeordnete am Freitagabend für eine Vorlage zur Umsetzung des EU-Pakts mit Ankara, die die Rückführung nach dem 20. März illegal eingereister Migranten regelt. 107 stimmten dagegen.

Die EU und die Türkei hatten Mitte März vereinbart, dass alle ab dem 20. März in Griechenland illegal ankommenden Flüchtlinge in die Türkei zurückgeschickt werden. Die EU unterstützt im Gegenzug die Türkei mit Geld und sagt zu, für jeden zurückgeschickten Flüchtling einen syrischen Asylbewerber direkt aus der Türkei auf legalem Wege aufzunehmen. Damit soll Menschenschmugglern und Schleusern die Geschäftsgrundlage entzogen und verzweifelte Menschen davon abgebracht werden, ihr Leben bei der Überfahrt zu griechischen Inseln in nicht seetauglichen Booten zu riskieren.

Deutschland nimmt 1.600 Flüchtlinge auf

Deutschland will einem Zeitungsbericht zufolge zunächst 1.600 Flüchtlinge aus der Türkei aufnehmen. Bei Bedarf werde die Bundesregierung weitere 13.500 Plätze bereitstellen, meldete die Welt am Sonntag unter Berufung auf das Bundesinnenministerium. Bereits am Montag könnten die ersten Flüchtlinge eintreffen.

Auch in den Niederlanden werden die ersten syrischen Flüchtlinge, die legal und direkt aus Flüchtlingslagern in der Türkei einreisen, am Montag oder Dienstag erwartet. Wie viele Syrer es genau sein werden, ist noch unklar. Nach einem Bericht des niederländischen Fernsehens NOS sollten zunächst vor allem Familien mit Kindern aufgenommen werden.

Aus der griechischen Regierung verlautete, dass die Abschiebungen auf Lesbos beginnen sollen – mit Migranten aus Afghanistan, Pakistan und anderen Staaten, denen keine Aussicht auf Asyl gegeben wird. Der Transport soll unter strengen Sicherheitsvorkehrungen stattfinden. An Bord von Bussen sollen die Beamten die Migranten von Flüchtlingslagern auf den Inseln zu gecharterten Booten bringen.

Krawalle auf Chios

Denn vor Beginn der Rückführung ist die Lage auf den griechischen Inseln angespannt. Viele Migranten weigerten sich, ausgewiesen und in die Türkei zurückgebracht zu werden, hieß es. Sicherheitskräfte auf den Inseln befürchteten weitere Ausschreitungen.

Auf der Insel Chios waren zuvor Hunderte Menschen aus einem Auffanglager ausgebrochen. Wie die Zeitung Ta Nea berichtete, durchschnitten sie den Maschendrahtzaun um das Lager und machten sich auf den Weg Richtung Inselhafen. Zudem waren in dem Lager nach gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Syrern und Afghanen zwei Männer mit Stichverletzungen ins Krankenhaus gekommen. Die Hilfsorganisation Ärzte der Welt zog ihr Team zunächst aus dem Lager ab. Bei den Krawallen war auch das Zelt zur medizinischen Versorgung der Flüchtlinge zerstört worden.

Das Lager auf Chios ist für 1.200 Menschen ausgelegt, Berichten zufolge waren es zuletzt 1.500. Dumpfe Schläge und laute Rufe ertönten nachts aus dem „Hotspot“, bis die Polizei anrückte. Die Behörden auf Chios forderten von Athen Bereitschaftspolizisten zur Verstärkung, weil es mittlerweile fast jeden Tag zu Ausschreitungen kommt.

