29. Februar 2016 · Kommentare deaktiviert für Deutschland, Marokko Abschiebungen: Hintergrund · Kategorien: Deutschland, Hintergrund, Marokko · Tags:

Quelle: Die Welt

Ein Anruf ebnete de Maizière in Marokko den Weg

Lange sollen sich nordafrikanische Länder wie Marokko gesträubt haben, abgelehnte Asylbewerber aus Deutschland wieder aufzunehmen. Das soll sich jetzt ändern, wenn sich der Bundesrat nicht querstellt.

Von Alfred Hackensberger, Rabat

Das Resümee von Thomas de Maizière fiel äußerst positiv aus: „Wir sind sehr zufrieden, die Abschiebung wird schneller und effizienter erfolgen“, sagte der Bundesinnenminister zum Abschluss seines Besuchs in Marokko. Das nordafrikanische Königreich war die erste Station auf seiner dreitägigen Maghreb-Reise, die ihn weiter nach Algerien und Tunesien führt.

In der marokkanischen Hauptstadt Rabat schien de Maizière kein großes Verhandlungsgeschick nötig zu haben. Von der Verzögerungstaktik der Behörden Marokkos bei der Rücknahme ihrer Staatsangehörigen aus Deutschland, über die noch vor Wochen geklagt wurde, war keine Rede mehr. Vielmehr schienen der Minister und seine 15-köpfige Delegation offene Türen einzurennen.

Am Sonntagabend hatte es ein Abendessen mit dem marokkanischen Amtskollegen Mohammad Hassad gegeben, bei dem man schon alle wesentliche Punkte besprochen und geklärt zu haben schien. Am nächsten Morgen fand dann das offizielle Treffen mit der deutschen Delegation im Sitz des Innenministeriums statt. Sie dauerte nicht einmal eine Stunde.

Zuvor hatten sich die beiden Innenminister noch zu einem kurzen Gespräch unter vier Augen zusammengesetzt. Und nun bekommt Deutschland im Prinzip genau das, was es gefordert hatte: „Marokko ist bereit, diejenigen zurückzunehmen, die 2015, vor allen Dingen im Herbst, zu uns gekommen sind und sich vielfach als Syrer ausgegeben haben.“ Das gab de Maizière unmittelbar im Anschluss an die Sitzung bekannt.

Ausreise in ganz normalen Linienmaschinen

Diese Kehrtwende im Umgang mit den marokkanischen Flüchtlingen kam durch ein Telefonat zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und König Mohammed VI. zustande. Hintergrund waren dafür die Vorfälle der Silvesternacht in Köln mit den brutalen Übergriffen nordafrikanischer Männer auf Frauen. De Maizière bezeichnete dieses Telefongespräch, das Anfang Februar stattgefunden hatte, als „Durchbruch“ in den Bemühungen um eine bessere Zusammenarbeit mit dem Königreich. Der Monarch hatte der Bundesregierung damals volle Kooperationsbereitschaft zugesagt.

„Die Flüchtlinge werden anhand ihrer Fingerabdrücke identifiziert und in normalen Linienmaschinen ausgeflogen“, erklärte der Innenminister dem Tross von 16 mitgereisten Journalisten aus Deutschland. „Eine zahlenmäßige Beschränkung gibt es dabei nicht.“ Bei Anfragen von deutschen Behörden zur Identifizierung von Flüchtlingen werde Marokko innerhalb von 45 Tagen antworten.

Die Rückführung ist Teil eines Sicherheitsabkommens mit Marokko, an dem seit zwei Jahren gearbeitet wird. Es umfasst neben der Zusammenarbeit in Flüchtlingsfragen auch die Bekämpfung von Terrorismus und dem Netzwerk von Schleusern, die den internationalen Menschenhandel von Migranten über Grenzen organisieren. „Marokko ist ein Land mit langjähriger Erfahrung, das dabei sehr erfolgreich ist“, lobte der deutsche Innenminister.