Ausharren am Grenzübergang

Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe tätlicher Auseinandersetzungen in den überfüllten Unterkünften und an anderen Orten in Griechenland, in denen nach der Schließung der Balkanroute mehr als 52.000 Menschen festsitzen, die eigentlich nach Mitteleuropa wollten. Mehr als 11.000 harren allein am Grenzübergang Idomeni aus und weigern sich, von dort in Lager überzusiedeln. Sie klammern sich an die Hoffnung, doch wieder in Richtung Norden durchgelassen zu werden, auch wenn die griechisch-mazedonische Grenze seit fast einem Monat geschlossen ist.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR rief Griechenland und die Türkei auf, die Sicherheit der Asylsuchenden zu gewährleisten. Besonders für 4.000 Menschen in Lagern auf den griechischen Inseln werde die Lage immer schlechter, hieß es. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International äußerte zudem Sorgen über das Schicksal der Syrer nach ihrer Rückführung in die Türkei. Seit Mitte Januar seien von dort Syrer in ihre kriegszerrüttete Heimat abgeschoben worden.

Täglich seien das rund 100 Menschen, die oft in der Türkei nicht registriert gewesen seien. „Die EU-Staats- und Regierungschefs haben vorsätzlich die grundlegendste Tatsache ignoriert: Die Türkei ist kein sicheres Land für syrische Flüchtlinge“, sagte John Dalhuisen, Amnesty-Direktor für Europa und Zentralasien.

Die griechische Regierung regierte nicht direkt auf die Kritik. Migrationsminister Ioannis Mouzalas versicherte dem Parlament aber, dass die Menschenrechte der Asylbewerber gewahrt würden.

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siehe auch: Süddeutsche Zeitung

Flüchtlinge protestieren gegen Rückführung in die Türkei

Athen/Istanbul (dpa) – Die geplante Rückführung von Flüchtlingen aus Griechenland in die Türkei stößt in beiden Ländern auf wachsende Widerstände. Migranten auf den Ägäis-Inseln Lesbos und Chios protestierten gegen die Pläne und sprachen von „Deportationen“.

Die Abschiebungen sollen nach dem Flüchtlingspakt der EU mit der Türkei am Montag beginnen. Die Stimmung sei explosiv, hieß es bei der Küstenwache. In der Türkei wiederum gibt es Widerstände gegen die Aufnahme der Flüchtlinge.

Der Plan der griechischen Küstenwache und der EU-Grenzschutzagentur Frontex sieht vor, dass von Montag bis Mittwoch zunächst rund 750 Asylsuchende, die illegal auf die Ägäis-Inseln gekommen sind, in die Türkei zurückgebracht werden. Im Gegenzug werden in Deutschland und anderen EU-Ländern die ersten Syrer erwartet, die auf Grundlage des Flüchtlingspakts legal in der Europäischen Union aufgenommen werden sollen.

In Hannover sollen am Montag bis zu 40 Syrer mit zwei Linienmaschinen eintreffen, vor allem Familien mit Kindern. Sie werden zunächst in das niedersächsische Erstaufnahmelager Friedland gebracht, bevor sie später auf die Bundesländer verteilt werden. Neben Deutschland wollen nach Angaben aus Regierungskreisen Anfang der Woche auch die Niederlande, Frankreich, Finnland und voraussichtlich Portugal syrische Flüchtlinge aus der Türkei aufnehmen. Insgesamt ist die Aufnahme von bis zu 72 000 Syrern auf diesem Wege in der EU geplant.

Die Behörden in Griechenland stellen sich auf erhebliche Widerstände unter den Flüchtlingen ein, die zwangsweise zurückgebracht werden sollen. „Für jeden Migranten, der ausgewiesen wird, werden wir einen Polizisten als Aufpasser einsetzen“, sagte ein Offizier der Küstenwache der Deutschen Presse-Agentur. „Unsere Angst ist, wie man diese Menschen aus den Lagern rausholt.“ Laut Bundesinnenministerium werden bis Montag 30 Bundespolizisten und acht Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Griechenland erwartet.

Hunderte Flüchtlinge, die am Freitag aus dem „Hotspot“ von Chios ausgebrochen waren, harrten im Hafen der Inselhauptstadt aus. „Athen, Athen“ und „Freiheit, Freiheit“ skandierten sie. Die Menschen fordern, dass Fähren sie zum griechischen Festland und nicht in die Türkei bringen. Zwei Fähren wurden deshalb umgeleitet, sie legten außerplanmäßig im Hafen von Mestá im Westen der Insel an, wie der griechische Rundfunk berichtete.

In den „Hotspots“ werden Flüchtlinge seit Inkrafttreten des Flüchtlingspakts mit der Türkei festgehalten, um in die Türkei abgeschoben werden zu können. Das griechische Parlament machte am Freitagabend im Eilverfahren den Weg für die Rückführungen frei. Menschenrechtsorganisationen sehen die Vereinbarung der EU mit Ankara äußerst kritisch. Laut Amnesty International soll die Türkei in den vergangenen Wochen massenhaft Flüchtlinge aus Syrien in das Bürgerkriegsland abgeschoben haben.

In der westtürkischen Hafenstadt Dikili protestierten Hunderte Demonstranten gegen die Aufnahme von Migranten aus Griechenland. Wo die Menschen dort unterkommen sollen, scheint bislang noch ungeklärt. Ein Augenzeuge sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Standort für die geplante Flüchtlingsunterkunft in Dikili sei derzeit noch ein mit Gras bewachsenes Feld.

In Deutschland ist die Zahl der Neuankömmlinge nach Abriegelung der Balkanroute hingegen massiv zurückgegangen. Bundesweit wurden im März nur noch rund 20 000 neue Flüchtlinge registriert. Das geht aus dem sogenannten „Easy“-System von Bund und Ländern hervor, wie die Deutsche Presse-Agentur aus gut informierten Kreisen erfuhr. Im Februar waren es noch 61 428 gewesen, im Januar 91 671.

Österreich kündigte trotzdem an, Soldaten an der Grenze einzusetzen. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) sagte der „Welt“: „Da die EU-Außengrenzen derzeit noch nicht effektiv geschützt werden, wird Österreich in Kürze strikte Grenzkontrollen hochziehen. Das bedeutet massive Grenzkontrollen am Brenner, auch mit Soldaten.“

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siehe auch: Ekathimerini

Uncertainty reigns a day before migrants are to be returned to Turkey

Less than 24 hours before Greece is due to begin returning migrants to Turkey, little sign of preparation is evident on Lesbos, the island through which hundreds of thousands of people have poured into Europe since last year.

More than 5,600 migrants have been registered on Greek islands since March 20, the date on which the agreement takes effect. Returns are due to begin on Monday, but where they will take place from and how many will be returned remains unclear.

„Planning is in progress,“ said George Kyritsis, a Greek government spokesman for the migration crisis.

The returns are a key part of an agreement between the European Union and Turkey aimed at ending the influx into Europe of migrants and refugees fleeing poverty and war in the Middle East, Asia and Africa.

Under the agreement, migrants who cross into Greece illegally from Turkey from March 20 will be sent back to Turkey once their asylum applications have been processed.

The Athens News Agency reported over the weekend that the returns would begin on Monday morning on two Turkish passenger ships chartered by Frontex, the EU border agency. The ships will sail from Lesbsos across to the Turkish coastal town of Dikili.

Some 250 people would be returned each day through Wednesday, it said, without citing sources.

Greek officials would neither confirm nor deny the report. A police spokesman on Lesbos said the force was still awaiting instructions.

The EU plans to send hundreds of police and migration officers to Greece over the weekend to help carry out the first returns.

On Friday, Greece’s parliament passed an asylum amendment bill needed to implement the agreement. The legislation does not explicitly designate Turkey as a „safe third country“ – a formula to make any mass returns legally sound.

The United Nations High Commissioner for Refugees and human rights groups have denounced the deal as lacking legal safeguards. Amnesty International has called it deal „a historic blow to human rights“. It said it would sent a delegation to Lesbos and nearby Chios on Monday to monitor the situation.

„The returns in particular are a flagrant violation of EU and international law, making a mockery of the global Refugee Convention,“ Amnesty said in a statement.

[Reuters]

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