Nach dem Ansturm von Tausenden von Flüchtlingen aus Schwarzafrika nach Spanien Anfang der 2000er-Jahre hat Marokko die Grenzen kurzerhand dichtgemacht – und das an einer fast 500 Kilometer langen Küste am Mittelmeer. Eine Maßnahme, die man sich in Europa auch von der Türkei wünscht.

Im Kampf gegen Terrorismus ist Marokko eine der führenden Nationen. Sie hat Frankreich über den Aufenthalt eines der Paris-Attentäter in St. Denis informiert. Die spanischen Behörden verhaften regelmäßig militante Dschihadisten in Barcelona oder in ihren Enklaven Ceuta und Melilla, was meist auf Hinweise der marokkanischen Dienste basiert.

Marokko kämpft auch um seinen guten Ruf

Noch kann die Rückführung der mehr als 8000 in Deutschland ausreisepflichtigen Nordafrikaner, darunter etwa 2300 Marokkaner, nicht im gewünschten Ausmaß erfolgen. Die Staaten kooperieren nicht ausreichend bei der Identitätsfeststellung. Zumindest die Asylanträge der Nordafrikaner könnten bald schneller bearbeitet werden. Dafür müssen Marokko, Tunesien und Algerien erst ihren derzeitigen Status als „unsichere Herkunftsländer“ verlieren. Die Regierungsparteien der CDU, CSU und SPD haben dies neben der Verschärfung des Asylrechts bereits beschlossen. Es fehlt noch die Zustimmung des Bundesrats, die jedoch durch das Votum der von Grünen und Linken mitgeführten Länder gefährdet ist.

Bisher erhielten marokkanische Flüchtlinge in Deutschland nur selten Asyl, da es eben an Voraussetzungen dafür mangelt. „Einen Grund für Marokkaner, in Massen politisches Asyl in Deutschland zu beantragen, gibt es nicht“, glaubt der marokkanische Journalist Aziz Allilou. „Marokko ist einer der liberalsten Staaten unter allen arabischen Ländern.“ Hier werde niemand systematisch verfolgt, eingesperrt und gefoltert. „Die jungen Männer sind in Deutschland nur auf der Suche nach einem besseren Leben. Sie sind Wirtschaftsflüchtlinge.“

Innenminister de Maizière kann mit den Ergebnissen auf seiner ersten Reisestation zufrieden sein. Aber bekanntlich wäscht eine Hand die andere. „Wir werden Marokko bei der Europäischen Union unterstützen“, sagte der CDU-Politiker fast nebenbei. Er meint damit die mögliche Aussetzung der Handelsbeziehungen zwischen der EU und dem nordafrikanischen Land. 2015 hatten die einen Wert von umgerechnet vier Milliarden Euro.

Der europäische Gerichtshof hatte einer Klage der Polisario, der sogenannten Befreiungsbewegung aus dem umstritten Gebiet der Westsahara, in erster Instanz stattgegeben. Bisher hat das Urteil keine direkten Auswirkungen, da es in die zweite Runde geht. Marokko hat allerdings sämtliche Verbindungen zur EU gekappt. Das Königreich beansprucht die Westsahara, das ist Teil der Staatsräson – was die harsche Reaktion erklärt. Mit Deutschland als Unterstützer hat Marokko einen gewichtigen und einflussreichen Partner gewonnen.

Aber Marokko geht es nicht nur darum. Mit der Rücknahme der Flüchtlinge will es das durch Köln ramponierte Image aufbessern. „Sehen Sie, Zehntausende von Marokkanern leben seit Jahren bei uns friedlich und sind integriert“, meinte de Maizière. „Jedes Jahr fahren 500.000 deutsche Touristen nach Marokko, von dem wir landwirtschaftliche Produkte von hoher Qualität erhalten.“ Marokko habe ein großes Interesse an dieser Zusammenarbeit, betonte der Minister kurz vor seinem Abflug nach Algier.

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